Zum Hauptinhalt springen

Im Käfig ist die Herkunft egal

Von Bernd Vasari

Politik
Fast alle Jugendlichen im Käfig sprechen mehrere Sprachen. Nicht-Migranten bleiben fern.
© © Stanislav Jenis

Viele nicht-migrantische Jugendliche trauen sich nicht in die Parks.


Wien. Hasan umspielt zwei Gegenspieler, schießt, der Ball geht an die Innenseite des Hütchens, mit dem das Tor markiert wird. Das Hütchen fällt um, er reißt die Arme hoch: "Der war drin!", jubelt der 14-Jährige. "Nein, nie und nimmer!", kontern die Gegenspieler lautstark. Die beiden Trainer am Spielfeldrand, Peter Girsch und Wolfgang Janker, entscheiden nach kurzer Beratung: kein Tor. Nach Unmutsäußerungen auf der einen und Jubel auf der anderen Seite geht das Spiel weiter.

An einem der letzten sommerlichen Tage am Wiener Yppenplatz ist der Fußballkäfig voll mit Jugendlichen. In der einen Hälfte trainiert die Käfig-League, ein Projekt der youngCaritas, gegründet vor mehr als zwei Jahren, um mit Spaß Werte wie Toleranz, Fair Play und Respekt vor anderen zu lernen. In 25 Käfigen in ganz Wien finden seither einmal wöchentlich zweistündige Trainings statt. Teilnehmen kann jeder zwischen 6 und 14 Jahren. Mittlerweile sind es mehr als 500 Jugendliche pro Woche, die Fluktuation ist sehr hoch. "Jede Woche ist ein neues Gesicht dabei", bemerkt Peter Girsch. Wer wirklich immer mitmacht, zeige sich im Winter, wenn in Hallen trainiert wird und niemand mehr zufällig vorbei kommt.

Das Tempo wird von beiden Trainern hochgehalten. "Schneller passen!", feuert Janker an. Man übt 1:1 Situationen, in denen der Stürmer den Verteidiger überspielen muss. Nach dem Aufwärmspiel folgen technische Übungen, um das Passspiel oder das Zweikampfverhalten zu verbessern. "Wir machen alle Übungen mit dem Ball", betont Girsch. Die Ablenkungen während des Trainings sind hoch: Immer wieder kommen oder gehen Spieler, oftmals fliegt auch der Ball aus der anderen Käfighälfte hinein. Am Wochenende werden fallweise Turniere gespielt.

Tarik ist seit Beginn der Käfig League dabei. "Wir belegten auch schon einmal den ersten Platz", erzählt der Zwölfjährige stolz. Die besten Käfig-League-Mannschaften bekommen am Ende des Jahres die Möglichkeit, gegen den Austria- oder Rapid-Nachwuchs zu spielen. Letztes Jahr im Hanappi Stadion hatte die Käfig-League gegen die Rapidler keine Chance, obwohl diese jünger waren.

"Bei uns waren alle ein bisschen frustriert, weil nach vorne wenig bis gar nichts ging", erzählt Girsch. "Dann wollte jeder gleich das Spiel selbst in die Hand nehmen und den Ball hinten vom Tormann holen." Damit war die Aufteilung dahin. "Wir waren dreimal über der Mittelauflage." Girsch war erstaunt über die Ruhe der Grün-Weißen beim Spiel: "Kein Spieler hat ein Wort gesagt. Kein Mucks. Nichts."

Tarik ist jeden Tag am Yppenplatz, ebenso Hasan: "Ich spiele täglich sechs, sieben Stunden hier Fußball", erzählt der bald 15-Jährige. Zu einem Verein will aber keiner der beiden wechseln. Tarik möchte lieber einmal Polizist werden, Hasan strebt eine Lehre bei der Handelskette Spar an.

Fast alle Jugendlichen im Käfig sprechen mehrere Sprachen. Der hohe Lärmpegel setzt sich aus einem Stimmengewirr aus Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Türkisch und Deutsch zusammen. Tarik spricht etwa noch Bosnisch, Hasan Türkisch. Für die beiden ist egal, wo wer herkommt. Es werde schon mal "Serbien gegen Türkei" gespielt, aber das sei nicht der Regelfall. Das hat auch Peter Girsch beobachtet: "Es geht den Jugendlichen nicht um Herkunft. Wichtiger ist das Alter oder wer besser spielt." Ein einziger Jugendlicher im Käfig hat keinen Migrationshintergrund. Sein Vater erzählt der "Wiener Zeitung" von der zu seinem Erstaunen problemlosen Aufnahme seines Sohnes durch die anderen Jugendlichen. Er würde sich eine größere Durchmischung von Migranten und Nicht-Migranten wünschen, "aber die Nicht-Migranten sitzen wahrscheinlich daheim vorm Fernseher". Tarik und Hasan haben auch keine Ahnung, warum sich "Österreicher" nur selten im Käfig blicken lassen.

Unbegründete heimische Kontaktscheu vor Migranten

Eine Antwort darauf hat Christa Preining, Sozialarbeiterin von Back on stage. Sie betreut Jugendliche im öffentlichen Raum, eben auch den Fußballkäfig am Yppenplatz. Preining nennt mehrere Gründe: Migranten leben im Gegensatz zu Nicht-Migranten häufig in beengten Wohnverhältnissen. "Da ist rausgehen viel normaler, als wenn man als Jugendlicher sein eigenes Zimmer hat."

Der Hauptgrund läge aber woanders: "Viele nicht-migrantische Jugendliche trauen sich nicht in die Parks." Nur seien diese Ängste größer, als es die reale Situation eigentlich nahelegt. Konflikte werde es immer geben. Das habe nichts mit der Herkunft zu tun. "Das sehe ich bei Projekten, wo sich die Jugendlichen vermischen", sagt die Sozialarbeiterin.

Ursache für die Angst sei ein häufig negativ gezeichnetes Bild der Medien gegenüber Migranten. Das Positive sei für viele Medien langweilig und deshalb uninteressant, wie auch hinter vorgehaltener Hand zugegeben würde. Preining hat deshalb schon viele Interviews abgelehnt. Teilweise kann sie die Ängste der Nicht-Migranten auch nachvollziehen: Es ist bei Migranten üblicher, in großen Gruppen aufzutreten. Das verschrecke die anderen. Es komme vor, dass bei Back on stage Mütter anrufen und von der Angst ihres Sohnes erzählen, der sich nicht in den Park traut. "Wir kennen viele Jugendliche im Park und bieten auch Begleitung und Zusammenführung an. Nur das wird meist nicht angenommen."

Zurück am Yppenplatz. Das Training ist vorbei. Einer der Jugendlichen ist verärgert, weil er das Abschlussspiel verloren hat. Woran liegt es, dass seine Mannschaft verloren hat? "Wir hatten einen schlechten Goalie. Da kann man nicht gewinnen."