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ÖVP: Zurück in die Zukunft

Von Clemens Neuhold

Politik

Neue Parteien und Listen setzen ÖVP zu. Der Ruf nach Erneuerung wird lauter.


Wien. "Das könnte man der ÖVP nur wünschen, dass sie dieses Programm hat." Diese empfehlenden Worte über die neue Partei "Neos" stammen nicht etwa vom angriffigen Neos-Chef Matthias Strolz; sie stammen vom langjährigen ÖVP-Chef Erhard Busek. Der 72-Jährige ist Mentor von Strolz, der selbst für den ÖVP-Wirtschaftsbund arbeitete.

Der ewige Mahner

Busek ist als Kritiker und Mahner der eigenen Partei bekannt, um ihn muss sich die ÖVP keine Sorgen machen. "Das wäre nicht glaubwürdig, wenn ich wechsle. Aber ich unterstütze Entwicklungen, die Politik verbessern", sagt Busek, der mit seinem Demokratievolksbegehren selbst zur Verbesserung beitragen möchte. Das liegt derzeit zur Unterschrift auf.

Mehr oder weniger abgesprungen ist hingegen Sepp Schellhorn, der langjährige Präsident der Österreichischen Hoteliersvereinigung. Schellhorn ist derzeit im Salzburger Goldegg für die ÖVP tätig, bei der Nationalratswahl wird er für die Neos kandidieren. Zusammen mit dem ehemaligen ÖVP-Bürgermeister von Goldegg, Hans Mayr, der zu Stronach überwechselte und der ÖVP-Abspaltung "vorwärts Tirol" verdichtet sich der Eindruck, als liefen der ÖVP die Leute davon. Und es stellt sich abgesehen von persönlichen Rechnungen die Frage, ob das Angebot der Volkspartei an ihre Wähler noch passt.

"Es braucht etwas Neues, man kann sich nicht immer im Kreis drehen. Wenn man mitgestalten will, etwas Neues will, ist man bei der ÖVP im Bund am falschen Platz", kritisiert Schellhorn. Vor allem auf den liberalen Flügeln werden frühere Wähler offenbar flügge. Busek sieht bei Bildung und Demokratie die größten Defizite seiner Partei.

"Das Parteiprogramm der ÖVP ist fast 20 Jahre alt", sagt der Leiter des ÖVP-Think-Tanks Julius Raab Stiftung, Harald Mahrer. Er plädiert dafür, die "Perspektivengruppe" wieder zu beleben, die unter ÖVP-Chef Josef Pröll 2008 begonnen, später aber ganz leise eingestellt wurde. An der Gruppe seien viele Personen beteiligt gewesen, die eine Wiederaufnahme befürworten würden, meint Mahrer.

Er sieht die Raab Stiftung als "Hüterin der Grundwerte", und diese Werte seien im Kern nach wie vor gültig; sie müssten nach 20 Jahren nur angepasst werden. "Die DNA stimmt, wir sind die einzige Partei von der Mitte für die Mitte". Die "Miniprogramme" der neuen Parteien sieht er nicht als Herausforderung für die ÖVP.

"Pröll hat versucht, die Partei zu öffnen. Als Spindelegger 2010 übernommen hat, war die Partei krisengeschüttelt und musste wieder ihre Kernwählerschicht stärken", sagt Politikberater Thomas Hofer. Mit der Affäre Strasser wurde die Situation nicht leichter.

Gerade jetzt, wo sich die Partei erfangen habe, könnten neue Listen und Parteien wie die Neos der Volkspartei "im niedrigen Prozentbereich" schon wehtun.

Einen neuen, strategischen Schwerpunkt sieht Hofer beim Thema leistbares Wohnen. "Spindelegger reagiert auf die latente Angst der Mittelschicht, abzurutschen und gibt sich betont sozial." Der Vorwurf der sozialen Kälte war mit ein Grund für die Wahlniederlage der ÖVP 2006 unter Wolfgang Schüssel.

ÖVP-Casting

Abwanderungstendenzen arbeitet Spindelegger seit Sommer zudem aktiv entgegen. Geleitet vom ehemaligen ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl sucht die Partei aktiv nach Mitstreitern, die für die Partei in die Herbstwahlen ziehen. Die Wähler sollen die Chance haben, Personen in ihrem Wahlkreis und erst in zweiter Linie eine Partei zu wählen.

Busek reicht das nicht und er feuert noch eine Spitze gegen die aktuelle ÖVP-Politik beim Bankgeheimnis ab: "Es reicht nicht für die Inländer, wenn man sich um die Sparbücher der Ausländer kümmert."