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Wort des Jahres: "Gegengeschäft"

Von Clemens Neuhold

Politik

Ist es erlaubt? Warum "riecht" es? Liefen sie wie geschmiert? Ein Überblick.


Wien. Das (Un-)Wort des Jahres 2012 wird in wenigen Tagen gekürt - vergangenes Jahr gewann der "Euro-Rettungsschirm". Einreichschluss war Anfang November. Die "Wiener Zeitung" möchte ein Wort im Nachhinein nominieren: "Gegengeschäft". Denn kein Begriff hat die Nachrichten in den vergangenen Wochen derart bestimmt und dabei derart viele Missverständnisse erzeugt.

Die einen verbinden damit typisch austriakische Freunderlwirtschaft; andere assoziieren blühende Geschäfte und neue Jobs im ganzen Land. Durch die Ermittlungen rund um den Eurofighter-Deal sind die Gegengeschäfte außerdem pauschal in den Sumpf aus Korruption und Schmiergeldern gerutscht.

Warum haben Gegengeschäfte diesen "special smell", wie Ernst Strasser es ausdrücken würde?

Weil sie erneut in Zusammenhang mit Korruption gebracht werden. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass beim Eurofighter-Kauf Schmiergeld geflossen ist. Das soll vom Eurofighter-Hersteller EADS über die britische Briefkastenfirma Vector Aerospace geflossen sein, haben Erhebungen der Staatsanwaltschaft Wien und München ergeben. Vector gehörte einem italienischen Finanzjongleur und zwei österreichischen Waffenhändlern. Offizielle Aufgabe: Vermittlung von Eurofighter-Gegengeschäften in Österreich. Dafür gab es eine Provision von 180 Millionen Euro. Der Verdacht: Bei einigen genehmigten Gegengeschäften hätten Vector und Co. mittels Scheinverträgen Provisions- und Schmiergeldzahlungen geleistet.

Laut Staatsanwalt hatten die meisten heimischen Firmen, die an Gegengeschäften beteiligt waren, direkt mit EADS und nicht mit Vector zu tun. Welche Gegengeschäfte wurden also gekauft oder als Tarnung für Schmiergeld benutzt? Derzeit werden alle Geschäfte geprüft.

Sind Gegengeschäfte generell etwas Kriminelles?

Nein. Gegengeschäfte sind in der Wirtschaft übliche Handelsabkommen zwischen zwei Partnern verschiedener Länder. Die Partner beim Eurofighter sind die Republik Österreich und
der Eurofighter-Hersteller EADS.

Und die Gegenleistung?

Ein Land (Österreich) kauft einem wirtschaftlich einflussreichen privaten Konzern (EADS) ein Produkt (15 Eurofighter) ab. Als Ausgleich und Kompensation für das Geschäft gibt es eine Gegenleistung in Form von Aufträgen für einzelne Firmen des Käuferlandes. Beim Eurofighter-Deal standen einem Kaufpreis von 1,7 Milliarden für 15 Eurofighter Gegengeschäfte im Wert von 3,5 Milliarden Euro gegenüber.

Was hat das Land davon?

Bekommen heimische Firmen Aufträge, die sie ohne das dahinterliegende, große Geschäft (dem Eurofighter-Kauf) nicht bekommen hätten, stärkt das den Standort Österreich, schafft neue Jobs und hilft den Firmen im globalen Konkurrenzkampf, sagen die Fans der Gegengeschäfte.

Ab wann wird ein Geschäft zum Gegengeschäft?

Ein Gegengeschäft muss neu sein oder zusätzlich zum laufenden Geschäft erfolgen. Das heißt, laufende Geschäfte zwischen den einzelnen Firmen und dem Gegengeschäfts-Partner dürfen nicht eingerechnet werden.

Wie prüft man "Zusätzlichkeit"?

Es wird erhoben, wie viel Geschäfte zwischen den beiden Partnern (z.B. Magna und EADS) in den vergangenen drei Jahren liefen. Dieser Durchschnittswert muss durch das neue Gegengeschäft übertroffen werden.

3,5 Milliarden Gegengeschäfte versus 1,7 Milliarden Kaufpreis für die Jets. Ein Bombengeschäft?

So ähnlich wurde der Eurofighter-Kauf dem Volk von der Regierung Schüssel schmackhaft gemacht. Doch renommierte Ökonomen bezweifeln den Effekt von Gegengeschäften. Der grüne Volkswirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen sprach von "Voodoo-Ökonomie". Und renommierte Industrielle wie Hannes Androsch oder Frank Stronach, deren Firmen selbst an den Gegengeschäften beteiligt waren, bestreiten ihren Nutzen; allerdings bestätigen Manager dieser Firmen, die Gegengeschäfte persönlich abgezeichnet haben, dass die Geschäfte wirkten. Wie auch immer: Es stellt sich die Frage, ob man nicht gleich 150 Jets um 17 Milliarden kaufen und dafür 35 Milliarden Euro an Gegengeschäften lukrieren hätte sollen?

Was hält die EU von den Deals?

Seit 2009 erlaubt die EU nur noch Gegengeschäfte mit Faktor 1:1, also in der gleichen Höhe wie dem Auftragswert. Das ist wohl ein weiteres Indiz, dass die Gegengeschäfte zwischen Österreich und EADS übertrieben waren. Da der Vertrag über die Eurofighter-Gegengeschäfte vor 2009 unterschrieben wurde, bleibt er von der Einschränkung unberührt.

Was hat sich noch geändert?

Laut EU dürfen nur noch militärische Geschäfte als Gegengeschäfte anerkannt werden und nicht zivile. Beim Eurofighter-Vertrag war das noch anders. In der Liste über die Gegengeschäfte finden sich unzählige zivile Geschäfte im Autobereich, unter anderem zwischen Magna Steyr und Fiat oder Ferrari, die EADS offiziell vermittelt hat. Ein besonders ziviles Geschäft hat der grüne Aufdecker Peter Pilz am Freitag süffisant zitiert: ein Modegeschäft in Wöllersdorf, das von einer italienischen Firma um 60 Millionen Euro gekauft und mit 30 Millionen Euro als Gegengeschäft angerechnet wurde. Begründung: Eurofighter hat die Mode-Allianz eingefädelt.