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"Wir schulden euch kein Geld"

Von Nada Andjelic

Politik

Viele Griechen in Wien sind verärgert über das mediale Bild der Hellenen.


Wien. "Wir kriegen jetzt unsere Rechnung serviert", murmelt der Rentner Georgios Vlakas nachdenklich vor sich hin, während er aus dem Fenster blickt und an seiner Zigarette zieht. Vor 39 Jahren kam er als Gastarbeiter nach Wien. Heute ist er Rentner und verteidigt mit aller Inbrunst die alte Heimat. "Griechenland ist nicht mehr das, was es mal war. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen", sagt der 68-jährige Grieche gegenüber der "Wiener Zeitung".

Einst das Volk des Sirtaki, Alexis Sorbas und Feta-Käse, sind die Griechen seit ein paar Jahren mit einem anderen Image konfrontiert. Nicht mehr Lebemänner, sondern Faulenzer, die es sich auf Kosten anderer gutgehen lassen. Die Staatsschuldenkrise und ihre jahrelang verschleierten Wirtschaftsdaten gegenüber Brüssel machten die Griechen zu den Buhmännern der Eurozone.

"Gebt uns unser Geld zurück!"

Auch die Griechen in Wien bekommen den Frust ihrer Nachbarn zu spüren. Hier leben etwa 2000 Griechen laut Statistik Austria. Bereits im 18. Jahrhundert kamen die ersten Hellenen als Handelsleute und Bankier nach Österreich. Richtige Einwanderungswellen wie etwa bei der serbischen oder türkischen Community gab es nie, da Österreich mit Griechenland kein zwischenstaatliches Abkommen für Gastarbeiter getroffen hat. In der jüngeren Zeit kamen vor allem viele Akademiker und Studenten nach Österreich. Sie spüren den Hohn ihrer Nachbarn auf die Wiege der Demokratie.

"Gebt uns unser Geld zurück", wird laut auf jeder Party als Willkommensgruß skandiert. Doch seien die meisten Menschen "relativ uninformiert", erklärt der gebürtige Grieche und Unternehmer Skarlatos Adam. "Die Witze sind für mich eine ganz natürliche Reaktion. Ich mache ja auch Witze über meine polnischen oder spanischen Freunde. Das macht man unter Freunden nun mal. Schlimm sei das breite Halbwissen unter denjenigen, die nicht direkt involviert seien. Manche Österreicher glauben wirklich, wir würden ihnen Geld schulden", erzählt Skarlatos von seinen Erlebnissen.

Skarlatos Adam ist in Wien geboren und aufgewachsen, seine Eltern stammen aus Thessaloniki. Dennoch fühlt sich der 30-jährige Wiener als "Grieche". Er ist stolz auf seine Wurzeln und seine Kultur, dennoch hat er neben all den Schätzen und Schönheiten, die sein Herkunftsland zu bieten habe, auch vieles zu bemängeln. Der Jungunternehmer Adam steht mit seiner Meinung weitgehend alleine da, wenn er sagt, dass "die Korruption riesig und die Arbeits- und Zahlungsmoral im Gegenzug jämmerlich" sei.

"Die Medien verbreiten ein sehr schlechtes Bild über die Griechen", ärgert sich der Rentner Vlakas. Tatsächlich waren Aussagen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Griechen mehr arbeiten müssten, ausschlaggebend für den medialen Aufschrei und die folgende negative Berichterstattung über die griechische Bevölkerung. Während die Wochenarbeitszeit in Österreich laut des EU-Forschungsinstituts "European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions" durchschnittlich 38 Stunden beträgt, arbeiten die Griechen 40 Stunden wöchentlich. "Seit Beginn der Krise haben viele Griechen bereits zwei oder drei Jobs, um sich über Wasser zu halten", erzählt der Rentner.

Gürtel enger schnallen, ohne entmündigt zu werden

Das griechische Selbstbewusstsein ist angeknackst. Wenn sie raus aus der Misere wollen, müssen sie sparen und sich den Regelungen der EU-Troika unterwerfen. "Jeder ist korrupt, aber wie hoch ist schon die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden", sagt Dimitris Toupakis. Er ist Austauschstudent aus dem Peloponnes. Der 23-Jährige studiert seit drei Jahren Medizin in Wien und verbringt jede freie Woche in seiner Heimat. Er möchte auch nach dem Studium wieder zurückkehren in sein Heimatland, trotz der unklaren Verhältnisse inmitten eines Chaos, das er als "Fass ohne Boden" bezeichnet.

"Jeder in Griechenland ist bereit, Geld zu sparen und den Gürtel enger zu schnallen. Aber man will nicht entmündigt werden", erklärt Toupakis. Genau darum ginge es den Menschen bei den wöchentlichen Demonstrationen auf den Straßen Athens und Thessalonikis. "Die Griechen sind ein stolzes Volk und niemand möchte seine Jahrhunderte lang verdiente Freiheit einfach aufgeben", sagt Toupakis.

Für den Unternehmer Adam wäre die Lösung "die Aufstellung eines komplett neuen Systems. So wie es ist jetzt ist, fehlt es an jeglicher Struktur. In Griechenland gibt es zwar Gesetze, aber es gibt keinen Vollzug." Korruption sei in vielen Ländern nur mehr Kavaliersdelikt, die Elite mache es vor und sei verantwortlich für die soziale Akzeptanz von Unterschlagung, Steuerbetrug und Geldwäsche. Kaum ein Land in der Eurozone hätte eine reine Weste, auch Österreich nicht.

"Doch Griechenland ist eine Gefälligkeitsbank. Trotz des Unwillens Steuern zu bezahlen, sind Griechen von Grund auf ehrliche Menschen", meint Rentner Vlakas, "wenn ich etwa heute keinen Strafzettel von dem Verkehrspolizisten kriege, bekommt er beim nächsten Besuch in meinem Geschäft eine Wassermelone oder gleich zwei." Das sei keine Korruption, sondern ein symbiotisches und liebevolles Miteinander.