Maruna hatte in ihrem mehr als einstündigen Plädoyer einen Schuldspruch für Strasser gefordert. Erschwerend sei dabei die Tatsache, dass Strasser durch sein Verhalten das Vertrauen der Bürger in die Demokratie beschädigt hat. Er behaupte zwar "of course I’m a lobbyist", aber er sei "eben kein Lobbyist, sondern ein gewählter Mandatar", so die Oberstaatsanwältin.

Das Argument, dass die Gespräche mit dem vermeintlichen Lobbyisten und die daraus resultierenden Anfragen bei Kollegen bezüglich Änderungsanträgen kein Amtsgeschäft gewesen seien, ließ die Staatsanwältin nicht gelten. Erstens sei er gegenüber den anderen EUMandataren als Mitglied des EU-Parlaments aufgetreten und habe sich nicht etwa als Lobbyist zu erkennen gegeben, zweitens umfassten die Amtsgeschäfte "auch vorbereitende Handlungen". Im EU-Parlament passiere "ein gewaltiger Meinungsbildungsprozess", für Maruna "Kernstück der Arbeit eines Mandatars" und damit sehr wohl ein Amtsgeschäft.

Reporter wählten Strasser wegen "fragwürdigen Rufs"

Dass Strasser durchaus im Ruf stand, bestimmten Geschäften nicht abgeneigt zu sein, bestätigten auch die beiden britischen Journalisten Claire Newell und Jonathan Calvert bei ihrer Video-Einvernahme am Montag. Man sei auf Strasser gekommen, weil sein Ruf diesbezüglich fragwürdig gewesen sei, erklärte Newell via Videoschaltung. Bei den Gesprächen sei stets klar gewesen, dass man Strasser als Lobbyisten und nicht etwa als Consulter gewinnen wollte.

"Ich gebe der Oberstaatsanwältin recht: Die Optik ist keine sehr schöne", so Strasser-Anwalt Thomas Kralik in seinem Schlussplädoyer, "aber wir haben hier nicht die Optik zu beurteilen." Für ihn stand daher fest: "Doktor Strasser hat nichts Unrechtes getan." Er habe den Journalisten deutlich zu verstehen gegeben, dass er in den Ausschüssen, in denen er selbst saß, nichts für sie tun könne. Bezüglich der Änderungsanträge, die er an Kollegen weitergeleitet habe, sei dies nur mit der Bitte erfolgt, "zu prüfen, ob das Sinn macht" und nicht mit dem Hinweis "ich will, dass das geändert wird".

Die britischen Enthüllungsjournalisten Claire Newell und Jonathan Calvert habe er außerdem von Anfang an als Schwindler durchschaut. Nach eigenen Angaben vermutete Strasser hinter den beiden allerdings einen Geheimdienst und keine Zeitung. Über diese Geschichte sei viel gelacht worden, so Kralik weiter. Allerdings zeige die Tatsache, dass Strassers Lebensgefährtin wegen der Befürchtung, ein Geheimdienst könnte hinter ihrem Partner her sein, zur Polizei gegangen sei, "da muss eine Angst da gewesen sein".

Um dies zu untermauern, hatte Kralik am Montag einen hochrangigen Polizeioffizier laden lassen, mit dem sich Strassers Lebensgefährtin in der Angelegenheit getroffen hatte. Er habe den Verdacht gehabt, "dass es sich um einen westlichen Dienst handelt, nicht um einen östlichen", so der Polizist. Zu einem Treffen mit dem Verfassungsschutz (BVT) sei es dann aber nicht gekommen, weil Strassers Partnerin bat, davon Abstand zu nehmen. Strassers Verhältnis zum BVT war stets sehr angespannt, wie auch im Prozess immer wieder deutlich wurde.