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Sehr teure Salzburger Nockerl

Von Reinhard Göweil

Politik

Banken wussten seit Jahren, dass Salzburg ein "großes Rad" bei Spekulationsgeschäften dreht


Wien/Salzburg. Während vorne die Schlacht um die politische Verantwortung für das Spekulations-Desaster des Landes Salzburg tobt, beginnen im Hintergrund die Aufräumarbeiten. Das Team von Ithuba Capital rund um den Investmentbanker Willi Hemetsberger soll im Auftrag des Landes die Geschäfte prüfen, die angeblich mit 340 Millionen Euro im Minus stehen. Angeblich deshalb, weil am 15. Tag nach dem Geständnis der Landesbediensteten noch immer nicht klar ist, in welchem Volumen sie mit Landesgeld spekulierte - und damit auch die Höhe der Verluste. Der lange in London arbeitende und frühere Bank-Austria-Vorstand Hemetsberger war diesbezüglich schon öfters im Einsatz. So konnte er 2010 die damaligen ÖBB-Spekulationsverluste von 600 auf 300 Millionen Euro drücken.

Sicher scheint für Experten bisher nur, dass dieses Salzburger Veranlagungs-Volumen einen höheren Milliardenbetrag umfassen müsse. Offiziell liegt dieses Portfolio des Landes Salzburg bei 1,7 Milliarden Euro - inoffiziell aber eben weit höher. Am 26. November legte - wie berichtet - die mittlerweile entlassene Frau ein Geständnis ab, nach Prüfung ihrer Angaben trat Finanz-Landesrat David Brenner am 6. Dezember an die Öffentlichkeit.

Paulus droht baldige Ablöse

Laut "Salzburger Nachrichten" wurde der Finanzdirektor von Salzburg, Eduard Paulus (er ist auch Präsident der Offiziersgesellschaft), bereits 2008 von Banken über eine beträchtliche Schieflage informiert. Der Sprecher von David Brenner sagte der "Wiener Zeitung", dass es zu diesem fraglichen Zeitpunkt kein Gespräch mit dem Finanzdirektor gegeben habe. Und ein Aktenvermerk aus diesem Zeitraum gehe darauf nicht ein. In Salzburg wird daher erwartet, dass auch Eduard Paulus in den kommenden Tagen seines Postens enthoben wird.

Eine Umfrage der "Wiener Zeitung" bei Banken, wie denn so umfangreiche Geschäfte eines Bundeslandes über Jahre hinweg unbekannt bleiben können, ergab ein erstaunliches Bild. "Die Investmentbanken haben gewusst, dass das Land Salzburg sehr aktiv bei diesen komplexen Finanzprodukten ist, aktiver als es von einem kleineren Bundesland zu erwarten wäre", sagte ein Händler, der nicht genannt werden will.

Große Vollmachten ab 2003

Ob und mit wem Banken beim Land Salzburg darüber gesprochen haben, ist noch unbekannt. Fakt ist derzeit nur, dass die Referatsleiterin im Jahr 2003 von Wolfgang Eisl, dem Stellvertreter des damaligen Landeshauptmannes Franz Schausberger (ÖVP), eine weitgehende Handlungs- und Zeichnungs-Vollmacht erhielt. Finanzdirektor war damals schon Eduard Paulus. Damit gingen die Spekulationen so richtig los. Es ging um Zinsgeschäfte mit exotischen Währungen wie der indonesischen Rupie oder dem mexikanischen Peso. Dass 2008 Verluste anfielen, verwundert kaum: In diesem Jahr ging die Finanzkrise los, die Märkte spielten verrückt, Papiere wurden über Nacht praktisch wertlos.

Im Jahr 2003 dagegen herrschte noch eine Stimmung, "als ob Geld abgeschafft wäre, es war einfach alles möglich", wie es ein Banker ausdrückte. Unreglementierte Finanzmärkte brachten immer waghalsigere Produkte auf den Markt. In diesen Jahren lockerte auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Veranlagungsbestimmungen der Bundesfinanzierungsagentur. (Was auch dort 2009 zu Verlusten führte.)

Da die Salzburger Referatsleiterin nie Urlaub nahm (auch das fiel offenbar in der Finanzdirektion des Landes niemandem auf) sowie mutmaßlich Unterschriften fälschte, konnte sie das Vehikel so lange am Laufen halten.

