Wien. (temp) Nach der Räumung des Flüchtlingscamps vor der Votivkirche durch die Wiener Polizei in der Vorwoche verhärten sich die Fronten: Während Innenministerin Johanna Mikl-Leitner darauf beharrt, dass "strukturelle Änderungen im Asylwesen" nicht stattfinden werden, solidarisieren sich die Kirchenvertreter mit den Flüchtlingen. Für heute, Mittwoch, 16 Uhr wurde eine neue Solidaritätsdemonstration vor der Kirche angekündigt.

In der Kirche selbst sind noch immer einige Flüchtlinge im Hungerstreik. Sie wollen diesen erst beenden, wenn die Politik auf ihre Forderungen eingegangen ist.

Nachdem bereits vergangenen Samstag hunderte Unterstützer auf die Straße gegangen waren, hat zwar das Innenministerium der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit den Auftrag erteilt, die Camp-Räumung zu evaluieren - einen direkten Dialog mit den rund 40 Flüchtlingen lehnt Mikl-Leitner jedoch ab.

Der von Wiens Caritas-Direktor Michael Landau geäußerte Wunsch nach Vermittlung durch die Staatssekretäre Josef Ostermayer (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) dürfte ebenfalls ungehört verhallen. Dabei gab es am Wochenende einen breiten Appell an die Politik, sich einzubringen. Sogar der Leiter des Wien-Büros des UNO-Flüchtlingshochkommissariats, Christoph Pinter, mischte sich ein und meinte, die Gespräche zu wichtigen Themen wie Arbeitsmarktzugang, Standard der Unterbringung und Problemen mit Dolmetschern dürften nicht abreißen. Hier müsse man Zeichen setzen.

Nach Ansicht Landaus darf die Regierung "nicht länger auf Tauchstation bleiben und das Leid von Menschen erste Reihe fußfrei betrachten". Die Politik spiele offenbar "Mikado" nach dem Motto: "Wer sich zuerst bewegt, verliert."

"Menschen in Bedrängnis"

Mittlerweile haben auch Kardinal Christoph Schönborn und die designierte Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden in Österreich, Beatrix Mayrhofer, die Flüchtlinge in der Votivkirche besucht. "Es war ein Besuch bei Menschen in Bedrängnis", erklärte Schönborn danach - und bat "die verantwortlichen Politiker und Beamte, bei der Lösung der schwierigen Grundsatzfragen und der Behandlung der persönlichen Schicksale genau das im Blick zu haben: dass es sich hier um ganz konkrete Mitmenschen handelt, die vor völlig unsicheren, düsteren Zukunftsaussichten stehen".

Eine Lösung scheint aber nicht in Sicht: Die Forderung der Asylwerber etwa, alle Fingerabdrücke zu löschen, bezeichnete Mikl-Leitner als "irreal". Was den Zugang zum Arbeitsmarkt angeht, wies sie auf die Möglichkeit einer Saisonbeschäftigung hin. Zugleich verwies sie auf ein Angebot ihrerseits, angeblich nicht adäquate Flüchtlingsunterkünfte überprüfen zu lassen. Unverändert stünden den Asylwerbern vom Innenministerium organisierte Quartiere zur Verfügung. Sollten sie aber die "kalte Kirche" vorziehen, stehe ihnen das natürlich frei.