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Eine Lanze für die Geisteswissenschaften

Von Eva Stanzl

Politik
Mehr Studierende, zu wenig Lehrpersonal in den GSK.
© corbis

Zahl der Drittmittel-Anträge steigt, Kritik an Situation des Nachwuchses.


Wien. Naturwissenschaftliche Forschung wird in Österreich seit Jahren massiv gefördert. Die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften (GSK) kommen hingegen fördermäßig zu kurz und erhalten weniger der begehrten Forschungspreise des Europäischen Forschungsrats. Sie sind finanziell gesehen das Stiefkind der Wissenschaft, da der Forschungsgegenstand selten ergebnisorientiert ist.

So und ähnlich lautet die gängige Meinung über die Dotierung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Sie stimmt jedoch nicht mehr ganz, betont der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) in seiner jüngsten Empfehlung an die Bundesregierung. Demnach nahmen österreichische Institutionen in dem Ende des Jahres auslaufenden 7. EU-Forschungsrahmenprogramm an 27,4 Prozent aller im Schwerpunkt "Socio-Economic Sciences and Humanities" geförderten Projekte teil. Von den Bewilligungen des Wissenschaftsfonds FWF 2011 entfielen 17 Prozent auf GSK-Anträge. Das mag im Vergleich zum überwiegenden Anteil der Bewilligungen in Life Sciences, Naturwissenschaft und Technik gering erscheinen, ist aber international gesehen viel: "Unser GSK-Anteil ist für eine Förderagentur hoch", sagt Sprecher Stefan Bernhardt. Der Wissenschaftsfonds, der Projekte der Grundlagenforschung unterstützt, gilt für die Geisteswissenschaften als Anlaufstelle, weil sie mangels Industrienähe wenig Perspektive auf andere Drittmittel haben.

Damit die Dynamik sich weiter erhöhen kann, schlägt der RFT Maßnahmen vor und zeigt Probleme auf, die er unter anderem in den "Massenfächern" ortet. In manchen Fächern habe sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Studierenden mehr als verdoppelt. "Diesem Anstieg folgte keine entsprechende Erhöhung des Lehrpersonals, woraus sich in einigen GSK-Disziplinen untragbare Betreuungsverhältnisse ergeben." Dies habe negative Auswirkungen auf die Qualität der Lehre und verunmögliche mangels Zeit eine angemessene Forschungsaktivität.

Steuerliches Anreizsystem

Skeptisch äußert sich der RFT gegenüber Zugangsbeschränkungen in stark nachgefragten Fächern: Dies würde die Gefahr bergen, "dass Studieninteressierte auf die nächstverwandten Fächer ausweichen und es damit lediglich zu einer Verlagerung der Problematik kommt". Zudem sei notgedrungenes Ausweichen nicht im Sinn der Interessen der Studierenden.

Kritisch äußert sich der Rat zur Situation des Nachwuchses, der "ein nicht länger ignorierbares Problem" darstellt, da zu viele hochbegabte junge Menschen über befristete Arbeitsverträge in prekären Verhältnissen gefangen seien. Der 2009 in Kraft getretene Kollektivertrag sehe zwar ein leistungsorientiertes Karrieremodell vor, das zu einem unbefristeten Dienstverhältnis führe. "Tatsächlich aber fand die Schaffung von Laufbahnstellen bisher nur in geringem Umfang statt", heißt es. In diesem Zusammenhang tritt der Forschungsrat für eine höhere Basisfinanzierung der Unis und einen Ausbau der finanzierten Doktoratsausbildung ein. Speziell in dieser "wichtigsten Basis einer gezielten Nachwuchsförderung" bestehe "großer Aufholbedarf".

Zur Erhöhung der Mittel empfiehlt der Rat steuerliche Anreize zur Forschungsförderung der GSK durch Unternehmen, "etwa Stiftungsmodelle, die eine Philanthropie erzeugen auch gegenüber Fächern, die nicht direkt im Fokus stehen", sagt RFT-Gschäftsführer Ludovit Garzik.