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"Ich bin ja kein Berufspolitiker"

Von Bettina Figl und Eva Stanzl

Politik

Karlheinz Töchterle über den Sinn von Uni-Zusammenlegungen, Mediziner-Bedarf und ÖH-Skandale.


"Ich bin als Fachmann in die Regierung gekommen" und in dieser Position wolle er bleiben: Mit diesen Worten erteilt Töchterle Spekulationen um weitere politische Ämter eine Absage.
© Stanislav Jenis

"Wiener Zeitung": An den Unis sind gerade Semesterferien – waren Sie heuer schon mit dem Tiroler Landeshauptmann Skifahren?Karlheinz Töchterle: Ja, zweimal. Wir haben eine Skitour gemacht und in Kitzbühel sind wir gemeinsam vor dem Rennen die Streif-Abfahrt gefahren.

Dabei haben Sie einander ja auch besser kennengelernt – waren Ihre politischen Anfänge auf der Piste?
Stimmt, wir sind schon, als ich Rektor war, ab und zu gemeinsam Skitouren gegangen. Also nicht auf der Piste, eher im Tiefschnee.

Jetzt führen Sie sein Personenkomitee bei den Landtagswahlen in Tirol – was schätzen Sie an ihm?
Er ist ein feiner und angenehmer Gesprächspartner, hat Erfahrungen auf allen politischen Ebenen – von der Kommunalpolitik bis zum Ministeramt. Klare und harte Positionierungen geht er eher selten ein. Kompromisse einzugehen ist ein Gebot der Demokratie und gleichzeitig ihr Dilemma: Viele wünschen sich eindeutige Lösungen und meinen, diese wären die richtigen Lösungen.

Zur Bildungspolitik: Wann kommt die Gesetzesnovelle, welche die Fusion von Unis ermöglichen soll? Was ändert sich durch sie?
Wir wollen sie vor dem Sommer unter Dach und Fach bringen. Wir ermöglichen mit der Novelle eine Änderung der Organisationsform, das bringt Ersparnisse. Aber der Hauptaspekt ist wissenschaftliche Stärke und Sichtbarkeit. In der Wissenschaft ist Größe auch Stärke; "big is beautiful". Nicht ohne Grund überlegt Rektor Harald Kainz von der TU Graz, eine Dachmarke für die steirischen Unis zu schaffen (Anm.: Uni Graz, TU Graz, Meduni Graz und Montanuni Leoben). Fusionieren die beiden großen, starken Unis in Innsbruck (Anm.: die Leopold-Franzens-Universität mit der Medizinischen Uni), würden sie im Ranking in einigen Jahren um mehrere Zehner-Plätze nach oben schießen. Der Trend zur Kooperation und Konzentration ist ein europaweiter. Analog dazu gibt es Empfehlungen des österreichischen Wissenschaftsrates. Wir wollen Fusionen aber nicht von oben verordnen, sondern nur ermöglichen.

Wieviel Einsparungspotenzial bieten Uni-Zusammenlegungen?
Gewaltige Summen. Allein das Einsparen einer Führungsebene - Rektorat, Uni-Rat plus Stäbe - spart jedenfalls eine Million Euro pro Jahr. Da spreche ich noch nicht von EDV- oder anderen Verwaltungseinheiten. Aber jeder der sein Leiberl verliert, kämpft. Das ist verständlich. Das ist der Hauptgrund, warum der Betriebsrat der MedUni Innsbruck so sehr gegen diese Fusion agiert. Aber man muss niemanden entlassen, sondern kann einfach nicht nachbesetzen.

Fusionen könnte es auch in anderen Fachgebieten geben – zum Beispiel bei den beiden Wiener Kunstuniversitäten (Universität für Angewandte und für Bildende Kunst, Anm.), dazu gibt es ja immer wieder Gerüchte. Würden Sie das begrüßen?
Ich weiß, dass das da und dort immer wieder kursiert. Aber ich muss gestehen, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wenn von den Unis Signale kämen, müsste man es sich anschauen, ob das sinnvoll wäre. Konkret im Auge sind derzeit nur die Uni Innsbruck und die Meduni Innsbruck, wo ich es sinnvoll fände.

