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Mit dem Rucksack zu mehr Urlaub

Von Clemens Neuhold

Politik
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Darf’s ein bissl Meer sein? Durch das Rucksack-Prinzip könnten auch mobile Arbeitnehmer in Richtung der 6. Urlaubswoche marschieren - egal wie oft sie den Arbeitsplatz wechseln.

Auch Teile der ÖVP für "gerechteren" Anspruch auf mehr Urlaub.


Wien. Die heiße Wahlkampfphase für die Nationalratswahl wird in die Sommermonate fallen. Passend dazu das neue Wahlkampfthema der SPÖ: mehr Urlaub. Die ÖVP ist in dieser Frage gespalten.

Bereits vergangene Woche erneuerte die Gewerkschaft der Privatangestellten GPA in der "Wiener Zeitung" ihre Forderung nach einer 6. Urlaubswoche für alle. Am Freitag gab Sozialminister Rudolf Hundstorfer der Gewerkschaft Rückenwind. Und seit Montag surft nun die gesamte SPÖ auf der Urlaubswelle.

Fixen Anspruch haben nur Beamte ab 43. Lebensjahr

Worum geht es konkret? Derzeit liegt der gesetzliche Urlaubsanspruch bei 25 Tagen oder fünf Wochen. Anspruch auf eine 6. Urlaubswoche besteht nach 25 Jahren im selben Betrieb. In gewissen Branchen ist es üblich, dass Vordienstzeiten wie Studium oder Schulzeiten angerechnet werden. Dann steigt der Urlaub schon früher; in anderen Branchen ist das nicht vorgesehen. Beamte kommen ab dem 43. Lebensjahr automatisch in den Genuss der sechsten Urlaubswoche.

Gewerkschaft und SPÖ wollen den Zugang nun auch für Privatangestellte erleichtern. Hauptargument: Wer sei heute noch 25 Jahre lang beim selben Arbeitgeber? Zweites Argument: Besonders für Frauen, die öfters Teilzeit arbeiten und Job wechseln als Männer, sei die 6. Urlaubswoche außer Reichweite. Drittes Argument in Hinblick auf das steigende Pensionsalter: Wer erholter sei, könne auch länger arbeiten.

Um die Ansprüche auf die 6. Urlaubswoche zu harmonisieren, stehen drei Varianten zur Diskussion. A: Anspruch ab einem gewissen Alter wie bei den Beamten. B: Anspruch nicht erst nach 25 Jahren im selben Betrieb, sondern schon nach 15 Jahren. C: Die 6. Urlaubswoche gibt es weiterhin erst nach 25 Jahren, aber unabhängig vom Betrieb. Das heißt, die Ansprüche können wie bei der Abfertigung neu im Rucksack von Arbeitgeber zu Arbeitgeber mitgenommen werden.

Mit der Rucksack-Variante kann sich auch der Arbeitnehmerflügel der Volkspartei, der ÖAAB, anfreunden. "Darüber kann man diskutieren. Da kann man ruhig flexibler werden", sagt ÖAAB-Generalsekretär August Wöginger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Schon jetzt würden in manchen Kollektivverträgen Vordienstzeiten angerechnet, in anderen aber nicht. "Das ist ungerecht."

"Gesetzliche Lage entspricht nicht mehr Realität im Job"

Auch Norbert Schnedl, Bundesvorsitzender der Christgewerkschafter, findet, dass die derzeitige gesetzliche Lage nicht mehr den beruflichen Realitäten mit einem häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes entspreche. Die 6. Urlaubswoche müsse "früher greifen". Die Anrechnungsmöglichkeiten von Vordienstzeiten seien zu kurz bemessen. Ähnlich wie bei der Abfertigung sollten auch Urlaubsansprüche von Betrieb zu Betrieb mitgenommen werden. Er schlägt vor, dass die 6. Urlaubswoche nach - zum Beispiel - 25 Berufsjahren für alle gelten sollte.

Prinzipiell sieht ÖAAB-Generalsekretär Wöginger die heimischen Arbeitnehmer mit Urlaub und Feiertagen "gut abgesichert", und er warnt vor einem Nachteil für ältere Arbeitnehmer, sollte der Anspruch wie bei den Beamten ab einem fixen Alter oder schon nach 15 Jahren im selben Betrieb erwachsen. "Das wird zur Einstellungshürde für ältere Arbeitnehmer, die schon Anspruch auf die sechste Urlaubswoche haben."

Wirtschaft: Sind schon jetzt Spitzenreiter bei Freizeit

Aus der Wirtschaft kommt ein klares Njet zur Urlaubs-Offensive. Nach der Industriellenvereinigung warnt nun auch die Wirtschaftskammer vor einer steigenden Belastung der Betriebe. "Muss die Firma einen Mitarbeiter eine Woche extra zahlen, obwohl dieser nicht anwesend ist, erhöht das die Gesamtkosten pro Mitarbeiter schlagartig um rund zwei Prozent", sagt WKÖ-Experte Rolf Gleißner. Hier sieht die Gewerkschaft keinen wirtschaftlichen Nachteil. Erholte Mitarbeiter seien produktiver und länger einsatzfähig.

Die Wirtschaftskammer sieht Österreich - zählt man Feiertage und Urlaubstage zusammen - aber schon jetzt als Spitzenreiter bei der Freizeit an. Das stimmt nur bedingt: In einer von der Kammer publizierten Aufstellung liegt Österreich dabei knapp unter dem durchschnittlichen Mittelfeld (siehe unten). Und bei der Wochenarbeitszeit ist Österreich mit 41,8 Stunden Spitzenreiter. Nur Großbritannien liegt mit 42,2 Stunden darüber. Der Durchschnitt der Europäischen Union liegt bei 40,4 Stunden.

Grund sind 300 Millionen Überstunden, die in Österreich jährlich geleistet werden. Hier sehen sowohl die Grünen als auch Arbeitsmarktexperten wie Wolfgang Mazal den wahren Handlungsbedarf. Die Überstunden ließen sich in 200.000 Jobs umrechnen, sagt Mazal. Aktueller Arbeitslosenstand: 300.000. Auch Hundstorfer hatte wiederholt auf eine Reduktion der Überstunden gedrängt.

2012 stimmten die Schweizer über eine Ausweitung des gesetzlichen Urlaubsanspruches ab: 67 Prozent der Eidgenossen votierten dagegen. Einer der Hauptgründe: die Angst um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft. Die Wirtschaftskammer ist derzeit großer Fan der Schweiz.