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Schluss mit Tante

Von Ina Weber

Politik

Auch Kindergruppen in Wien fordern Anerkennung und Ausbildung.


Wien. 14 Kinder zwischen 1 und 6 Jahren laufen in einem hellen Raum herum. Es ist Vormittag und Zeit für Bewegung. "Hallo", rennen sie lachend zur Tür. Ein jüngeres Kind schaut verschreckt. Es wird hochgenommen, damit es dem Gast in Augenhöhe begegnen kann. Am nötigen Platz mangelt es hier in der Bischoffgasse im 12. Bezirk nicht. Für Martina Holubek, Leiterin des Athenas Kinderhauses ist es selbstverständlich, jedem Kind nicht nur die vom Staat vorgesehenen vier Quadratmeter Platz zur Verfügung zu stellen. Die diplomierte Montessori-Pädagogin leitet keinen öffentlichen oder privaten Kindergarten, sondern eine Kindergruppe.

Personalstand als Schlüsselfrage.
© © St. Nikolaus-Kindertagesheimstiftung/Knittel

Knapp 500 Kindergruppen gibt es in Wien. Sie ergänzen neben den privaten Kindergärten das Kinderbetreuungsangebot der Stadt. Rund 6000 Familien sind laut Holubek betroffen. Die Kindergruppen unterscheiden sich von den Kindergärten dadurch, dass sie kleinere Gruppen und mehr Personal haben. Die Finanzierung ist zu einem großen Teil aus dem privaten Vermögen der Kindergruppenbetreiber. "Die Eltern verstehen auch oft nicht, dass wir hier ein besonderes Angebot haben. Sie wollen dafür oft nichts zahlen", so Holubek. Die Kindergruppe kostet die Eltern 270 Euro pro Kind inklusive Materialien und Essen und kann zu einem großen Teil vom Finanzamt zurückgeholt werden. Kontrolliert werden sie von der MA 11 für Jugendwohlfahrt. Die Fördergelder würden jedoch von der MA 10 kommen. Das sei ein Problem.

Die Gesetzeslage für Kindergärten beziehungsweise Tagesbetreuungseinrichtungen ist in Österreich höchst unterschiedlich. In Niederösterreich dürfen 15 Kinder für eine Kindergruppe angemeldet sein, in Wien sind es 14 Kinder. Auch die Gehälter der Kindergartenpädagogen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Wien etwa hat mit einer starken Abwanderung der Pädagogen nach Niederösterreich zu kämpfen, weil es dort höhere Gehälter gibt - und andere Strukturen. Im Gegensatz zu den Kindergartenpädagogen haben die Kindergruppenleiter oder -betreuer gar keinen Kollektivvertrag. Dabei ist für Holubek die Kindergruppe, die geeignete Form, um etwa in Betrieben ein entsprechendes Betreuungsangebot anbieten zu können. Sie wünscht sich ein "System wie in Nordeuropa" - ein flexibles Angebot.

Einheitliches Gesetz

Einen Betriebskindergarten mit erweiterten Öffnungszeiten bietet die private Einrichtung der Kinderfreunde im Media Quarter Marx. Der Kindergarten hat von 7 bis 18 Uhr geöffnet. Wie jede Betreuungseinrichtung in Wien sind auch die privaten Kindergärten gefördert. Dagmar Mirek, Leiterin des Kindergartens Campus Vienna sieht trotz der verbesserten Situation noch Handlungsbedarf. Allgemein meint sie, dass es oft schwierig sei aufgrund der hohen Anforderungen, gute Pädagogen zu halten. Zur Demo der Kindergartenpädagogen am Samstag mit dem Titel "Achtung, Einsturzgefahr" hätten aufgrund des wichtigen Themas für Mirek ruhig mehr präsent sein können. Denn die gesamte Berufsgruppe fordert bessere Arbeitsbedingungen und ein bundesweit einheitliches Gesetz.

"In der Freizeit demonstrieren, ist doch völlig unsinnig", sagt Holubek. "Da machen sich doch alle lustig über uns." Dass jeder in Wien eine sehr kurze Ausbildung zur Kindergruppenbetreuerin machen kann, findet sie "fahrlässig". Die Ausbildung müsste mindestens fünf Jahre dauern und praxisnah sein.

Ob im 12. Bezirk im Kinderhaus oder im 3. bei den Kinderfreunden, beide haben Kinder aus vielen Nationen. Und beide Einrichtungen sind sich einig, dass die Wertschätzung nicht nur gegenüber dem Kind das wichtigste ist. Das Bild der Kindergartenpädagogin, vormals "Tante", müsste aufgewertet werden und der Kindergarten als erster Schritt in Sachen Bildung anerkannt sein.