Wieviele Medizin-Unis braucht Österreich?
Es würde theoretisch eine genügen, wenn sie ausreichend Ausbildungsmöglichkeiten hätte. Es geht nicht um die Anzahl der Unis, es geht um die Anzahl der Ausbildungsplätze und Absolventen. Die Zahl der medizinischen Versorgung hängt auch von den Absolventenzahlen ab, aber nicht nur.

Der Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im WZ-Interview. Töchterle ist seit 21. April 2011 österreichischer Bundesminister für Wissenschaft und Forschung.
© Stanislav Jenis

Haben wir einen Ärztemangel?
Ich glaube nicht, die internationalen Vergleichszahlen sprechen dagegen. Wir haben eine der größten Ärztedichten in Europa: 4,7 Ärzte auf 1000 Einwohner. Wir haben gewisse Probleme im ländlichen Raum. Klar ist: das Problem nicht besetzter Arztpraxen am Land löst man nicht nur mit mehr Absolventen, sondern indem man Arbeitsplätze und Standorte dort attraktiver macht und damit eine bessere Verteilung erreicht, aber das ist nicht mein Feld.

Wieviel kostet der Ausbau der Medizinischen Fakultät in Linz?
Wir kennen die genauen Kosten noch nicht. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern Oberösterreichs und dem Ministerium berechnet diese Kosten gerade, sie liegen wohl jenseits der 100 Millionen im Endausbau.

Was halten Sie von dem Vorschlag, die private Paracelsus-Medizin-Uni in eine öffentliche umzuwandeln?
Das ist ein Vorschlag von der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, den sie mir auch persönlich gemacht hat. Der Wunsch der Salzburger nach  einer Medizinischen Fakultät besteht seit langem, wurde aber nie realisiert, deshalb haben sie die Paracelsus Privatuniversität. Und jetzt sagen manche, bevor es in Linz die Medizinische Fakultät gibt, sollen die Ansprüche Salzburgs eingelöst und aus der Privatuni eine öffentliche gemacht werden. Aber zuerst müssen wir die Bedarfsfrage klären: Muss der Staat überhaupt noch mehr öffentliche Medizin-Ausbildungsplätze und Forschungseinrichtungen finanzieren? Und wenn ja, wo? Grundsätzlich kämen ja alle Bundesländer ohne öffentliche medizinische Ausbildungsstätte in Frage. Die Oberösterreicher haben natürlich einige Argumente: Die Ärztequote ist vergleichsweise niedrig, aber sie haben gewaltig aufgeholt: 40 Prozent mehr Ärzte im vergangenen Jahrzehnt, wesentlich mehr als in den drei Bundesländern mit Medizinunis. Die Oberösterreicher sehen also ein gewisses Recht für ihre Forderung, und sie sind stark im Rennen wegen des politischen Willens und der Unterstützung durch die "Oberösterreichischen Nachrichten".

Mitte Mai finden wieder Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) statt. Warum können Studierende die Bundesvertretung nach wie vor nicht direkt wählen, obwohl sie das schon lange fordern?
Ich habe von Beginn an gesagt, ich bin gesprächsbereit, will aber einen einheitlichen Vorschlag von der ÖH. Den habe ich nicht bekommen, weil sie sich intern nicht einigen konnten. Deshalb ist nichts geschehen.

Die Aktionsgemeinschaft  (AG) ist in letzter Sekunde abgesprungen.
Ja, das wurde mir so berichtet.

Es ist das Studentenparlament, im Parlament müssen sich auch nicht alle Parteien einig sein, es braucht lediglich eine Mehrheit.
Das ist richtig, aber bei einer Wahlrechtsreform wird man auch im Parlament sicher Zwei-Drittel- Mehrheiten haben. Ich kann nicht gegen den Willen der stimmenstärksten Fraktion – und das ist die AG, auch wenn sie nicht in der ÖH-Exekutive sitzt – eine Wahlrechtsreform machen. Das wäre undemokratisch.

Es liegt nicht daran, dass die AG ÖVP-nahe ist?
Nein, aus meiner Sicht nicht.

