Wien. Was bringt die Gesundheitsreform Patienten und Ärzten? Diese Frage stellt sich der Präsident des Österreichischen Hausärzteverbands, Christian Euler. Er befürchtet, dass für Ärzte und Patienten nur noch Abfallprodukte aus der Ökonomisierung des Gesundheitssystems übrig bleiben. Ein besonders krasses Beispiel führte Euler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" aus Deutschland an, wo Krankenanstalten einen Fixbetrag für die Behandlung eines mit HIV-infizierten Patienten erhalten. Je günstiger die Behandlung ausfällt, desto mehr können die Krankenanstalten in ihre Taschen wirtschaften. "Krankheit wird somit verwaltet und gewinnbringend vermarktet", kritisiert Euler. Er warnt davor, dass die Krankenkassen auch in Österreich eine Ökonomisierung der Krankheit fördern.
In zehn Jahren fehlen 800 Landärzte
Das Sozialkapital der Hausärzte gehe verloren. In nicht allzu ferner Zeit werde es am Land viel zu wenige Hausärzte geben. Aber Euler, der seit 33 Jahren Gemeindearzt im burgenländischen Rust ist, sieht dahinter Kalkül: Die Pensionierungswelle der Landärzte sei für das System die Gelegenheit, sie loszuwerden. Derzeit versorgen 1563 Landärztinnen und Landärzte 3,6 Millionen Einwohner, auf einen Landarzt kommen im Durchschnitt 2300 Einwohner. Pro Jahr absolviert ein Hausarzt um die 1000 Hausbesuche, er hat an ein bis zwei Wochenenden und auch in vielen Nächten pro Monat Bereitschaftsdienst. In den kommenden zehn Jahren geht die Hälfte der Landärzte in Pension und somit fehlen 800 Landärzte.
Aber es fehlt an Bewerbern. Hatten sich vor zehn Jahren noch 20 Jungmediziner für eine Arztpraxis beworben, waren es zuletzt nur noch drei bis sechs. In Niederösterreich bemühen sich überhaupt nur noch bis zu zwei Jungmediziner um eine Landarztstelle, einige können gar nicht mehr besetzt werden.
"Die Jungen schreckt die viele Arbeit ab"
Euler hat mehrere Erklärungen dafür, warum immer weniger Ärzte aufs Land ziehen wollen: "Ich hatte eine sehr gute Jungmedizinerin in einer Lehrpraxis bei mir. Sie fand die Arbeit erfüllend und war auch gut, aber Landärztin wollte sie nicht werden. Das sei zu viel Arbeit und zu anstrengend."
Auch Eva Raunig - sie ist Hausärztin in Wien und Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer - erklärt, warum immer weniger Jungmediziner sich für den Beruf Allgemeinmedizin entscheiden. Früher habe ein Arzt mit 500 Patienten pro Quartal das Auslangen gefunden - "solche Ordinationen werden heute geschlossen". Jetzt müsse ein Hausarzt mindestens 1000 Patienten pro Quartal behandeln, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Und das wiederum erschwere es Frauen, eine Praxis zu eröffnen. Und Euler ergänzt: Der Honorarzuwachs pro behandeltem Patienten mache in den vergangenen zehn Jahren 40 Cent aus. Ärzte müssten immer mehr Patienten behandeln, um auf ein entsprechendes Einkommen zu kommen.