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Der Bauer und seine Ehre

Von Mattias Nagl

Politik
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Trügerische Idylle: Die Almbauern in Salzburg (Bild), Vorarlberg, Tirol, Kärnten und der Steiermark kommen in Finanznöte.
© Waldhäusl

Almbauern sehen sich zu Unrecht Rückzahlungsforderungen ausgesetzt.


Salzburg. Hans Fuchs fühlt sich in seiner Ehre verletzt. Der 62-Jährige ist seit knapp 30 Jahren Bauer in Unken im Salzburger Pinzgau. Fuchs ist ein Musterbeispiel für Österreichs kleinstrukturierte Landwirtschaft. Er hat zwölf Milchkühe, dazu zehn Stück Jungvieh, zehn Schafe, ein Schwein und einige Hühner in seiner biologisch geführten Landwirtschaft. Damit sich finanziell alles ausgeht, arbeitet er nebenbei als Lkw-Fahrer. Für seine Tiere hat Fuchs Zugang zu mehreren Almen, er ist also Almbauer. Und das ist es, warum sich Fuchs in seiner Ehre verletzt fühlt.

Denn die Almbauern sind im Zusammenhang mit EU-Förderungen ins Gerede gekommen. Die EU-Kommission fordert von Österreich wegen Verfehlungen bei den Almvermessungen allein für die Jahre 2006 bis 2008 bis zu 64 Millionen Euro zurück. Die Almbauern hätten Förderungen für Almflächen kassiert, die als zu groß angegeben worden sind.

Betroffen sind Bauern aus den Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten und der Steiermark. In Tirol und Salzburg kocht das Thema aufgrund bevorstehender Wahlen besonders hoch. Für die Jahre 2005 bis 2010 sind die unberechtigten Förderungen in den Folgejahren bereits einbehalten worden. Das ist es, was Fuchs wütend macht, und der Grund, warum er als politisch eigentlich unabhängiger Bauer in einer Pressekonferenz der Grünen sitzt und seine Geschichte erzählt.

Schwierige Vermessung der Almflächen

"Ich bin mir keiner Schuld bewusst", sagt Fuchs. Denn er habe nur die amtliche Flächenfeststellung mittels Unterschrift bestätigt. Da diese im Zuge der Digitalisierung der Almflächen 2010 erheblich reduziert wurde, war die alte Fläche und damit die Förderung plötzlich zu hoch und wurde zurückgefordert. Doch wie groß eine Alm tatsächlich ist, lässt sich praktisch nicht exakt feststellen.

Diese Tatsache brachte das österreichische System der Flächenvermessung in Verruf und hat dazu geführt, dass die Diskussion wieder aufgeflammt ist. Denn aktuell laufen wieder Flächenfeststellungen, die zu neuen Rückzahlungsforderungen führen könnten. Erst am Dienstag gab es in Salzburg eine Demonstration von Almbauern, bei der Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich für die Misere verantwortlich gemacht wurde. Ministerium und Agrarmarkt Austria (AMA) stehen aufgrund der Praxis der Flächenfeststellung in der Kritik.

Berlakovich hat nun Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler als Mediator einer Sonderkommission zur Lösung der Vermessungsfrage eingesetzt. In seinem ersten Statement kam er aber eher den Bauern als Berlakovich zu Hilfe. Dem "Standard" sagte er, "dass es deutliche Hinweise gibt, dass das System, das in Österreich für die Flächenregelung angewendet ist, fehlerhaft ist und nicht den EU-Standards entspricht".

Eine Frage von Wald und Wiese

Das ist auch ein Kritikpunkt der protestierenden Bauern. Bis zu 40 Prozent Abweichungen habe es auf Almflächen nach Kontrollen der AMA, die für die Prüfung zuständig ist, gegeben, sagt Anton Wallner, Sprecher der Salzburger Almbauern. AMA-Aufsichtsrat Franz Stefan Hautzinger verteidigte hingegen deren Arbeit als "Korrekt und entsprechend dem rechtlichen Rahmen".

Das sieht Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen, anders: "Wenn drei Schätzer eine Alm bewerten, kommen drei unterschiedliche Flächen heraus." Gerade die Frage der Waldweide sei ein ganz großes Thema. Davon kann auch Hans Fuchs ein Lied singen: "Ich sehe mich als Verfechter der Waldweide."

Auf seiner Alm gibt es verhältnismäßig viel Wald, doch auch im Wald wächst Gras und natürlich fressen seine Kühe auch das Gras im Wald. Als Weidefläche gilt der Wald trotzdem nicht. Doch auch einzelne Bäume und Baumgruppen auf einer Almwiese können zum Problem werden. Das nennt sich dann Überschirmung und führt zu willkürlichen Flächenfestsetzungen. Im Almleitfaden, der die Flächenfeststellung regelt, wird eine Almwiese bei 49-prozentiger Überschirmung noch zu 70 Prozent als Weidefläche anerkannt, bei 51-prozentiger Überschirmung nur zu 30 Prozent.

Auch aufgrund derartiger Bestimmungen fühlt sich Fuchs im Recht. "Wenn ich zu Unrecht Förderung kassiert hätte, wäre ich schön leise, würde sie zurückzahlen und würde mich nicht in die Öffentlichkeit stellen", sagt er. Der Salzburger ist überzeugt, die verlorene Almförderung irgendwann wieder zu bekommen, auch wenn er sagt: "Bis jetzt haben wir noch nichts erreicht." Doch um die Förderung geht es inzwischen nur mehr zweitrangig. Fuchs sagt: "Es geht mir um die Ehre der Bauern."