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Erstmals an der Front

Von Simon Rosner

Politik

Für den Verteidigungsminister steht am Sonntag viel auf dem Spiel.


Wien. Es ist dieser Satz von der Wehrpflicht und dem gemeißelten Stein, getätigt im Juli 2010, der Norbert Darabos seither immer wieder um die Ohren gehaut wird. Das glühende Bekenntnis des Verteidigungsministers zur Wehrpflicht wurde durch den Schwenk der SPÖ ein paar Monate nach dem Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" desavouiert; und Darabos schwenkte mit.

Seiher wirbt der Verteidigungsminister für ein Berufsheer, und gerade in den vergangenen Monaten ist er zu einer wahren Argumentationsmaschine geworden: immer bestens vorbereitet, auf jede Attacke eine Riposte. Schon früh ist die Volksbefragung zu einem Wahlkampf geworden, und das ist, wenn man so will, eine Spezialität von Darabos. Seine bisherige Bilanz: 3:0, drei große Wahlkämpfe, drei Erfolge. Doch diesmal gibt es einen wesentlichen Unterschied: Erstmals steht er selbst an vorderster Front.

Jahrelang war der im Jahr 2007 zum Verteidigungsminister angelobte Darabos ein Mann der zweiten Reihe. Er managte die Bundespartei, davor die burgenländische Landespartei, er war Pressesprecher des früheren Landeshauptmanns Karl Stix, und da wie dort verdiente sich Darabos den Ruf als Umsetzer und fleißiger Arbeiter. Und als Stratege, der Wahlkämpfe perfekt orchestrieren und gewinnen konnte. Und das war doch einmal was anderes, beinahe unbekannt Gewordenes für die SPÖ Ende der 90er Jahre. Stimmenzugewinne hatte es für die Sozialdemokraten zwischen 1984 und 2000 nur in 4 von 34 Nationalrats- und Landtagswahlen gegeben. Dann wählte das Burgenland.

Zugewinne im Burgenland

Es war eine Art Himmelfahrtskommando für Wahlstratege Darabos: Der Skandal um die Bank Burgenland hatte den Rücktritt von Stix sowie Neuwahlen zur Folge, dann trat auch noch der designierte Nachfolger Manfred Moser zurück, stattdessen wurde Hans Niessl ins Rennen geschickt. "Niessl war damals in weiten Teilen des Landes völlig unbekannt", erzählt ein Landtagsabgeordneter. Mit Darabos’ Wahlkampf seien auch nicht alle glücklich gewesen, erzählt der Parteikollege. Niessl wurde als ehemaliger Fußballer inszeniert, als hätte er einst im Nationalteam gespielt, dabei war er "nur" Spieler in der Regionalliga. Doch am Wahltag im Dezember 2000 überraschte die SPÖ mit einem Plus von zwei Prozent, obwohl Umfragen Verluste prognostiziert hatten.

Von Gusenbauer befördert

Es war unter anderem jener Wahlkampf, der Darabos 2003 den nächsten Karrieresprung bescherte. Alfred Gusenbauer nannte ihn eines "der größten Talente" in der SPÖ und machte ihn zum Geschäftsführer der Bundespartei. Ein Jahr später managte Darabos den nächsten Wahlkampf, jenen von Heinz Fischer bei der Bundespräsidentenwahl, und im Jahr 2006 eroberte die SPÖ den ersten Platz im Nationalrat und das Kanzleramt zurück.

Genau dann setzt in der Laufbahn des Norbert Darabos der Konjunktiv ein. Denn eigentlich wäre das Innenministerium für ihn vorgesehen gewesen, doch die ÖVP beharrte in den Verhandlungen auf diesem Ressort, weshalb Darabos als ehemaliger Zivildiener den Verteidigungsminister machen musste, was Gusenbauer tatsächlich und ohne Ironie mit den Worten "er hat wirklich das große Los gezogen" kommentierte.

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit stand Darabos schwer unter Druck, schließlich hatte die SPÖ im Wahlkampf den Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag versprochen. Darabos handelte zwar eine Reduktion aus, doch die Flieger landeten in Österreich. Den einen waren es zu wenige, den anderen zu viele, Kritik kam von überall. "Er hätte viele Ressorts übernehmen können, aber das am allerwenigsten", sagt ein Wegbegleiter aus dem Burgenland. Und natürlich hatte es einst auch warnende Stimmen gegeben, als sich Darabos nach Wien aufmachte. "Pass auf", hätten ihm Parteifreunde damals gesagt, "der Bund ist eine andere Dimension, da kann man leicht ausrutschen."

