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Businessfrau Esmeralda

Von Solmaz Khorsand

Politik
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Sie können nicht nur tanzen, sondern auch Ärzte, Postboten oder Unternehmer werden.
© corbis

Initiative will Minderheit Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufzeigen.


Wien. Die einen verklären sie als das fahrende Volk der Gaukler und Wahrsager, die nur mit Ziegenbock und Schellentrommel anzutreffen sind, wie einst Esmeralda, das "rassige Zigeunermädchen" aus Victor Hugos "Glöckner von Notre-Dame"; die anderen verteufeln sie als faule Habenichtse und Kriminelle, die als organisierte Bettlerbanden Wiens Einkaufsstraßen heimsuchen: das Volk der Roma und Sinti.

Seit dem 15. Jahrhundert leben sie in Österreich. Und vor genau 20 Jahren wurden sie hierzulande als Volksgruppe anerkannt. Am Montag feiern sie den internationalen Roma-Tag. Es ist eine heterogene Gruppe, die sich hier zusammenfinden wird. Es sind Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern, die verschiedene Sprachen sprechen und welche die unterschiedlichsten Religionen praktizieren. Es gibt jene, die stolz auf ihr Erbe verweisen werden, und jene, die es verleugnen werden, weil sie jahrzehntelang besser daran taten, ihre ethnische Identität für sich zu behalten.

Viele verleugnen ihre ethnische Identität

Schätzungen gehen davon aus, dass rund 100.000 Roma und Sinti in Wien leben, die meisten stammen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens und sind erst in den vergangenen Jahren zugewandert. Genaue Zahlen sind schwierig zu erheben: "Ein Spezifikum an Wien ist, dass viele Roma ihre Identität verleugnen und sich in die Anonymität der Großstadt flüchten", erklärt Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe.

Vor acht Jahren hat die Volkshilfe die Arbeitsmarktinitiative Thara ins Leben gerufen. Thara - Romanes für "Morgen" und "Zukunft" - soll Roma helfen, sich auf dem heimischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Problem: Diskriminierung und mangelnde Qualifikation der Bewerber. Die meisten Roma und Sinti leben in prekären Verhältnissen und hätten niedrige Bildungsstandards, das würde vor allem die zugewanderten Roma betreffen, weniger die autochthonen Mitglieder der Community, so Fenninger. Laut einer Studie der Arbeiterkammer liegt die Arbeitslosigkeit innerhalb der Community bei 13 Prozent, womit sie dreimal so hoch ist wie bei jener der Gesamtbevölkerung.

Role Models für ein neues Selbstbewusstsein

Und jene, die es auf dann auf den Arbeitsmarkt schaffen, müssen vorsichtig sein, wie viel sie über ihre ethnische Herkunft preisgeben, weiß Usnija Buligovic zu berichten. Die gebürtige Serbin ist selbst Romnji und Thara-Projektkoordinatorin. So erinnert sie sich an den Fall einer Frau, die in einem Juweliershop gearbeitet hat und speziell darauf hingewiesen wurde, auf die Roma-Kunden aufzupassen. Als sie sich eines Tages selbst als Romnji outete, wurde ihr der befristete Arbeitsvertrag nicht verlängert. Die Begründung: Sie müsse doch verstehen, dass eine Verlängerung des Dienstverhältnisses aufgrund ihrer Herkunft nicht mehr in Frage kommen könne.

Solche Geschichten sitzen tief in der Psyche der Volksgruppe. Es geht so weit, dass selbst jene, die es als Akademiker zu gewissem Wohlstand gebracht haben, ihre Herkunft verleugnen: "Roma die eine höhere Ausbildung haben, wollen sich nicht länger als Roma outen und brechen sogar den Kontakt zu ihren Familien ab", erzählt Buligovic. Hier will Thara ansetzen. Einerseits gilt es, das Selbstbewusstsein der Community zu stärken, die sich als solche gar nicht begreift, andererseits heimische Institutionen auf die Bedürfnisse und Probleme der Roma und Sinti zu sensibilisieren.

So bietet Thara Computerkurse an, gibt den Männern und Frauen die Möglichkeit, ihren Hauptschulabschluss nachzuholen und betreibt auf ihrer Homepage eine Jobbörse. Die Projektmitarbeiter beraten Jugendliche zum Thema Ausbildung und Beruf. Ebenso werden Vorbilder präsentiert, die bei Veranstaltungen ein anderes Bild der Roma und Sinti innerhalb der Community transportieren sollen - eben nicht mehr jenes der rassigen Esmeralda, sondern jenes der Ärztin, des Postboten und des Unternehmers. Auch will man in Zukunft vermehrt die Angehörigen der Community zum Thema Unternehmensgründung beraten und sie in ihrer Selbstständigkeit fördern.

In den vergangenen acht Jahren hätte sich viel getan, meint Buligovic. Allein in Wien wurden in dieser Zeit 15 Vereine von Roma und Sinti gegründet - und das aus Eigeninitiative. Es zeugt von einem neuen Selbstbewusstsein einer Community, deren Angehörige in anderen Ländern in Ghettos gesperrt und von Bürgerwehren attackiert werden. "Österreich hat hier keine segregative Politik verfolgt und keine Ghettoisierung betrieben, wie das in einigen Nachbarstaaten der Fall war", lobt Fenninger die österreichische Roma-Strategie. Der Order der EU-weiten Strategie, die Situation der Roma in Europa bis 2020 zu verbessern, hat sich auch Österreich verschrieben. Man hofft nun auf gezielte Förderungen für zugewanderte Roma, die den Großteil der Gruppe hierzulande bilden, so Fenniger. Anders als die autochthonen Roma hätten sie nämlich keinen Anspruch auf den Volksgruppentopf des Bundeskanzleramts, der jedes Jahr rund 420.000 Euro beträgt. Doch werden vereinzelt Initiativen und Projekte für alle gefördert, heißt es aus dem Bundeskanzleramt.

Buligovic hofft, dass sich in Zukunft mehr Roma und Sinti zu ihrer Identität bekennen und "keine Angst haben, sich zu outen".