Wien. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle erteilt der "gendergerechten" Auswertung der Aufnahmetests an der Medizin-Uni Wien eine klare Absage: "Das ist klarerweise nicht fair und eine problematische Diskriminierung der Burschen". Die rechtlichen Chancen von Klagen könne er als Nicht-Jurist nur schwer einschätzen. "Mein Rechtsempfinden sagt mir, dass Diskriminierung rein aufgrund des Geschlechts grundsätzlich Unrecht ist", wird der Minister von der "Kleinen Zeitung" zitiert.

Der Konter vom Koalitionspartner ließ nicht lange auf sich warten: "Auf voller Fahrt zurück ins Mittelalter" sieht Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ihren Regierungskollegen. "Wenn ein Wissenschaftsminister über die Exzellenz von Frauen so denkt wie es in einigen Zitaten vorkommt, dann erschüttert mich das zutiefst", so Heinisch-Hosek.

"Ich stelle nämlich fest, beim Thema Frauenförderung ist das Tempo des Ministers längst nicht so, wie ich es mir wünschen würde. Da heißt es dann immer 'Das schauen wir uns an'", stellte Heinisch-Hosek fest. "Wenn es aber darum geht, dass eine Medizin-Uni, die einen Test verwendet, der in sechs Jahren nachweislich 500 Frauen benachteiligt hat, einen mutigen Schritt setzt und den Test nach Männern und Frauen getrennt auswertet und danach die Plätze vergibt, dann springt er blitzschnell einigen wenigen Burschen zur Seite, die sich heuer benachteiligt fühlen."

Heinisch-Hosek: "Backlash in der Wissenschaftspolitik"
Den von Wissenschaftsministerium und Medizin-Uni gefundenen Kompromiss mit zusätzlichen Studienplätzen begrüßt Heinisch-Hosek. "Aber auch da hätte ich mir erwartet, dass das, was als schnelle Lösung erarbeitet wurde, in der Autonomie der Uni bleibt und diese entschiedet, wie sie die Plätze vergibt. Aber auch da mischt sich der Minister ein. Einmal schreibt man Autonomie groß, und hier endet sie auf einmal am Minoritenplatz fünf (Adresse des Wissenschaftsministeriums, Anm.)" Die Ministerin ist deshalb "fassungslos, fast sprachlos und möchte das nicht hinnehmen, weil ich das als eminenten Backlash in der Wissenschaftspolitik sehe".

Durch die "gendergerechte" Auswertung haben Frauen mehr Studienplätze erhalten als ihnen rein nach der Punktezahl zugestanden wären. Dies funktionierte mittels einer nach Geschlechtern getrennten Auswertung: Dadurch konnten Frauen trotz identer bzw. sogar niedrigerer Punktezahl einen höheren Testwert als Männer aufweisen - und deshalb einen Studienplatz bekommen. Die Regelung wurde eingeführt, weil sich bisher stets mehr Frauen als Männer beworben hatten, der Anteil an zum Studium zugelassenen Frauen aber deutlich darunter lag. Heuer waren die Werte mit einem Frauenanteil von je 56 Prozent sowohl bei Bewerbern als auch Aufgenommenen aufgrund der Auswertungsmethode erstmals gleich.

Ministerium und Medizin-Uni haben sich nach einer Beschwerde der HochschülerInnenschaft der Uni vor rund zwei Wochen auf einen Kompromiss geeinigt. Demnach werden heuer mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums 60 zusätzliche Anfänger-Studienplätze an der Universität geschaffen, um die beim Test Benachteiligten doch noch zum Zug kommen zu lassen - allerdings werden auch die Zusatzplätze "genderspezifisch" vergeben.

Ab dem kommenden Jahr soll es an allen drei Medizin-Unis ein komplett neues Aufnahmeverfahren geben.