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Noch immer nicht ganz daheim

Von Ania Haar, Sarah Al-Hashimi, Thomas Müller und Bernd Vasari

Politik
In der Anadolu Moschee kommen zum Freitagsgebet mehr Besucher als zur "Langen Nacht".
© Jenis

Die meisten Moscheen in Wien sind von außen nicht als solche erkennbar.


Wien. Auf den ersten Blick macht die Kuba Moschee in Leopoldstadt einen geräumigen Eindruck. Dennoch wird es hier regelmäßig eng. "Beim Freitagsgebet oder im Fastenmonat Ramadan, wenn bis zu 300 Leute kommen, ist der Gebetsraum schnell voll", erfahren die Besucher bei einer Führung. Die Kuba Moschee ist eine von elf Moscheen, in denen der türkisch-islamische Dachverband "Islamische Föderation" am Freitag eine "Lange Nacht der Moscheen" veranstaltet hat - mit Podiumsdiskussionen und Führungen.

Ein Anrainer, der Besichtigung und Small Talk bereits erledigt hat, verabschiedet sich. "Ich bin der Einzige, der mit der Moschee kein Problem hat. Alle anderen schimpfen nur", meint er noch. So ganz dürfte das nicht stimmen, denn ein älteres Ehepaar, das in einer der Wohnungen über der Moschee wohnt, zeigt sich ebenfalls freundlich gesinnt. "Ich denke, es sind viele im Haus einfach ausländerfeindlich oder haben Angst vor Hasspredigern", vermutet die weibliche Hälfte. Nachbarschaftlich gäbe es keine Probleme. Die Podiumsdiskussion über Islamophobie mit dem Erwachsenen-Pädagogen Moussa Al-Hassan Diaw und Politikwissenschafter Thomas Schmidinger verfolgen etwa 15 Besucher und einige Dutzend Gemeindemitglieder. Letztere scheint der akademische Expertendiskurs weniger zu berühren. Sie sind mit konkreten Anfeindungen konfrontiert, wie Engin Acar erzählt, der für die Jugendarbeit in der Moschee zuständig ist: "Als wir im Haus jeden persönlich eingeladen haben, gab es immer wieder rassistische Bemerkungen."

Einem mehrstöckigen Familienhaus ähnelt von außen die Anadolu Moschee in Rudolfsheim-Fünfhaus. Im ersten Stock sind zwei große Gebetsräume mit gemusterten Teppichen ausgelegt: Hier beten Frauen und Männer getrennt voneinander. Gegen 19 Uhr sind rund 70 Menschen versammelt. Zum Freitagsgebet kämen bis zu 1500 Gläubige, und an den Wochentagen seien es bis zu 600, erklärt eine junge Muslima.

Imam - ein unsicherer Job

Imame seien ein wichtiges Bindeglied zwischen Gemeinde und Stadt Wien, betont Almir Ibric von der Magistratsabteilung 17 (Integration und Diversität). Probleme gebe es auf der Kommunikationsebene, etwa wegen fehlender Deutschkenntnisse. Schwierigkeiten bereite auch die aufenthaltsrechtliche Situation der Imame: Die meisten würden aus dem Ausland von der Gemeinde eingeladen. Der erteilte Aufenthaltstitel ist an die Tätigkeit im Verein gebunden. Gibt es im Verein Streit oder einen Vorstandwechsel, kann der Imam schnell seinen Job loswerden. 98 Gemeinden gebe es in Wien. Wie viele Imame dort tätig sind, könne er nicht sagen.

Wer ist eigentlich Imam? Ein Vorbild, erklärt Amir Zaidan, der als Direktor des Islamischen Religionspädagogischen Instituts für die Weiterbildung der Islamlehrer zuständig ist. Theoretisch könne aber jeder Muslim Imam werden, sprich: vorne stehen und das Gebet leiten. Imam sei kein Amt und habe keine sakrale Bedeutung. In Wien gebe es viele Imame, die durch das Selbststudium ihr Wissen angeeignet haben.

Der Dschihad blieb nicht ausgespart. "In Österreich ist der Dschihad eher ein Krampf als ein Kampf", meinte Rüdiger Lohlker, Islamwissenschafter an der Uni Wien, in der Sultan Ahmed Moschee in Hernals. Es gebe höchstens zwei Dutzend junge Männer, die vom Weg abgekommen seien und sich im Internet schlechte Filme ansähen. Mustafa Yildiz vom Schulamt der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) betonte: Beim Dschihad ginge es um den "Kampf gegen sich selbst" - die Beherrschung der Triebe. "Krieg ist nur erlaubt, wenn man Opfer eines Angriffs wird." Lohlker ergänzte: "Es gibt genug Erklärungen gegen den Dschihad. Es liest sie nur keiner."

Nur der Mann mit der schönsten Stimme könne Muezzin werden, erläuterte danach bei der Moscheeführung ein 21-jähriger Student. Warum es vom Propheten keine Abbildungen gibt? "Man soll nicht ihn anbeten, sondern Allah", erklärte der angehende Deutsch- und Geografielehrer. Viele lauschten interessiert und stellten Fragen, andere stürmten den Stand der Kalligraphie-Künstlerin, um ihren Namen auf Arabisch zu ergattern. Gut besucht war auch das Buffet mit türkischen Spezialitäten.

Muslime bisher zu inaktiv?

Trotz rechtlicher Gleichstellung mit anderen Religionen sind Muslime in Österreich nicht angekommen. Zu diesem Ergebnis kam die Podiumsdiskussion "Staat und Islam" in der Ridvan Moschee in Brigittenau, an der zwei Juristen von der Rechtsabteilung der IGGiÖ teilnahmen. Ursachen seien fehlende Akzeptanz der Mehrheitsgesellschaft und die von Podiumsteilnehmer Ümit Vural kritisierte Untätigkeit der Muslime. Die "Lange Nacht der Moscheen", die heuer zum zweiten Mal stattfand, hätte schon vor Jahrzehnten eingeführt werden müssen, sagt Vural. Er forderte alle Muslime auf, den Dialog mit der Mehrheitsgesellschaft zu suchen. Muslime im Publikum wünschten sich hingegen mehr Einsatz und Durchsetzungsvermögen der IGGiÖ, etwa wenn es um Halal-Zertifikate gehe, oder ein Moscheebau mit Minarett verhindert wird. Für den zweiten Podiumsteilnehmer, Michael Lugger, ist Österreich seit dem Islamgesetz 1912 das beste Beispiel dafür, dass der Islam auch Bestandteil der europäischen Rechtsordnung sein könne.

2003 wurde die Ridvan Moschee gegründet. Ebubekir Kocak, Leiter der Jugendabteilung unterstrich: "Nicht nur heute ist Tag der offenen Tür, sondern jeden Tag." Alle - auch Nicht-Muslime - seien willkommen. Am Ausgang bekam jeder Besucher eine rote Rose mit einem Zitat des Propheten Mohammed und ein Buch über "Die faszinierende Lebensgeschichte" desselben.