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Keine geklonten Ideen

Von Bettina Figl

Politik
Die fehlenden Frauen in der Wissenschaft behandelt die MedUni Wien in ihrem Symposium.
© fotolia

Das "Old Boys Network" schade der Wissenschaft, kritisieren Expertinnen.


Wien. Die tägliche Einnahme von Aspirin soll ab einem gewissen Alter gesund sein und Herzinfarkten vorbeugen, wird durch eine Studie untermauert - diese wurde allerdings nur an Männern durchgeführt. Wohin die Exklusion von Frauen in der Forschung führen kann, zeigt dieses Beispiel von Teresa Rees, Professorin für Sozialwissenschaft an der britischen Universität Cardiff.

Rees ist Keynote-Speakerin des Symposiums, das heute an der Medizinischen Universität Wien stattfindet (siehe Wissen). Das Ungleichgewicht der Geschlechter ist für Rees an den Unis offensichtlich: Europaweit haben lediglich 18 Prozent der Professuren Frauen inne. Darunter leide die Wissenschaft, daher sei es auch im Interesse der Europäischen Kommission, der mangelnden Rekrutierung und Förderung von Frauen auf den Grund zu gehen, so Rees zur "Wiener Zeitung".

Ihre Untersuchungen - die sie auch im Zuge ihrer Beratungstätigkeit in der Generaldirektion für Wissenschaft und Forschung der Europäischen Kommission durchgeführt hat - hätten gezeigt, dass Berufungen in der Wissenschaft oft inoffiziell ablaufen. "Die Prozedere sind manchmal nicht sehr transparent, Menschen empfehlen Menschen, die sie kennen" - und das wirke sich negativ auf die Wissenschaft aus: "Klone produzieren geklonte Ideen", so Rees.

"Viele Frauen merken im Laufe ihrer Karriere, dass sie andere Möglichkeiten haben als ihre männlichen Kollegen", sagt Karoline Rumpfhuber, daher richte sich das Symposium an Beschäftigte der MedUni Wien genauso wie an die Öffentlichkeit, so die Kongress-Mitorganisatorin.

Rumpfhuber ist Referentin für Gender Mainstreaming an der MedUni, in ihrem Vortrag "Exzellenzmatrix und der Weg zur Professur" (13.30 Uhr) wird das laufend in Überarbeitung befindliche Bewerbungsverfahren für Professuren ("Berufung") in Hinblick auf geschlechterspezifische Ausschlussprinzipien kritisch unter die Lupe genommen. "Die Stellenausschreibungen waren meist sehr vage gehalten", und dies habe Seilschaften und "Old Boys Networks" begünstigt, so Rumpfhuber, "allerdings wurden an der MedUni Wien in den letzten Jahren Maßnahmen für mehr Transparenz bei Berufungen gesetzt." Konkret werden Schulungen für Mitarbeiter und Bewerberinnen angeboten und externe Beobachter eingesetzt. Dennoch: "Obwohl 55 Prozent der Absolventen Frauen sind, werden sie auf jeder Karrierestufe weniger", so Karin Gutiérrez-Lobos, Vizerektorin für Lehre, Gender und Diversity an der MedUni Wien, die auch auf einen Frauenförderplan und eine Vätergruppe setzt und Mentoring-Programme anbietet.

Um daran etwas zu ändern, seien Änderungen in den universitären Strukturen in Richtung mehr Transparenz notwendig, sagt Rees, die in Wales in ihrer Funktion als Leiterin der Leadership Foundation für Höhere Bildung Universitäten in Hinblick auf strategischere Führung berät. In dem Institut werden auch Trainings für Professoren angeboten, die sich für einen Rektor-Posten interessieren.

Rees ist keine Befürworterin der Quote, die lediglich "für einen limitierten Zeitraum effektiv" sein könnte, vielmehr sollte man Transparenz dafür entwickeln und Bewusstsein dafür schaffen, dass wir alle Männer und Frauen unterschiedlich wahrnehmen. Während es in Großbritannien keine große Tradition der Gehaltsoffenlegung gibt, zeigt die einmal pro Jahr übliche Offenlegung an den Unis: Rektorinnen rangieren hier immer am unteren Ende.

"Innovation entsteht da, wo man sie nicht erwartet"

Der Elitenforscher Michael Hartmann thematisiert in seinem Vortrag die "Exzellenzinitiative", ein Hochschul-Förderprogramm, das in Deutschland zu einer massiven Spaltung der Hochschullandschaft geführt hat. Die seit 2005 laufende Initiative habe eine zuvor unbekannte Aufteilung in Elite und Masse durchgesetzt, die Starken wurden weiter gestärkt und die Schwachen geschwächt.

Unter dieser Konzentration der Mittel und des Personals würden innovative Ideen leiden, statt die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft zu steigern, so Hartmann zur "Wiener Zeitung". Denn Innovation entstehe oft dort, wo man sie nicht vermutet: Der MP3-Player wurde etwa an der unbekannten, wenig renommierten Universität Ilmenau entwickelt.

An Eliteunis kritisiert er, dass hier "etwas als Leistung vorgestellt wird, das nicht auf Leistung beruht". Auch amerikanische Eliteuniversitäten könnten ihr Renommee nur dadurch aufrechterhalten, indem sie ihr wissenschaftliches Personal am weltweiten Markt einkaufen, die Kehrseite davon sei die schlechte Qualität der Masseuniversitäten. Bei der Verteilung von Geldern würden die Naturwissenschaften und die Medizin auch immer besser aussteigen als etwa die Geisteswissenschaften, so Hartmann, und dadurch seien Frauen indirekt diskriminiert. Dass alle von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis in der Wissenschaft profitieren würden, zeigt ein weiteres, von Rees genanntes Beispiel: Erkranken Männer an Brustkrebs, werden sie mit Medikamenten behandelt, die bisher nur an Frauen getestet wurden.

Wissen

Die MedUni Wien veranstaltet heute zum dritten Mal die Tagung "Hat wissenschaftliche Leistung ein Geschlecht?". Um 10 Uhr spricht der Soziologe Michael Hartmann über Eliteuniversitäten, um 14.30 Uhr hält Teresa Rees von der Universität Cardiff einen Vortrag über Wissenschaft aus Gender-Perspektive. Unter den Eröffnungsrednerinnen befindet sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die Teilnahme an der Veranstaltung ist gratis. 9.30 bis 16 Uhr, in der Spitalgasse 23 in Wien-Alsergrund: www.meduniwien.ac.at/genderundexzellenz