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Warnung vor Wahlzuckerln

Von Katharina Schmidt

Politik
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"Die Zeit als Landesparteisekretär habe ich lange hinter mir", sagt Kostelka im Interview. Und: "Das ist nichts, was ich wieder aufnehmen möchte, ganz im Gegenteil."
© Stanislav Jenis

Kostelka: Fehlerquote steigt durch eilige Gesetzesbeschlüsse rund um Wahl.


Wien. Die Stimmung erinnert an den Nachmittagsunterricht im Gymnasium gegen Schulschluss. Die Hitze flimmert durch die Räume, das Haus ist fast menschenleer, ein bisschen Wehmut liegt in der Luft. Peter Kostelka empfängt die "Wiener Zeitung" entspannt in einem kurzen Hemd. Für den ehemaligen SPÖ-Staatssekretär und Klubobmann bricht am Montag seine letzte Woche in der Volksanwaltschaft nach zwölf Jahren an. Am 1. Juli wird der 67-Jährige in dieser Position vom ehemaligen Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter (56) abgelöst. Ein Generationenwechsel, meint Kostelka. Im Interview spricht er über die Herausforderungen für die Volksanwaltschaft und seine Zukunftspläne.

"Wiener Zeitung":Herr Kostelka, der Abschied nach zwölf Jahren aus der Volksanwaltschaft naht - sind Sie schon wehmütig?Peter Kostelka: Nein. Ich war 45 Jahre in der Politik und 12 Jahre hier. Ich bleibe zwar beruflich aktiv - noch bis Ende 2014 bin ich Consultant für die International Ombudsman Organisation (IOI), aber meinen Posten als IOIGeneralsekretär übernimmt mit 1. Juli Günther Kräuter. In Schlaining werde ich als Präsident des Instituts für Friedensforschung an der Neuausrichtung des Instituts arbeiten. Ich freue mich, jetzt geht sich zum ersten Mal seit langem ein längerer Urlaub aus.

Wie hat sich dieses Haus in den vergangenen Jahren verändert?

Die Volksanwaltschaft hatte vor meinem Eintritt fast zehn Jahre lang keine TV-Sendung, wodurch sie von einer Bekanntheit von 75 Prozent auf fast 50 Prozent gefallen ist. Ich habe die Wiederpositionierung in der Öffentlichkeit betrieben, dadurch haben sich im ersten Jahr die Beschwerdezahlen nahezu verdoppelt. Ein Anliegen war mir auch die internationale Tätigkeit: Bei der IOI geht es in erster Linie um Entwicklungshilfe in Sachen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Zudem haben wir schon vor fast zehn Jahren einen eigenen Menschenrechtsbericht an den Nationalrat erstattet. Ein Ergebnis dieser Aktivitäten war 2012 die Ansiedelung der präventiven Kontrolle in allen Einrichtungen, wo sich Menschen unfreiwillig aufhalten, bei der Volksanwaltschaft.

Gleichzeitig wird aber das Budget für die Volksanwaltschaft gekürzt.

Wir sind grundsätzlich bereit, zu sparen. Es gibt aber eine Grenze der Rationalisierung, da wir verfassungsgesetzlich den Auftrag haben, jeder Beschwerde nachzugehen und jedem Beschwerdeführer eine Antwort zukommen zu lassen. Ich hoffe, meine Nachfolger können das der Politik klarmachen, sonst gibt es nur zwei Möglichkeiten: dass
man weniger genau hinschaut, was wir nicht wollen, oder dass wir länger dazu brauchen. Das ist in manchen Einrichtungen so, aber wir möchten uns zum Beispiel nicht am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte orientieren, wo die Verfahren neun Jahre dauern.

Zurück zum Bekanntheitsgrad der Volksanwaltschaft. Ist sie nicht ein aussterbendes Modell, weil sie nicht ausreichend bekannt ist?

Da die Bürokratie nicht aussterben wird, wird auch die Volksanwaltschaft ihren Sinn nicht verlieren. Man kann nie bekannt genug sein, vor allem bei jüngeren Personen besteht Nachholbedarf.

Apropos Bürokratie: Die Volksanwaltschaft kritisiert auch stets die mangelnde Qualität der Gesetze. Besteht nicht auch vor dieser Wahl die Gefahr, dass - wie 2008 - Last-Minute-Wahlzuckerl nachher repariert werden müssen?