Die von der Landesregierung eingesetzte Expertengruppe, der neben Hemetsberger auch der Rechnungshof angehört, dürfte also in Kürze die Öffentlichkeit mit wenig Erfreulichem konfrontieren. Erst im November gab David Brenner, der auch Landeshauptfrau-Stellvertreter ist, dem Landtag bekannt, dass 2011 sogenannte "Zins-Sicherungsgeschäfte" im Ausmaß von 897 Millionen Euro getätigt wurden. Das Risiko daraus wurde mit 55 Millionen Euro beziffert. Insgesamt liegt das "Schulden-Portfolio" Salzburgs bei 1,7 Milliarden Euro.

Milliarden veranlagt

Dieser Betrag dürfte sich nun signifikant erhöhen, wie erwähnt zu einem höheren Milliardenbereich. Wie hoch genau, das wird nun eruiert. Diese Geschäfte müssen dann in das Landes-Budget 2013 aufgenommen werden.

Dass der Nationalbank oder Wertpapieraufsicht so hohe Spekulationsgeschäfte des Landes Salzburg nicht aufgefallen sind, hat einen simplen Grund: Banken müssen Geschäfte mit öffentlichen Körperschaften mit keinerlei Eigenmitteln unterlegen. Die Überlegung dahinter lautete: Ein Staat kann nicht pleitegehen. Die Regulatoren haben daher keine Ahnung, in welcher Höhe Bund, Länder und Gemeinden solche Transaktionen tätigen.

Aufsicht gibt es nicht

Auch die Referatsleiterin bediente sich eines simplen Prinzips: Sie eröffnete bei Banken (laut "SN" waren es 34) Konten, nahm Kredite auf. Über sogenannte "Hebel" ist es dann möglich, ein Vielfaches dieses Kredites als Veranlagung durchzuführen. Da die kreditgebenden Banken aber das Grundgeschäft kraft Gesetz mit null unterlegen, interessierte sich auch die Aufsicht null dafür.

Eines der Vehikel, die von der geständigen Referatsleiterin verwendet wurden, ist der Salzburger "Verwaltungs- und Unterstützungsfonds". Er liegt in der Zuständigkeit der Finanzdirektion und dient zur KESt-freien Veranlagung von kurzfristigen Überschüssen.

Das Land Salzburg prüft dafür nun, ob auch Banken zu sorglos gewesen sind. "Wir halten uns den Klags-Weg gegen Bankinstitute natürlich offen", sagte der Sprecher Brenners dazu.

Hintergrund: Ausstieg der ÖBB aus Spekulationsgeschäften

Die Österreichischen Bundesbahnen haben 2005 ein hochriskantes Termingeschäft mit der Deutschen Bank abgeschlossen. Dabei haben die ÖBB die Haftung für 612,9 Millionen Euro übernommen und sollten im Gegenzug 3 Millionen Euro jährlich erhalten. Das Termingeschäft ging so: Im Zusammenhang mit sogenannten Cross-Border-Leasing-Transaktionen, bei denen die ÖBB Anlagen nach Übersee vergeben und wieder zurückgemietet haben, haben die ÖBB in Wertpapiere investiert, aus denen Leasingraten während und der Rückkaufpreis am Ende der Vertragslaufzeit finanziert werden sollten. Im Zuge dessen haben die Bundesbahnen mit der Deutschen Bank sogenannte Collateralized Debt Obligations (CDO) abgeschlossen. Dabei investierten die ÖBB 612,9 Millionen Euro in Kredite von rund 200 Unternehmen. Aufgrund der Finanzmarktkrise ist der Wert des Portfolios dramatisch eingebrochen. Gedacht war das Geschäft bis 2015, da aber ein Totalausfall des Geldes drohte, versuchte die Bahn auszusteigen.

Im Jänner 2010 kauften sich die ÖBB mit der Zahlung von 210 Millionen Euro an die Deutsche Bank von dem Deal frei. Maßgeblich am Ausstiegsszenario soll Ithuba Capital, die Firma von Willi Hemetsberger, gewesen sein. Die riskanten Spekulationsgeschäfte sollen ohne Vorstandsbeschluss abgeschlossen worden sein und die Aufsichtsräte sollen erst Monate später zum ersten Mal von dem Deal mit der Deutschen Bank erfahren haben.

Im Zuge dieser Verluste und anderer Immobiliengeschäfte musste ÖBB-Chef Martin Huber im April 2008 zurücktreten.