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Auf das Massagebett gekommen

Von Ania Haar

Politik
Alternative Behandlungsmethoden kommen bei Migranten gut an, meint Cha.
© Milagros Martínez-Flener

Bis zu 200 Menschen kommen täglich zum kostenlosen Probeliegen.


Wien. Zwei Bettlaken und 40 Minuten Zeit: Das ist alles, was man braucht, um gesünder zu werden. Während die Einheimischen eher skeptisch sind, findet das Ceragem Massagebett in Wien-Neubau in den migrantischen Communitys großen Anklang. Der Clou: Das Produkt aus Korea darf so lange benutzt werden, wie es gebraucht wird. Ganz umsonst. Täglich und ohne versteckte Kosten. Und weil es gratis ist, glaubt Jesuk Cha, Mitinhaber des Studios, denken Österreicher, dass es nichts bringt. Anders als Migranten: Die Jüngste, die kommt, ist neun und die Älteste 91 und seit zwei Jahren dabei.

Es liegt Mann neben Frau, mit Kopftuch und ohne

Bevor es jedoch zur Massage geht, versammeln sich die Interessierten in einem Nebenraum, um einen kurzen Vortrag zu hören. Wie das Bett konstruiert ist und welche Wirkung es erzeugt. Aber auch, warum eine gesunde Wirbelsäule wichtig sei und man dadurch glücklicher werden könne. Ein kurzer Spruch, Applaus und der Vortrag ist beendet. Alle gehen zu den Massageliegen: 13 Betten stehen in zwei Reihen. Es liegt Mann neben Frau, Jung neben Alt, mit Kopftuch und ohne.

Eine junge Frau, die gerade zwei Bettlaken aus ihrer Tasche rausnimmt und diese auf der Massageliege ausbreitet, erfuhr vom Bett über Mundpropaganda. "Ich komme jetzt vor der Arbeit her", erzählt sie, "ich habe Verspannungen gehabt und konnte deshalb ganz schlecht schlafen." Heute geht es ihr schon viel besser und deshalb spart sie Geld für ein eigenes Bett, damit sie sich auch daheim massieren lassen kann. Auch ihr Mann und die Schwiegereltern kommen jeden Tag, weil sie von der guten Wirkung überzeugt sind.

Selbstüberzeugung ist auch die Marketingstrategie. Und die scheint zu funktionieren. "Es gibt Tage, da kommen über 200 Menschen, um die Massageliegen auszuprobieren", sagt Cha, "und wir überreden auch niemals zum Kauf." Der Kunde müsse sich selbst überzeugen. Manche brauchen eben länger, bis eine gesundheitliche Verbesserung spürbar ist. "Das hier ist für mich mehr als nur Liegen verkaufen", meint der 53-Jährige, "es geht um Solidarität." Derjenige, der weniger Geld hat, spart länger und kann so lange kommen, wie er es braucht. Der, der mehr Geld hat, kann eher kaufen. Denn das Massagebett ist nicht ganz günstig. Rund 2900 Euro kostet es. Aber: Ratenzahlung ist möglich. Im Winter verkaufen sich die Betten wesentlich besser als im Sommer, weil Menschen viel mehr Verspannungen und Schmerzen in der kalten Jahreszeit haben. Und weil das Lokal in Wien das einzige in ganz Österreich ist, bleibt es konkurrenzlos.

Durch die Glaswand schauen die Neugierigen in das Massagestudio rein. "Tut mir leid, aber wir haben gerade keine Plätze mehr", erklärt die Empfangsdame, "kommen Sie später wieder." Eine interessierte Frau für das Probeliegen wird abgewiesen. Eine Stunde später ist sie wieder da und wartet. "Im Bett sind Kugeln aus Jadesteinen, die hoch- und runtergefahren werden und den Rücken massieren", erzählt der gebürtige Koreaner Cha. Während des Massagevorgangs geben die Kugeln Infrarotwärme ab, die eine wohltuende Wirkung haben soll. Je nach Befinden kann die Temperatur zwischen 30 bis 60 Grad Celsius und sechs verschiedenen Massageintensitätsstufen gewählt werden. Nach ein paar Durchgängen bleiben die Jadesteine an einer Stelle für zwei Minuten stehen: Das soll Akupressur sein.

Warum das koreanische Massagebett vor allem von Migranten bevorzugt wird, dafür hat Cha eine Erklärung. Immer mehr Menschen haben Probleme mit Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfällen und Verspannungen, weil sie öfters schwere körperliche Arbeit verrichten. Aber auch, weil "Migranten alternative Behandlungsmethoden oft von zu Hause kennen und aufgeschlossener sind". Und wenn die Massage Wirkung zeigt und Schmerzen weniger werden, ziehen Landsleute Landsleute an. Dann kommen migrantische Communitys in Wellen: Ex-Jugoslawen, Polen, Afrikaner, Inder und Türken. Heute ist im Massagestudio das Publikum gemischt.

Kulturelle Prägung spielt hier eine große Rolle

Die migrantische Kundschaft im Massagestudio überrascht Gudrun Biffl, Leiterin des Departments Migration und Globalisierung an der Donau-Uni Krems, nicht, sie meint: Dass es funktioniert, ist offensichtlich, weil es nichts kostet. Außerdem sei das eine Kombination aus dem Wissen um das eigene Gesundheitssystem und dem Nicht-Wissen um das österreichische Gesundheitssystem und dessen Möglichkeiten. Deshalb greifen Migranten auf solche Angebote zurück, weil sie ihnen verständlich erscheinen. Hier spielt auch die kulturelle Prägung eine große Rolle.

Übrigens: Die Benutzung der Massageliegen erfolgt auf eigene Gefahr und ersetzt einen Arztbesuch nicht, wird von den Betreibern betont. Auch eine Heilung wird nicht versprochen, denn jeder soll sich selbst überzeugen, ob die Liege ihm guttut oder nicht. Es könne zuerst auch eine Verschlechterung des Wohlbefindens stattfinden, heißt es. Doch die Kunden seien zufrieden, sagt zumindest Jesuk Cha. Beschwerden habe es bisher nämlich noch keine gegeben. Und das Lokal ist meistens voll. Die Marketingstrategie dürfte aufgehen. Zumindest, was den Zulauf zum kostenlosen Probeliegen betrifft.

Wissen

Die Massageliege wird in 60 Ländern zum kostenlosen Probeliegen angeboten. 14 Massagegänge werden von Montag bis Freitag von 8.40 Uhr bis 17.40 Uhr und am Samstag nur sieben angeboten. Adresse: Halbgasse 18, 1070 Wien.

Am 31. Jänner findet in Linz

eine Tagung statt zum Thema: Gesundheit kultursensibel fördern. Offenheit und Diversität im Gesundheitswesen. Organisator ist der Verein für prophylaktische Gesundheitsarbeit (www.pga.at).