Die ÖH hat in letzter Zeit negative Schlagzeilen gehabt, das Café Rosa hat eine halbe Million Euro verschlungen und selbst nach Schließung des Cafés kommen bis 2016  monatlich noch 4000 Euro an Mietzahlungen dazu. Die Verantwortliche, Janine Wulz (Gras, Grüne und alternative Studierende)  ist noch im ÖH-Vorsitzteam. Legen Sie ihr einen Rücktritt nahe?
Wir haben das der Staatsanwaltschaft übergeben, die prüft jetzt, ob Unrechtmäßigkeiten geschehen sind und dann wird man sehen, was daraus für Schlüsse zu ziehen sind.

Sollten die Verantwortlichen dann zurücktreten?
Das kommt darauf an, wie sehr sie ihrer Verantwortung nachgekommen sind oder nicht, das wird die Prüfung ergeben.

Um zur Demo gegen den Akademikerball  beziehungsweise den WKR-Ball zu gelangen, soll die Gras der ÖH Salzburg angekündigt haben, protestierenden Mitgliedern die Zugtickets nach Wien zu zahlen - finden Sie es legitim, dafür öffentliche Gelder zu verwenden?
Da muss ich nachdenken - ein bisschen fragwürdig finde ich es schon. Hier wurde eine Stellungnahme der ÖH eingefordert (Anm.: sie liegt inzwischen vor, siehe Info-Kasten). Es geht darum, ob diese Gelder widmungsgemäß verwendet wurden oder nicht.

Zu den Studiengebühren: Das Gesetz wurde repariert, die Unis sind wieder zur alten Regelung zurückgekehrt. Jenen Unis, die vorher schon Beiträge eingehoben haben, wurde nachträglich erlaubt die Mittel einzubehalten. Ist das nicht eine nachträgliche Legitimierung eines Gesetzesbruches?
Das sehe ich nicht. Wir haben dieses Gesetz mit einem Zusatz wieder etabliert, nachdem die Unis sie auch davor eingehoben haben. Also wo haben sie da ein Gesetz gebrochen? Sie haben nur ein Gesetz so ausgelegt, wie ich es auch ausgelegt hätte und wie es auch Professor Heinz Mayer ausgelegt hat. Verfassungsgerichtshofpräsident Gerhart Holzinger hat angedeutet, das Gesetz könnte anders ausgelegt werden, und hat mich aufgefordert, Rechtssicherheit zu schaffen. Dem bin ich dann schnell nachgekommen.

Aber der VfGH hat das Gesetz ja als rechtswidrig tituliert?
Nein, er hat den Gesetzgeber aufgefordert, Rechtssicherheit herzustellen.

Die Änderungen an der Gebührenregelung sind aber sehr gering?
Es ist eine Reparatur plus doppelte Beiträge für Studierende aus Drittstaaten; das bringt den Unis sechs Millionen mehr im Jahr. Insgesamt nehmen die Unis bis zu 40 Millionen Euro jährlich durch die Beiträge ein.

Der EU-Finanzrahmen 2014-2020 sieht eine geringere Steigerung der Forschungsgelder vor, als von der EU-Kommission empfohlen. Für IV-Präsident Georg Kapsch ist es "nicht nachvollziehbar, warum bei Forschung und Innovation mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Kommissionsvorschlag eingespart werden". Teilen Sie seine Kritik?
Die Steigerung ist beträchtlich. Im vorherigen, 7. Rahmenprogramm 2007 bis 2013 waren es 54 Milliarden Euro, jetzt sind es rund 70 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung. Die Kommission hatte zwar 80 Milliarden vorgeschlagen, aber nachdem in allen Bereichen gekürzt wird, ist auch hier eine gewisse Kürzung der Steigerung erfolgt, aber so massiv wie in anderen Bereichen ist sie nicht, daher kann man sie als passabel bezeichnen.

Generell scheint eine gewisse Müdigkeit im Kampf um mehr Forschungsgelder eingetreten zu sein. Hat man schon genug erreicht, oder strecken wir uns nur noch nach der Decke?
Müdigkeit würde ich nicht sagen, vielleicht abgeklärter Realismus.