Begonnen hat alles in Darabos’ Heimatgemeinde. Noch während seines Geschichts- und Politikwissenschaftsstudiums wurde er Ortsvorsteher von Kroatisch-Minihof, einem Ortsteil der Gemeinde Nikitsch, da war er erst 22 Jahre alt. Seine Eltern waren klassische Wochenpendler, der Vater, ein Maurer, arbeitete in Wien, weshalb Darabos auch dort zur Schule ging, maturierte und studierte. Eine fast klassische sozialdemokratische Karriere.

Reform der Sportförderung

Doch Darabos ist nicht Wiener geworden, wie andere, sondern Pendler geblieben, nach wie vor wohnt er in Kroatisch-Minihof, präsidiert, selbstverständlich, dem örtlichen Fußballklub. Schließlich erhielt Darabos 2008 zusätzlich zur Landesverteidigung das Sportressort - für den großen Sportfan wohl mehr als ein Zuckerl.

Doch auch als Sportminister musste Darabos gleich Aufräumarbeiten leisten. Kurz vor seiner Amtsübernahme wurde der positive Dopingtest von Radprofi Bernhard Kohl bekannt, dazu war die Affäre um organisiertes Blutdoping in einem Plasma-Labor ins Laufen gekommen. Das Anti-Doping-Gesetz wurde verschärft, wobei es Darabos entgegen den Erwartungen gelang, Doping als Betrug im Strafrecht zu verankern. Österreich hat dadurch eines der strengsten Gesetze weltweit.

Ende dieses Monats soll dann auch im Ministerrat die Reform des Förderwesens beschlossen werden, die vor allem dem Spitzensport bessere finanzielle Rahmenbedingungen bringen würde. Es wäre nicht nur eine Abkehr von bisheriger sozialdemokratischer Sportpolitik, sondern in gewisser Weise das Opus magnum von Darabos, denn bisher ist noch jeder für den Sport zuständige Minister an diesem Vorhaben gescheitert. Und auch Darabos hatte große Mühen, die (politisch) mächtigen Dachverbände davon zu überzeugen, dass sie künftig weniger Geld erhalten werden.

Ungeschickte Aussagen

Am Ende kamen ihm die medaillenlosen Olympischen Spiele zur Hilfe, denn danach schwand auch der letzte Widerstand. Allerdings hatte sich Darabos in London einen strategischen Fehler geleistet, als er Sportlern Olympiatourismus unterstellte. Wieder so ein Satz, der hängen blieb, auch wenn es in diesem Fall nur ein paar Wochen war. Dabei war das sportliche Fiasko ein aufgelegter Elfer für den Sportminister. Hätte er den Satz mit den Olympiatouristen nicht getätigt, wäre nur Darabos’ Ärger über die Reformverweigerer übrig geblieben. Und die Sportler hätten ihm wohl noch applaudiert. Stattdessen hagelte es Kritik von allen Seiten, und Darabos musste sich bei den Sportlern entschuldigen.

Es war freilich nicht die erste ungeschickte Äußerung des Ministers, der in eigener Sache bisweilen weniger strategisches Gespür beweist als in Wahlkämpfen. Es waren immer wieder undiplomatische Aussagen, die ihm Kritik einbrachten, sogar einmal von der US-Regierung, als Darabos den geplanten Raketenschild in Mitteleuropa als "Provokation" bezeichnete. Oder es waren ungeschickte Aktionen wie die Absetzung von General Entacher, die sein öffentliches Bild zeichneten. Während es etwa Maria Fekter gelungen ist, ihre harsche Art zu einem Markenzeichen zu machen, werden Darabos’ Fauxpas fast ausschließlich als Schwäche ausgelegt. Möglich, dass sich das am Sonntag ändert, sollte sich die Mehrheit für ein Berufsheer aussprechen. Im anderen Fall freilich hätte der Verteidigungsminister am Ende auch recht behalten: Dann nämlich wäre die Wehrpflicht in Österreich tatsächlich in Stein gemeißelt.