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Polen in Wien geben nicht auf

Von Ania Haar

Politik
Polnische Fußballfans in Wien: Nur selten werden die Polen als Community in Österreich nach außen sichtbar.
© Milagros Martínez-Flener

Die Wurzeln der Polen in Wien reichen bis in die k. u k. Monarchie zurück.


Wien. Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke waren unter den vielen prominenten Künstler, die Karol Lanckoronski (1848-1933) förderte. Bekannt wurde der polnische Sammler, Mäzen und Kunsthistoriker mit seiner privaten Kunstsammlung im Wiener Palais Lanckoronski. Seine Kinder wuchsen in Wien auf, doch blieben sie, wie seine Tochter Karolina Lancoronska in ihrem Buch "Mut ist angeboren" festhält, der polnischen Kultur sehr verbunden.

Es ist nur eine von vielen Familiengeschichten, die aufgearbeitet werden müsste, um Kontinuität und Beheimatung der Polen in Wien zu beweisen. Denn beides sind Voraussetzungen, um als Volksgruppe anerkannt zu werden. Weitere Kriterien sind die österreichische Staatsbürgerschaft, ein eigenes Volkstum, eine andere als die deutsche Muttersprache und die über mehrere Generationen nachweisbare Beheimatung der Gruppe im Bundesgebiet. In Österreich sind sechs autochthone Volksgruppen anerkannt: Burgenlandkroaten, Slowenen, Slowaken, Tschechen, Ungarn und Roma. Der Antrag auf Anerkennung der polnischen Gruppe wurde abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Doch die Polen geben nicht auf.

Ein Kampf seit 17 Jahren

Die Vorgeschichte: Am 12. Jänner 1996 reichte der polnische Verband "Strzecha" beim Bundeskanzleramt einen Antrag auf Anerkennung als Volksgruppe ein. Erst fünf Jahre später kam eine ablehnende Antwort, die mit einer sozialwissenschaftlichen Studie begründet wurde. Darin wurde vor allem die fehlende Kontinuität österreichischer Staatsbürger mit polnischer Muttersprache in Teilen des Bundesgebiets angeführt. Darüber hinaus sei der zahlenmäßige Anstieg der Polen auf neuere Zuwanderung, vor allem in den 80er Jahren, zurückzuführen. Demnach handle es sich um keine autochthone Gruppe.

Was "Strzecha" irritiert: Berücksichtigt wurden primär Polen, die nach Wien gekommen sind und die polnische Staatsbürgerschaft haben, kaum aber Österreicher, die seit Generationen in Wien leben und polnisch sprechen. Um als Volksgruppe anerkannt zu werden, müssen aber die Mitglieder der Gruppe die österreichische Staatsbürgerschaft nachweisen, nicht die polnische.

Tatsächlich reichen die polnischen Wurzeln in Wien bis in die k. u. k. Monarchie zurück. Nach der ersten Teilung Polens und später mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses (1815) wurden Teile polnischer Gebiete der Habsburgermonarchie zugeteilt. Polen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten zogen als Untertanen des Kaisers nach Wien. Einige nahmen am politischen Leben der Monarchie teil und bekleideten wichtige Ämter. So war Kazimierz Badeni Ministerpräsident Österreichs, Julian Dunajewski Finanzminister und Franziszek Smolka führte den Vorsitz des Abgeordnetenhauses. Dort hatten polnische Parlamentarier ihren eigenen Klub, den "Polen Klub", dessen Saal bis heute diesen Namen trägt.

Der seit 1894 tätige Verband

Dass sich die Polen Wiens um die Erhaltung des eigenen Volkstums kümmerten, belegen die Gründungen und Tätigkeiten vieler Organisationen und Vereine. Mit dem Ziel die polnische Sprache und Kultur in Österreich zu erhalten wurde 1894 "Strzecha", der bis heute tätige Verband der Polen in Österreich, gegründet. Zu den Vereinsmitgliedern zählte auch der gebürtige Krakauer Franciszek Trzesniewski, der 1902 den gleichnamigen, bis heute bestehenden Schnellimbiss in der Wiener City gründete.

Auch polnische Seelsorge hat hier eine lange Geschichte. Die Kirche des Heiligen Kreuzes am Rennweg (seit 1897) und die Kirche des Heiligen Joseph am Kahlenberg (seit 1906) wird bis heute von den polnischen Orden der Resurrektionisten geleitet. Hier wurde und wird getauft und geheiratet. 1908 kaufte die Polnische Volksschulgesellschaft in der Boerhaavegasse 25 in Wien-Landstraße ein Haus und nannte es "Polnisches Haus", wo Polnisch unterrichtet und eine Bibliothek mit Lesesaal eingerichtet wurde.

Nach 1918 kehrten einige Polen mit Wiedererlangung der Unabhängigkeit in ihre Heimat zurück, viele blieben aber und intensivierten die Arbeit in solchen Einrichtungen. "Die Tradition solcher Institutionen, die bis heute tätig sind, müsste berücksichtigt werden", meint Boguslaw Dybas, Leiter des Wissenschaftliche Zentrums der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien, das seinen Sitz im ehemaligen Polnischen Haus hat. Einen Ausschnitt des damaligen Lebens der Parlamentarier widmet sich demnächst (ab 17. April) eine von der Polnischen Akademie initiierte Ausstellung an der Karl-Franzens-Universität in Graz unter dem Titel: ,,Viribus Unitis? Polnische Parlamentarier in der Habsburgermonarchie 1848-1918".

Solche Daten und Informationen wurden in der vom Bundeskanzleramt in Auftrag gegebenen Studie nicht herausgearbeitet. Doch anhand von Statistiken lässt sich die Kontinuität einer Gruppe kaum ausreichend belegen, da vor allem in den älteren Unterlagen die Staatsbürgerschaft, nicht aber die Muttersprache erfasst wird.

Grobe Unstimmigkeiten der Studie beklagten Vertreter der polnischen Gruppe in einem erneuten Antrag an das Bundeskanzleramt im Mai 2012. Ohne Erfolg. Wie aus einer Notiz (die der "Wiener Zeitung" vorliegt) hervorgeht, fand Anfang September 2012 ein Treffen im Bundeskanzleramt statt. Den Vertretern der Polen wurde mündlich mitgeteilt, dass nach Prüfung aller Unterlagen eine Anerkennung als Volksgruppe nicht möglich sei. "Wir haben eine Anfrage auf schriftliche Antwort gestellt", sagt die Sprecherin von "Strzecha". "Aufgeben wollen wir nicht." Bis heute gibt es keine offizielle Antwort des Bundeskanzleramts.

Den Wiener Polen fehlen die finanziellen Mittel, um eine eigene Studie in Auftrag zu geben. Zudem läuft ihnen die Zeit davon, da ein neues Volksgruppengesetz vorbereitet wird, das die Aufnahme neuer Volksgruppen vermutlich unmöglich machen wird.