Auch Österreich hat nur eine leichte Steigerung der Mittel in seinem letzten Budget vorgenommen. Es folgt einem Pfad, der, wenn er so weiter geht, nicht zu jenen 3,76 Prozent Forschungsausgaben am BIP bis 2020 führt, die die Forschungsstrategie der Regierung vorsieht. Sollte auch Österreich seine Ziele der Realität anpassen?
Unsere Forschungsanteile sind immer, auch jetzt in der Krise, überproportional angestiegen. Wenn jetzt wieder Wachstumszeiten kommen, was sich zumindest für nächstes Jahr schon zart andeutet, besteht noch die Chance, dass wir die 3,76 Prozent erreichen. Dass es ambitioniert ist, gebe ich zu, aber deswegen setzt man sich ja solche Ziele: um sich anzustrengen. Gerade in Österreich ist der Anteil privater Mittel niedriger als in vielen anderen Ländern, aber es ist zu hoffen, dass er steigt, und es gibt viele Bekenntnisse in die richtige Richtung.

Die Geistes- und Sozialwissenschaften werden immer interdisziplinärer. Natürlich bekommen auch Forscher in "Orchideenfächern" die ERC-Preise für Spitzenforschung. Doch geraten die traditionellen Geisteswissenschaften wie Philosophie, Sprachwissenschaften oder Alt-Philologie dabei nicht ins Hintertreffen?
Interdisziplinarität ist ja nicht ein Wert an sich. Zudem ist gerade die Philosophie eine Super-Wissenschaft, die immer interdisziplinär sein muss. Ihr gehört immer Wissenschaftstheorie, Methodologie und Ethik an, die Philosophie ist also per se interdisziplinär. Neulatein, eines meiner Spezialissima, ist extrem interdisziplinär, während die Literaturwissenschaft sich immer stärker zu einer Kulturwissenschaft entwickelt, was auch sie ebenfalls extrem interdisziplinär macht: Was ist nicht Kultur? Sogar was Natur ist, ist Kultur, weil wir die Natur durch unsere Brille sehen.

Naturwissenschaftliche Fächer werden aber allgemein höher bewertet und auch höher dotiert als Geisteswissenschaften. Dem gegenüber aber studieren nur wenige Menschen Naturwissenschaften, während geisteswissenschaftliche Fächer einen hohen Zulauf verzeichnen. Wie ist mit diesen Widersprüchen umzugehen?
Wenn man sagt "zu viel" und "zu wenig", sagt man das aus einer wirtschaftlichen Perspektive: Gibt es genug Nachfrage am Arbeitsmarkt? Es werden mehr Techniker nachgefragt als klassische Philologen. Nur sind Universitäten nie ausschließlich dazu da, den Arbeitsmarkt zu stillen.

Wollen Sie nach den Wahlen weiterhin Wissenschaftsminister sein?
Grundsätzlich bin ich bereit, aber nicht um jeden Preis. Ich würde gewisse Rahmenbedingungen im Regierungsprogramm unterbringen wollen, vor allem eine eindeutige Finanzierungssteigerung im öffentlichen wie im privaten Bereich.

Können Sie sich vorstellen, andere Aufgaben in der Politik anzunehmen?
Eher schwer. Ich bin ja kein Berufspolitiker, sondern bin als Fachmann in die Regierung gekommen und als solcher fühle ich mich auch wohl. Ich fürchte, dass dieses Wohlfühlen dann schwände.

Laut einer Stellungnahme hat die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH Salzburg) zu keinem Zeitpunkt angekündigt, die Fahrtkosten für Nicht-Mitglieder zu finanzieren. Die ÖH Salzburg hat den Studierenden der Universität Salzburg - und somit den eigenen Mitgliedern - angeboten, die Fahrtkosten unter der Bedingung einer vorherigen Anmeldung zu finanzieren. Diese Übernahme von Fahrtkosten für die eigenen Mitglieder ist bislang laut ÖH Salzburg nicht erfolgt, wäre aber nicht rechtswidrig. Die Übernahme von Fahrtkosten für Nicht-Mitglieder ist nicht erfolgt, wäre aber rechtswidrig.