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Bei jungen Kickern zählt Können

Von Stefan Beig und Bernd Vasari

Politik

Die Herkunft spielt beim Fußball eine immer geringere Rolle. | Integrationsleistung durch den Fußball. | Wien. "Beim Fußball ziehen alle an einem Strang." Michael Wind ist Sozialarbeiter beim Jugendzentrum "Back on Stage" und Fußballfan. "Bei einem Verein kommen unterschiedlichste Ethnien zusammen. Da treffen sich Türken, Serben und FPÖ-Wähler und haben ein gemeinsames Ziel. Hier geschieht eine große Integrationsleistung. Sport ist eine gute Möglichkeit, um sich Anerkennung zu verschaffen."


Wind organisiert bei "Back on Stage" jährlich ein bis zwei große Fußballturniere, bei denen etwa hundert Jugendliche mitmachen. "Seit 1997 funktioniert das tadellos", erzählt Wind. Ein Großteil der Jugendlichen habe ex-jugoslawischen Migrationshintergrund, andere kommen aus der Türkei, Rumänien, Albanien oder Tschetschenien. In den Fußballkäfigen spielen viele Migrantenkinder. "Migranten leben oft in beengten Wohnverhältnissen und haben mehr Kinder, die dann nach draußen gehen", betont Wand. "Viele, die hier mitmachen, spielen auch bei den Vereinen."

Viele Ethnien gibt es bei den Nachwuchsmannschaften

Beim Betrachten der Kaderlisten der Jugendmannschaften von Rapid, Austria, Vienna, Sportklub oder FavAC fällt schnell die Vielfalt der Nachnamen der Spieler auf. Kommt es auch zu Gruppenbildungen oder Ausgrenzungen? "Beim Wiener Sportklub gibt es überhaupt keine Probleme, wenn es um Ausgrenzungen bezüglich Herkunft, Hautfarbe, Religion und Ähnliches geht", stellt Helmut Janecek, Nachwuchsleiter des Wiener Sportklubs, klar. Er verweist auf den U10- und U18Trainer Idrissa Soura, der eine schwarze Hautfarbe hat: "Das Publikum hat sich daran gewöhnt." Auch Lukas Schaumschläger, U9Trainer von Rapid, erklärt: "Der heutige Fußball ist sehr völker verbindend. Die Initiativen der Uefa haben dazu beigetragen, dass Rassismus hier keinen Platz mehr hat. Zu Gruppenbildungen wird es immer kommen, aber nicht mehr aufgrund von Herkunft."

Nicht immer soll alles so rosig gewesen sein. "Mir ist zu Ohren gekommen, dass nicht alle Trainer so aufgeklärt waren", erzählt Roman Horak, Professor an der Universität für Angewandte Kunst und Österreichs wohl renommiertester Fußball-Forscher. Im Nachwuchssport hänge viel von Trainer und Betreuer ab.

Sprachprobleme sind beim Nachwuchs kein Thema. "Ich würde es nicht verbieten, andere Sprachen zu sprechen. Allerdings stellt sich die Frage gar nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgend ein Spieler in der Kabine nicht Deutsch gesprochen hätte", meint Schaumschläger. Christian Neckamm, Nachwuchsleiter der Vienna hat ähnliche Erfahrungen: "Es kann vorkommen, dass Spieler, die frisch bei uns sind, kein Deutsch können. Das Lernen der Sprache erfolgt dann aber meist rasch. Schließlich wollen sie ja auch wissen, was in der Kabine gesprochen wird."

Bei den Nachwuchstunieren treffen sich die Fans. "Hey Marko!", ruft ein Mann mit slawischem Akzent seinem Sohn zu und deutet ihm, dass er im Zweikampf auch die Ellbogen ausfahren soll. Marko ist Stürmer der Vienna U14, die gerade ein Testspiel gegen eine zwei Jahre ältere Mannschaft aus Liesing, LA Riverside U16, bestreitet. Eine Zuschauerin mit österreichischem Akzent reagiert mit einem Grinsen: "Geh, Papa setz di nieder."

Das Publikum, bestehend aus Eltern verschiedener Communities der Vienna, lacht. Generell soll sich das Zuschauerverhalten seit den 1990er Jahren stark verbessert haben. Neckamm: "Es gibt immer wieder überambitionierte Eltern. Die schreien dann was rein, weil der Pass schlecht war. Rassistische Bemerkungen sind aber nicht mehr zu finden."

Doch es gibt immer noch Ausreißer, meint der Jugendleiter des FavAC Herbert Epstein: "Vor zwei Jahren gab es ein Spiel der damaligen U16 auf dem Donaufelderplatz. Die dortige Heimmannschaft wurde von einem Teil des Publikums mit der österreichischen Bundeshymne empfangen. So als würden die Österreicher gegen die Ausländer vom Fav AC spielen", so Epstein.

Die Integration gelingt nur, wenn es die Fans wollen

Im professionellen Fußball muss sich jeder neue Spieler in einer Mannschaft erst mal integrieren. Ob das gelingt, entscheidet das Publikum. "Ein Spieler wird dann ein echter Rapidler oder Austrianer, wenn er bestimmte Tugenden verkörpert. Die Frage ist, ob er auch vom Publikum als ein solcher identifiziert wird", erläutert Roman Horak. "Es ist ein komplexer Prozess der Eingemeindung. Ein echter Rapidler muss zum Beispiel Kampfgeist zeigen und viel herumlaufen. Ob er als solcher gilt, entscheidet wirklich nur seine Art des Auftritts. Die Herkunft spielt da keine Rolle."

Als etwa der Türkei-stämmige Fußballer Ümit Korkmaz von 2006 bis 2008 bei Rapid spielte, feuerten ihn selbst Fans mit einer negativen Einstellung zu Türken an. Horak beobachtete freilich, dass die austrotürkischen Anhänger von der restlichen Fangemeinde getrennt waren, obwohl sie sich hinter die gleiche Mannschaft stellten. "Fußball kann Ressentiments sowohl abbauen als auch aufbauen", meint Horak. Innerhalb der Vereine würden Klischees abgebaut, weil Spieler verschiedener Ethnien zusammenspielen. Doch nach außen ist das anders: "Wenn zwei Mannschaften gegeneinander spielen, wollen sie das Gegenteil. Das führt halt auch zu Spannungen."