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"Geld ist genug da"

Von Brigitte Pechar

Politik
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Ausbildung im Spital, vor allem in Ambulanzen, lehnen Allgemeinmediziner ab.
© Corbis

Massive Kritik an Ausbildung von Allgemeinmedizinern in Ambulanzen.


Wien. "Es ist eine Verbesserung des Status quo, aber keinesfalls optimal." So beurteilt Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am Institut für höhere Studien, den Verordnungsentwurf von Gesundheitsminister Alois Stöger zur Ausbildung von Allgemeinmedizinern. Hauptkritikpunkt des Gesundheitsökonomen ist, dass die Ausbildung der Jungmediziner nach dem Turnus nicht verpflichtend in einer Arztpraxis vorgeschrieben ist, sondern auch an Spitalsambulanzen stattfinden kann. Eine Zustimmung der ÖVP zur Verordnung steht noch aus. Sobald diese da ist, geht sie in Begutachtung.

Allgemeinmedizin

an Unis ein Stiefkind

Die Ärztekammer kritisiert darüber hinaus, dass nur noch sechs Monate in einer Lehrpraxis vorgeschrieben sind, anstatt der verlangten 12 Monate. Auch der Präsident des Hausärzteverbandes, Christian Euler, ist empört darüber, wie in Österreich über langjährige Forderungen der Ärzteschaft und internationale Erfahrungen hinweggegangen wird: "Die Allgemeinmedizin ist ein gleichwertiges Fach zu jedem anderen Facharzt. Aber Österreich trägt dem nicht Rechnung, weil es dieses Fach nicht lehrt." Es gebe nicht einmal an jeder Universität einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Dabei ist dem Hausarzt nicht wichtig, dass die Allgemeinmedizin unbedingt als Facharzt gekennzeichnet sein muss, es geht vielmehr darum, dass Ausbildung und Ausbildungsbedingungen für Allgemeinmediziner wie jene für Fachärzte gestaltet werden müssten.

Andreas Sönnichsen, Institutsvorstand und Lehrstuhlinhaber am Institut für Allgemein- und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke in Deutschland, findet es schade, dass die neue Ärzteausbildungsverordnung dem Fach Allgemeinmedizin nicht gerecht wird. "Während man international auf breiter Front erkannt hat, dass Allgemeinmedizin eben nicht ein ,Schmalspursammelsurium‘ der medizinischen Fachdisziplinen ist, sondern ein eigenes Fach mit spezifischen Anforderungen wie zum Beispiel Umgang mit Diagnostik im Niedrigprävalenzbereich, patientenzentrierte, ganzheitliche Versorgung, Management von chronisch Kranken und Multimorbidität, scheinen diese Erkenntnisse im Ministerium Stöger noch nicht angekommen zu sein."

Es gebe keine adäquate Ausbildung für Allgemeinmediziner an den Universitäten, kritisieren auch Euler und Czypionka. 95 Prozent der Ressourcen an den Medizin Universitäten seien auf den medizinisch-technischen Aspekt ausgerichtet, Versorgungsforschung gebe es nur wenig. Das entspreche auch nicht der Mehrheit der medizinischen Ansprüche. Denn ein Großteil der Krankheitslasten sei im Primärbereich, also bei der Allgemeinmedizin, sagt Czypionka. Wenn etwa ein Hausarzt bei Diabetikern den Blutzuckerspiegel einstellt, verzögert er Folgeerkrankungen auf viel später. "Eine qualitätsvolle Primärversorgung erspart Folgekrankheiten", sagt auch der Präsident des Hausärzteverbandes.

Lehrpraxis muss in Ordinationen sein

"Aber, das Curriculum missachtet das Fach", sagt Euler, und: "Allgemeinmediziner kann man nur in einer allgemeinmedizinischen Ordination werden." Auch Czypionka ist überzeugt, dass die Ausbildung von praktischen Ärzten nur in Ordinationen erfolgen kann. Der IHS-Experte wählt einen drastischen Vergleich: "Es macht auch niemand eine Uhrmacherlehre und repariert dann Autos." Dass die Ausbildung in Praxen teurer käme, glaubt der Gesundheitsökonom nicht. Im Gegenteil, fürs Erste wäre die Ausbildung in Arztpraxen billiger.

Dass die Sozialversicherung diese Kosten nicht zusätzlich übernehmen könne, sei klar, "aber das Geld ist ja da". Wenn die Jungmediziner nach dem Turnus eine Praxis in einer Spitalsambulanz machten, müssten diese ja auch bezahlt werden. Da kommt wieder der Ursprungsgedanke der Gesundheitsreform "Geld folgt der Leistung" ins Spiel. Man müsste dann eben das Geld, das in den Ambulanzen für die Jungmediziner ausgegeben werde, in den niedergelassenen Bereich umschichten. "Das wäre Aufgabe der Zielsteuerungskommission. Diese müsste zum Zweck der Ausbildung Mittel verschieben", sagt Czypionka.

Etwa 450 Jungmediziner brauchen pro Jahr eine Praxisstelle, wenn die Ausbildung in der Praxis/Ambulanz Pflicht wird. In der Ärztekammer wird versichert, dass es ausreichend Lehrpraxen gibt - derzeit sind rund 1200 Lehrpraxen zertifiziert.