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Die budgetären Geisterfahrer

Von Reinhard Göweil

Politik

Wovon Landtage nichts wissen: "Voranschlags-unwirksame Gebarung".


Wien. "Die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung definiert Finanzschuld nicht, auch nicht, wie mit Belastungen künftiger Finanzjahre umzugehen ist", sagt Rechnungshof-Präsident Josef Moser im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Darauf weisen wir seit dem Jahr 2007 hin."

Getan hat sich freilich nichts, wie die Beispiele Niederösterreich und Salzburg zeigen. Denn Landesbudgets sind noch immer allzu simple Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen für das jeweilige Jahr. Moser: "Aufgrund des Systems ist es möglich, dass Geld, das ein Land bei der Bundesfinanzierungsagentur aufnimmt und an einen Fonds weiterleitet, nicht im Rechnungsabschluss ersichtlich ist. Damit ist es nicht Bestandteil des Budgets und scheint nicht auf."

So geschehen in Salzburg, als kurzfristig 445 Millionen Euro gesucht wurden. Das Problem dabei: Was nicht im Rechnungsabschluss aufscheint, wird auch dem Landtag nicht mitgeteilt. "Voranschlags-unwirksame Gebarung" nennt sich diese budgetäre Geisterfahrt im Beamtenjargon.

Der suspendierte Finanzchef der Salzburger Landesregierung, Eduard Paulus, lieferte am Donnerstag ein Beispiel dazu. Er bestätigte die Existenz eines "Reserve-Swaps", der "in guten Zeiten" (also vor 2007) mit 270 Millionen Euro gut gefüllt war. Dieser Polster ermöglichte es dem Land Salzburg, die Finanzkrise "mit einem blauen Auge" zu bestehen, wie es Paulus formulierte.

"Informelle Budgets"

Er berief sich dabei auf eine Empfehlung des Finanzbeirates, dem die externen Finanzexperten Utz Greiner und Lauri Karp angehörten. In den Rechnungsabschlüssen findet sich davon allerdings nichts. "Es gibt keine einheitliche Bewertung der von den Ländern angeschafften Wertpapiere. Üblicherweise stehen sie mit dem Anschaffungswert im Rechnungsabschluss. Derivate müsen gar nicht dargestellt werden", so Moser. Im Klartext: Ob und wie hoch das Risiko solcher Wertpapiere ist, erschließt sich dem Betrachter nicht - und entzieht sich damit der parlamentarischen Kontrolle.

Es wird aber noch gruseliger: "Sogar Haftungen werden von Körperschaften äußerst unterschiedlich dargestellt", sagt Moser. In den bisher vom Rechnungshof geprüften Bundesländern Tirol, Kärnten und Niederösterreich fanden die Prüfer insgesamt sechs verschiedene Definitionen von "Schuld". Das führt zu überaus kuriosen Ergebnissen: Während in den Rechnungsabschlüssen die Schulden der Länder mit 8,9 Milliarden Euro ausgewiesen werden (das sind jene Berichte, die auch den Landtagen vorgelegt werden), betragen die der EU-Kommission gemeldeten Zahlen 16 Milliarden Euro.

Der Grund: Die Daten sammelnde Statistik Austria legt hier - gemäß EU-Richtlinie - strengere Maßstäbe an. Warum also Brüssel Zahlen erhält, die in Österreich kein Abgeordneter eines Landtages so zu Gesicht bekommt, bleibt ein Mysterium.

"Wir fordern seit Jahren eine Rechnungslegung, wie sie auch in der Privatwirtschaft gilt. Derzeit jedenfalls sind die Rechnungsabschlüsse der Länder miteinander nicht vergleichbar", konstatiert der Rechnungshof-Chef. Das Kontrollorgan kann aber nur bemängeln, dass Gebarung auch außerhalb von Voranschlägen und Abschlüssen stattfindet, darüber hinaus ist es hier ziemlich zahnlos: Es gibt keine verbindliche Regel.

Daher fordert Moser auch, das von Bund und Ländern vereinbarte Spekulationsverbot strenger zu formulieren und abzusichern.

Auch die in der jüngsten Vereinbarung festgeschriebene Sanktion entpuppt sich als Nullum: Sie tritt nur bei Einstimmigkeit in Kraft. Und das betroffene Land müsste dafür sein. Ähnliches gab es im EU-Stabilitätspakt. Das führte die Eurozone in eine Krise, an der sie bis heute knabbert.