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Wenn Mama nicht zahlen kann

Von Solmaz Khorsand

Politik

18 Schüler mussten wegen Rückständen in halbtägige Schulform wechseln.


Wien. Lätscherte Cevapcici, wässrige Bolognese-Sauce über die Spaghetti und gefrorene Powidltatschkerln. So manch einer verbindet nicht unbedingt kulinarische Highlights mit dem Schulessen, das täglich zu Mittag serviert wurde. Aber so ein Kindergaumen verträgt einiges. Vor allem, wenn der Magen knurrt. Zwischen 3,10 Euro und 4,90 Euro pro Tag zahlen Eltern, damit ihr Nachwuchs in der Schule gefüttert wird. Doch nicht alle Eltern können - oder wollen - sich diesen Betrag leisten.

Ende Dezember vergangenen Jahres waren 1,2 Millionen Euro an Essens-und Betreuungsbeiträgen offen. Das ergab eine Anfrage von ÖVP-Gemeinderätin Isabella Leeb an SPÖ-Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch. "Das geht auf Kosten der Allgemeinheit", sagt Leeb im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Zehn Prozent aller betreuten Schüler zahlen nichts

Rund 25.000 Schüler besuchen ganztägige Schulformen in Wien. Die Eltern zahlen knapp 100 Euro für den Besuch ihrer Kinder in diesen Schulen, davon werden 5,30 Euro pro Tag für die Betreuung eingehoben und im Schnitt 3,40 Euro für das Mittagessen. Knapp die Hälfte aller Eltern zahlen die Beiträge in voller Höhe. Jene Familien, die sich das Betreuungs-und Essenangebot nicht leisten können, werden von der Stadt Wien entlastet. Da die Beiträge sozial gestaffelt werden, sind all jene Eltern, deren monatliche Bemessungsgrundlage knapp 970 Euro beträgt, von Betreuungs- und Essenbeiträgen befreit. Das sind rund zehn Prozent aller betreuten Schüler.

Dennoch kommen einige Eltern ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nach, wie die aktuellen Zahlen zeigen. Als Gründe nennt die Stadt Wien: private Verschuldung der Eltern, Arbeitslosigkeit, Krankheit und mangelndes Verständnis für die administrativen Vorgänge, um die entsprechenden Anträge zu stellen. Statistiken dazu werden nicht geführt, da "Einzelfälle kein Gesamtbild" ergeben würden, wie es aus Oxonitschs Büro heißt. Leeb lässt diese Argumente nicht gelten. Schließlich gebe es ja eine soziale Staffelung, die sozial schwächere Familien von den Beiträgen befreit oder zumindest entlastet. Wie kommt es, dass einige Eltern mit den Zahlungen dermaßen im Rückstand sind? "Es gibt viele Eltern, die hilflos sind, und einige, denen es einfach wurscht ist", erklärt Andreas Ehlers, der ehemalige Vorsitzende des Österreichischen Verbands der Elternvereine.

In der Regel informiert der Schulleiter die Eltern von den ausstehenden Zahlungen. Die erste Mahnung erfolgt dann 20 Tage nach Fälligkeit der ersten Rechnung. Kommen die Eltern dann ein weiteres Mal der Zahlung nicht nach, wird die Forderung nach einem Monat an den Erhebungs- und Vollstreckungsdienst weitergeleitet. Wie viele Eltern jedes Jahr geklagt werden, darüber will die Stadt Wien keine Auskunft geben. Selten sei es der Fall, da es sich aus Kostengründen nicht auszahlen würde, heißt es nur.

Die meisten Direktoren seien sehr engagiert und würden versuchen, den Eltern entgegenzukommen, berichtet Ehlers aus seiner Erfahrung. "Die Kinder werden nicht gleich auf die Straße gesetzt", sagt er. Im laufenden Schuljahr waren es insgesamt 18 Kinder, die von einer Ganztagsbetreuung in eine halbtägige Schulform wechseln mussten, weil es ihre Eltern verabsäumt hatten, die Beiträge von mindestens drei Monaten zu zahlen. "Das ist eine Schlamperei, die auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird", ärgert sich Gemeinderätin Leeb. In jenen Fällen könne es sich um einen Jahresbeitrag von höchstens 1000 Euro handeln, wenn man die volle Beitragsgrundlage von knapp 100 Euro pro Monat hernimmt, rechnet sie vor. Ihr unorthodoxer Vorschlag: Man könnte beispielsweise nur jeden Flachbildschirm in den einzelnen Haushalten pfänden und käme somit auf den ausstehenden Betrag, ohne den Kindern die Ganztagsbetreuung vorzuenthalten.

Doch die Stadt Wien hat nicht vor, etwas an der bisherigen Praxis zu verändern. Schließlich hätten sich jene 1,2 Millionen an Zahlungsrückständen in den vergangenen fünf Jahren angehäuft. Ebenso lasse sich die Zahl der 18 betroffenen Kinder relativieren, wenn man bedenke, dass es sich um einen minimalen Prozentsatz der insgesamt 25.000 betreuten Kinder handle, hieß es.