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Drei Religionen für ein Halleluja

Von Richard Solder

Politik
Vor buntem Publikum siegte Austria gegen "Trialog All-Stars".
© © Stanislav Jenis

Fans mit philippinischen und türkischen Wurzeln kamen zum Match.


Wien. Die Austria erwischte den besseren Start. Der aktuelle Drittplatzierte der österreichischen Fußball-Bundesliga baute vom Anpfiff weg Druck auf. Mit Erfolg: Bereits nach zwei Minuten konnten sich die Violetten über das erste Tor freuen. Auch in der Körpersprache zeigte die Austria von Anfang an, wer hier in der Wiener Generali-Arena der Favorit ist: In der siebten Minute packte Verteidiger Emir Dilaver gegen Erkan Özmen, Flügelflitzer der gegnerischen Mannschaft, im Zweikampf den Ellbogen aus. Wenige Sekunden später fand sich Özmen am Boden wieder. "Hey!" protestierten Betreuerstab und Anhänger.

Das Gegenüber des österreichischen Traditionsklubs hieß an diesem Mittwochabend freilich weder Panathinaikos Athen noch Besiktas Istanbul. Es wurde auch nicht Europacup gespielt. Der Abend stand im Zeichen einer Benefiz-Aktion: Bereits zum fünften Mal fand der Trialog Champions Cup statt, eine Initiative des Trialog Institutes rund um Michael Galibov und Alexander Karakas.

Die "Trialog All-Stars" bestanden aus jüdischen, christlichen und muslimischen Jugendlichen. Zusammengestellt und gecoacht wurden sie von Attila Sekerlioglu, ehemals Austria-Spieler und nunmehr Trainer. Andere Ex-Profis wie Felix Gasselich und Christian Prosenik unterstützten die multikulturelle und multikonfessionelle Mannschaft am Feld. Schließlich spielte man für einen guten Zweck. 2011 brachte das Benefiz-Spiel 3000 Euro ein. Der Reinerlös wird jedes Jahr zu gleichen Teilen in Bildungsprojekte der jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubensgemeinschaften gesteckt.

Was als eine überschaubares Kickerl in der Sporthalle des jüdischen Vereins SC Hakoah vor etwa 20 Zuschauern begann, wurde bald zu einem Groß-Event: 2009 konnte die Wiener Austria für das Projekt gewonnen werden und das Turnier übersiedelte in die Generali-Arena.

Die Religion in der Öffentlichkeit stärken

Neben den Spenden geht es um die Symbolik. Im Vorfeld des Spiels traten Vertreter von Judentum, Christentum und Islam gemeinsam auf: Fuat Sanac, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Oskar Deutsch und Stefan Turnovskzy, Jugendbischof der Österreichischen Bischofskonferenz. "Durchs Reden kommen die Leut’ zam, und beim Fußball", sagte Deutsch. Stefan Turnovszky ergänzte: "Die drei Konfessionen Seite an Seite, so soll es sein - und wahrgenommen werden."

Turnovszky tritt dafür ein, das gesellschaftliche Bild von Religion allgemein zu stärken. Der Weihbischof sieht wachsendes Misstrauen. Es müsse verhindert werden, dass Religion aus der Öffentlichkeit gedrängt wird. "Und wo lässt sich besser ein Zeichen setzen als im Fußball-Stadion?" So ein Zeichen sei auch gerade angesichts der jüngsten Ausschreitungen in islamischen Ländern wegen eines in den USA produzierten Schmäh-Films über den Propheten Mohammed wichtig, betonten die Vertreter der Konfessionen einhellig.

"Es gibt verschiedene Aspekte, bei denen die drei Glaubensgemeinschaften ähnliche Interessen haben", betonte Oskar Deutsch. Die Zusammenarbeit finde allerdings nicht regelmäßig statt, sondern sei anlassbezogen.

In Österreich ist nicht zuletzt die Fußball-Anhängerschaft eine Problem-Zone: Besonders "Fans" vom SK Rapid Wien, aber auch vom Stadtrivalen Austria sorgen immer wieder für diskriminierende Vorfälle. Anfang September, am Tag des Europa-League-Spiels Rapid gegen den griechischen Verein Paok Saloniki, wurde in der Wiener City ein Rabbiner mit "Scheiß-Juden raus, haut ab!" beschimpft. Der Aggressor dürfte in diesem Fall aber dem Outfit nach ein Paok-Anhänger gewesen sein.

Fuat Sanac sind die Jugendlichen wichtig: "Die sind unsere Zukunft. Deswegen habe ich von Anfang an die Initiative des Trialog Champions Cup unterstützt", erklärt der IGGiÖ-Präsident.

Die Stimmung beim Benefiz-Spiel 2012 war gut, das Publikum bunt gemischt, besonders, wenn man die Zuseher mit den Besuchern eines Liga-Spiels vergleicht: Cliquen von Teenie-Mädels mit Kopftüchern, eine Großgruppe der katholischen Community mit vorwiegend philippinischen Wurzeln, eine Familie, die ihren mitspielenden Sohn auf Serbisch anfeuerte.

"Trialog All-Stars" blieb chancenlos gegen FK Austria

Dabei gab sich die Anhängerschaft der "Trialog All-Stars" durchaus kritisch. 90 Minuten lang ging es um Fußball: "Was macht der, Oida! Spiel ihm doch den Laufpass", rief ein Jugendlicher entrüstet in Richtung Spielfeld und schüttelte den Kopf. Ein Solo des Spielers mit der Nummer 28, leider ohne Torerfolg, sorgte für Entlastung am Grün und für einstweilige Zufriedenheit auf der Tribüne: "Der ist ein Ronaldo, die Austria soll ihn unter Vertrag nehmen", empfahl einer.

Im Publikum - die Organisatoren sprechen von 1000 Zusehern - befanden sich freilich kaum Interessierte, die nicht direkt zum Umfeld des Trialog-Teams oder der Glaubensgemeinschaften gehören. Ein paar Austria-Fans hatten sich in die Generali-Arena verirrt. Am Ende stand es 9:1 für die Austria. Ein Grüppchen kichernder austro-türkischer Mädchen machte sich rasch auf den Weg Richtung Ausgang, es war kühl geworden in Favoriten. Ob sie auch zu einem regulären Spiel der Austria kommen würden? Achselzucken. "Vielleicht", sagte eine, und weg waren sie.