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In Wien scheiterte ein Viertel

Von Bettina Figl

Politik

Österreichweit erreicht mehr als die Hälfte die Ziele, Oberösterreich ist top.


Wien. "Lukas misst in seinem Atlas die Länge der direkten Entfernung von Salzburg nach Wien. Es sind 25 cm. Der Maßstab ist mit 1:1 000 000 angegeben. Wie lang ist die Luftlinie zwischen Salzburg und Wien in Wirklichkeit?" Wer die Antwort weiß, löst damit eine von 48 Aufgaben der Bildungsstandards in Mathematik (Antwort am Ende des Artikels).

Die Bildungsziele erreicht hat etwas mehr als die Hälfte der österreichischen Schüler (53 Prozent) - jeder sechste Schüler erreicht die am Lehrplan für Mathematik orientierten Standards nicht. Heuer wurden erstmals flächendeckende Standard-Tests in Mathematik durchgeführt - für Unterrichtsministerin Claudia Schmied ein "Meilenstein in der Schulentwicklung", wie sie bei der Präsentation der Ergebnisse am Dienstag betonte. Getestet wurde die gesamte 8. Schulstufe, also alle rund 80.000 Schüler der vierten Klassen AHS, Hauptschule und Neue Mittelschule (NMS).

Wiens Schüler schnitten dabei österreichweit am schlechtesten ab, von ihnen haben 25 Prozent die Bildungsstandards nicht erreicht. Unter Berücksichtigung der Größe der Schule oder Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund liegt jedoch Kärnten am letzten Platz. Die Auswertung nach diesen Parametern wird "der faire Vergleich" genannt und dient als Orientierung für die Schulstandorte, so Studienleiter Günter Haider vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie).

"Das Risiko der Herkunft"

Es zeigt sich, dass große Unterschiede zwischen den einzelnen Schulestandorten und -typen bestehen. Die beste Schule ist mit einem Mittelwert von knapp 700 Punkten eine AHS, die schlechteste ist eine Hauptschule mit rund 350 Punkten. Die AHS erreichten im Schnitt 600, Pflichtschulen 504 Punkte. Diese Differenzen seien "enorm besorgniserregend" da sie zeigen "wie groß das Risiko der Herkunft ist", sagte Schmied.

Getestet, aber nicht ausgewiesen gemacht, wurden die Ergebnisse der NMS: Da es von ihnen in ganz Österreich erst 67 gibt, sei "keine zuverlässige Analyse möglich", so Haider. Die Schulen hätten sich vor vier Jahren freiwillig zu dem Schulversuch gemeldet und "die Daten würden wissenschaftlichen Ansprüchen noch nicht genügen".

Starken Einfluss auf die Ergebnisse hatten sozioökonomische sowie migrantische Hintergründe: Kinder aus migrantischen Familien kamen auf einen Mittelwert von 480 Punkten, österreichische Schüler auf 547. Und: Immerhin zwölf Prozent der Akademikerkinder erreichte die höchste Kompetenzstufe, aber nur ein Prozent der Kinder, deren Eltern höchstens einen Pflichtschulabschluss haben. Umgekehrt verfehlen nur sechs Prozent aller Akademikerkinder die Standards, aber 37 Prozent jener, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben. Schlecht fielen auch die Ergebnisse der Wiener Hauptschulen aus: Dort erreichen 51 Prozent der Schüler die Bildungsstandards nicht oder nur teilweise (Österreich-Schnitt: 24 Prozent). Keinen großen Unterschied macht das Geschlecht aus: Burschen erreichten im Schnitt 539 Punkte, Mädchen 532. Deutliche Unterschiede gibt es lediglich in der höchsten Kompetenzstufe: 60 Prozent Burschen stehen 40 Prozent Mädchen gegenüber.

Sowohl unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen als auch bei der absoluten Punktezahl (548) schafften es Oberösterreichs Schüler auf den ersten Platz. Wobei der Unterschied zwischen den Bundesländern nicht allzu groß ist: Wien liegt nur 31 Punkte hinter Oberösterreich, das entspricht drei gelösten Aufgaben. Neben Oberösterreich liegen auch Salzburg, Tirol und Niederösterreich über dem Österreich-Schnitt von 535 Punkten. Durchschnittlich abgeschnitten haben die Steiermark und das Burgenland; Vorarlberg liegt etwas darunter. Die niedrigsten Werte weisen Kärnten und Wien auf.

Wiens "Großstadt-Faktor"

Auf das schlechte Abschneiden Wiens reagierte die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl mit den Worten: "Das Ergebnis kann nicht zufriedenstellend sein, aber es war absehbar." Sie macht dafür den "Großstadtfaktor" verantwortlich: "Wien ist die einzige österreichische Großstadt. Wir haben wesentlich mehr Migranten als etwa Oberösterreich und wesentlich größere soziale Probleme. Das hat sich natürlich ausgewirkt."

Sie fordert die kostenlose Ganztagsschule sowie Erhöhung der Unterrichtszeit: "Es ist wichtig, dass die Kinder wieder mehr in der Schule sind." Ebenfalls "kritisch hinterfragen" will sie die Berechtigungen zum Besuch einer AHS.

Eine gezielte Förderung von leistungsschwachen Schülern ist kein Ziel der Standard-Überprüfungen und wäre auch nicht möglich: Nur die Schüler selbst erfahren via Internet, wie sie abgeschnitten haben. Lehrer erhalten anonymisierte Rückmeldungen für ihre Klasse, Direktoren einen Schulbericht und Berichte zu den Klassen. Die Standards werden in der achten Schulstufe fortan jährlich getestet: 2013 ist Englisch, 2014 Deutsch und 2015 wieder Mathematik dran. Es bleibt abzuwarten, wie viele Schüler dann wissen, dass sich die Luftlinie zwischen Wien und Salzburg laut dem Rechenbeispiel auf 250 Kilometer beläuft.