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Haus des Horrors

Von Simon Rosner und Katharina Schmidt

Politik

Die Volksanwaltschaft findet schwere Missstände bei der Asylunterkunft Saualm.


Wien. Das Haus mit Ausblick steht am oberen Rand der Lichtung, ringsum: das wälderne Nichts, kilometerweit. Was nach ländlicher Idylle klingt, ist zur Metapher für den mittlerweile aktenkundigen menschenverachtenden Umgang mit Asylwerbern in Kärnten geworden. Die Saualm, auf 1100 Meter Seehöhe gelegen, fernab jeglicher Infrastruktur, war einmal Kloster, dann Jugendheim, ehe sie Jörg Haider 2008 als "Sonderanstalt für straffällig gewordene Asylwerber" wieder aufgesperrt hatte. Als straffällig galt für den damaligen Landeshauptmann bereits, wer nach dem Strafrecht angezeigt worden war.

Noch vor der Umwidmung des veralteten Heimes hagelte es Bedenken und Kritik von politischen Parteien, NGOs und kirchlichen Organisationen. Bald nach der Eröffnung kamen die ersten Beschwerden und sogar Anzeigen, der wiederum (ergebnislose) Ermittlungen der Staatsanwaltschaft folgten. Das Land Kärnten sowie Landeshauptmann Gerhard Dörfler beharrten jedoch auf der Asylunterkunft, erst im Oktober des Vorjahres wurde nach weiteren Anzeigen und Beanstandungen die Saualm geschlossen.

In einer Untersuchung konkretisierte die Volksanwaltschaft nun acht schwere Missstände, zudem übte sie Kritik an der (alten) Landesregierung, die sich beim Prüfverfahren teilweise nicht kooperativ gezeigt hatte, angeforderte Unterlagen nicht herausgegeben sowie sich widersprechende Stellungnahmen übermittelt hatte.

Die aufgelisteten Missstände sind teils erschreckend. Es gab zeitweise nur eine Toilette und eine Dusche für alle untergebrachten Asylwerber, Heizung und Warmwasser für nur eine Stunde am Tag, das Essen war teilweise verschimmelt und auch nicht ausreichend. Sogar die Grundversorgungsstelle des Landes hatte festgestellt, dass die "Betroffenen Hunger leiden mussten", heißt es in dem Bericht.

Land wusste von Zuständen

Die hygienischen Verhältnisse und die Verpflegung auf der Saualm ließen die Volksanwaltschaft zum Schluss kommen, dass es "in dieser Hinsicht Menschenrechtsverletzungen und damit den schwersten feststellbaren Missstand" gab. Und dies mit vollem Wissen des Landes, wie die Volksanwaltschaft betont und mit Stellungnahmen und dem Verweis auf E-Mails ins Büro von Gerhard Dörfler auch belegt. "Aus den Akten geht eindeutig hervor, dass das Land ohne Zweifel Kenntnis über diese Missstände hatte."

So unglaublich sich die Vorwürfe auch anhören: Ein gerichtliches Nachspiel werden sie vermutlich nicht haben. "Ein strafrechtlicher Tatbestand wurde wahrscheinlich nicht gesetzt", sagt Volksanwalt Peter Kostelka zur "Wiener Zeitung". Sicher sei, dass das Land Kärnten der Betreiberin wissentlich Dienste bezahlt hat, die diese nicht leistete, also beispielsweise Transferfahrten oder psychologische Betreuung. Die Flüchtlinge waren teilweise sogar komplett unbetreut - auch medizinisch.

Im Bericht ist zudem von einer Vereinbarung mit dem Roten Kreuz zu lesen, wonach die Asylwerber im Notfall nicht einmal die Rettung rufen konnten, dies durften nur der Sicherheitsdienst und die Leiterin des Heimes.

Diese ließ Asylwerber auch für sich arbeiten, wobei unklar blieb, ob sie freiwillig arbeiteten oder dazu gedrängt wurden. Denn auf der Saualm herrschte ein strenges Regime, zum Teil wurde das Taschengeld verspätet ausbezahlt, Essen vorenthalten und wurden Klos versperrt. Besonders perfide war, dass "brave" Flüchtlinge, wie es heißt, nach einigen Monaten mit der Verlegung in ein anderes Heim rechnen durften. Wobei es die Heimleiterin war, die darüber urteilte, wer "brav" war.

Systematisch weggeschaut

Damit brach auch das gesamte Beschwerdemanagement zusammen, da kaum ein Asylwerber mit Kritik riskierten wollte, noch länger auf der Saualm bleiben zu müssen. Die Volksanwaltschaft rügte das Beschwerdesystem als "völlig unzureichend", zudem sei das Land Kärnten seiner Kontrollfunktion nicht nachgekommen.

"Man kann Dörfler systematisches Wegschauen vorwerfen", sagt Kostelka, aber das sei nun einmal keine Straftat. Durch die schlechte Dokumentation im Land sei es auch schwer, Beweise für die Vorwürfe zu finden. Helmut Jamnig, Sprecher der Staatsanwaltschaft, will den Bericht jedenfalls genau prüfen.

Dörfler, der Bundesrat in spe, bezeichnete die Missstandsfeststellung als "politisch gefärbt", er habe die Saualm "sofort geschlossen", nachdem er davon erfahren hatte, dass die damalige Betreiberin ihren Vertrag nicht gänzlich eingehalten habe. Dies passierte jedoch erst im vergangenen Herbst, als bekannt wurde, dass die Heimleiterin Tiere geschächtet und ohne tierärztliche Kontrolle zur Verpflegung abgegeben hatte. "An diesem Punkt gab es für mich kein Zurück mehr", sagte Dörfler damals. Es war das Tierleid, das den Landeshauptmann das Heim schließen ließ.