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Es war doch nur ein Witz

Von Ali Cem Deniz

Politik

Etwas mehr politische Unkorrektheit könnte nicht schaden.


Wien. Ein Türke, ein Serbe und ein Nigerianer sitzen im Auto. Eine Satzkonstellation, die man im Alltag in verschiedenen Formen immer wieder hört. Am berühmt berüchtigten Stammtisch sind unkorrekte Witze sowieso permanent anwesend, aber auch in den Rauchpausen am Arbeitsplatz oder bei Familienfeiern. Es gibt immer jemanden, der einen Witz erzählt, der zum Lachen und zum Zweifeln anregt. Darf ich über so einen Witz lachen?

Meistens wissen auch die Erzähler selbst, dass der Witz lustig, aber bitterböse ist. Bevor der Witz erzählt wird, fallen meist Sprüche wie "hat mir letztens ein Kollege erzählt, aber der ist richtig arg". Der Erzähler will sichergehen, dass man seine Person nicht mit dem unkorrekten Witz in Verbindung bringt. Auf humoristische Weise wird dann etwas ausgesprochen, was ansonsten als verpönt gilt; ein kleiner Ausreißer aus der Last der ständigen "political correctness". Gerade ein unkorrekter Witz scheint manchmal unverschämt lustig zu sein. Das Verbotene hat seinen Reiz.

Dass ein Witz mehr ist als "einfach nur ein Witz", ist spätestens seit Sigmund Freud bekannt. Humor kann durchaus ein Machtwerkzeug sein. Rassistische oder sexistische Witze schließen Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Geschlechts aus oder machen hierarchische Verhältnisse sichtbar. Der Boss kann es sich leisten, einen beleidigenden Witz über einen Mitarbeiter zu erzählen. Für den Mitarbeiter hingegen ist es wohl sinnvoller, den Witz über den Boss für den Feierabend mit den Freunden aufzuheben. Wobei auch hier darauf geachtet werden sollte, dass der Boss nicht unbemerkt am Nebentisch sitzt.

Die Situation ist oft wichtiger als der Inhalt

Mit dem rassistischen Witz ist es ähnlich. Es ist nicht unbedingt der rassistische Inhalt, der ihn problematisch macht, sondern die Situation, in der er erzählt wird. In den meisten Situationen ist er tatsächlich unkorrekt. Er marginalisiert, er diskriminiert oder reduziert Gruppen auf bestimmte zumeist negative Merkmale und entmenschlicht sie so. Die Karikatur, die eine Verzerrung der Realität sein soll, wird zum genauen Abbild der Wirklichkeit.

Doch in manchen Situationen kann ein unkorrekter Witz, der mit Stereotypen und Klischees spielt, etwas korrekter sein als sonst üblich. Wenn Türken Witze über Türken erzählen, kann man natürlich von Selbstermächtigung reden. Wenn sich auf einer Baustelle kurdische und serbische Arbeiter gegenseitig unkorrekte Witze erzählen, kann man von einem gemeinsamen Austausch und einer Solidarisierung reden.

Einte Exjugoslawien ein "progressiver Rassismus"?

Eine Situation, von dem auch der slowenische Philosoph Slavoj Zizek berichtet. Vor dem Zerfall Jugoslawiens war das gegenseitige Erzählen von rassistischen Witzen mehr eine Brücke als ein Hindernis in der Beziehung zwischen Menschen mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Aus dem schließt Zizek, dass eine Möglichkeit zur Bekämpfung von Rassismus eine Art progressiver Rassismus sein kann. Das Problem ist die Lösung, könnte man im Sinne von Paul Watzlawick dazu sagen.

Der rassistische Witz wird zum Problem, wenn er von der Mehrheitsgesellschaft verharmlost wird, obwohl er klar diskriminierende Züge trägt. "Das war doch nur ein Witz", heißt es dann. Der umgekehrte Witz wird weniger toleriert. Immer wieder versuchen Medien mit Berichten über Mittelschulen etwa zu schockieren, in denen angeblich österreichische Kinder aufgrund ihrer Herkunft verspottet werden. Ähnlich wie der Mitarbeiter den Witz über den Boss im privaten erzählen muss, erzählt am Ende der Migrant den bösen Witz über die Österreicher lieber anderen Migranten.

Der rassistische Witz kann diskriminierend sein, aber das Gleiche trifft auch auf absolute politische Korrektheit zu. Auch sie verschleiert Probleme, wenn sie das Reden über Minderheiten komplett unmöglich macht. Eine falsche Solidarität kann genauso diskriminierend sein wie echte Exklusion. Den schwarzen Soziologen W.E.B. Du Bois frustrierten besonders Weiße, die von ihren hervorragenden schwarzen Freunden erzählten. Gerade so eine Erzählung macht eine Minderheit zur Ausnahme. "In meiner WG wohnt ein Araber, aber der ist ganz nett und überhaupt nicht streng" heißt das hierzulande.

Mehr als diese falsche Solidarität hat der unkorrekte Witz das Potenzial, echtes Zusammenleben zu fördern. Bis es in Österreich so weit ist, dürfte es aber noch lange dauern, denn es herrscht eine Ungleichheit zwischen den Witzerzählern. Erzähler aus der Mehrheitsgesellschaft können noch so diskriminierende Witze verharmlosen, während die Minderheiten sich davor hüten müssen, die Mehrheit zu sehr zu ärgern. Der Witz wird deshalb nicht im Dialog erzählt und verliert dadurch sein Potenzial als "Eisbrecher".

Wenn Sie auf einer langen Taxifahrt nicht wissen, wie Sie mit dem tunesischen Taxifahrer kommunizieren können, versuchen Sie es mal mit ein paar "unkorrekteren" Witzen. Das Verständnis zwischen Bundesländlern kann übrigens auch mit einigen "bösen" Witzen zuweilen aufgelockert werden. Zum Abschluss gibt es einen solchen Witz: Bilden Sie einen Satz mit Kärnten . . . Wem kärnten die?