Wann immer die Gesetzesmaschinerie hochtouriger läuft, nimmt die Fehlergefahr zu. Jetzt, am Ende einer Legislaturperiode, ist das der Fall, aber in noch viel höherem Maß am Beginn einer Legislaturperiode. Zudem hat die Zahl der Gesetze wie auch der Parteien, die daran beteiligt sind, zugenommen, was die Fehlerquote massiv erhöht.

Wäre es da nicht sinnvoll, den Rechts- und Legislativdienst des Parlaments aufzuwerten?

Dass der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, also beim Regierungschef angesiedelt ist, ist international einzigartig. Eine bessere legistische Ausstattung des Parlaments wäre sicher nötig, aber das Entscheidende ist der Geist, mit dem man etwas vorbereitet. Wann immer ein Begutachtungsverfahren verhindert wird, kommt es nahezu zwangsläufig zu Fehlern.

Sie waren auch Mitglied des Österreichkonvents, der jetzt bald zehn Jahre zurückliegt. Zuletzt hat wieder Wifo-Chef Karl Aiginger eine Verwaltungsreform gefordert. Erleben wir in diesem Leben noch eine Verwaltungsreform, die diesen Namen verdient?

Eine Verwaltungsreform wäre dort sinnvoll, wo historische Strukturen nicht überwunden werden können. Das geht an den Kern des Föderalismus. Ich glaube schon, dass die föderalistische Organisation sinnvoll und notwendig ist, aber die Aufgaben müssen neu verteilt werden. Die Verwaltung soll bürgernah erfolgen, die Gesetzgebung aber tendenziell nach oben rutschen.

Dann könnte man aber die Landtage abschaffen oder zumindest verkleinern.

Die Landtage sind jetzt schon, wie Kärnten zeigt, vor allem Kontrollorgane. Es geht um strukturelle Fragen, die Verkleinerung der Landtag ist da nachgeordnet.

Die Volksanwaltschaft hat viele der Aufgaben des alten Menschenrechtsbeirats im Innenministerium übernommen. Dieser hat etwa jährlich wiederholt, dass die Zustände in der Schubhaft schlimmer als die in der Strafhaft sind - mit wenigen bis gar keinen Auswirkungen. Hat die Volksanwaltschaft mehr Durchsetzungsmöglichkeiten?Die einzige Möglichkeit ist die Publizität. Mit der Zuständigkeit für die Menschenrechte in Anhaltesituationen bewegt sich die Volksanwaltschaft in Bereiche hinein, in denen es eine Kultur des Wegschauens gibt. Ein erster Schritt ist, die zuständigen Beamten zu zwingen, vor den Politikern Missstände zuzugeben. Und ich bin mir sicher, Sie finden keinen Politiker, der einen unhaltbaren Zustand verteidigt.

Die SPÖ wird sicherlich mit dem Thema Vermögensteuern in den Wahlkampf gehen. Welche anderen Themen raten Sie der Partei?

Die Zeiten, in denen ich Wahlkampf betrieben habe, sind Gott sei Dank vorbei, ich möchte da keine Ratschläge abgeben. Das ist der Luxus dieser Position.

Sie ziehen sich also aus der Politik zurück?

Friedensforschung zu betreiben heißt nicht zwangsläufig, apolitisch zu sein. Ich sehe es aber nicht als meine Aufgabe, parteipolitisch aktiv zu sein. Die Zeit als Landesparteisekretär habe ich lange hinter mir. Das ist nichts, was ich wieder aufnehmen möchte, ganz im Gegenteil.

Die Volksanwaltschaft wird auch immer als Versorgungsposten gesehen.

Es ist in der Regel eine Funktion, die man am Ende seiner Berufslaufbahn ausübt, das war auch bei mir so. Es ist aber kein Versorgungsposten im Sinne von nichts tun zu müssen und trotzdem im politischen Bereich zu sein. Ich habe es als logisch empfunden, dass ich nach der Exekutive und der Legislative auch in der Kontrolle tätig war.

Wissen: Prävention

Zur Person

(kats) Abgesehen von ihrer seit 1977 vorhandenen Rolle zur Kontrolle des Parlaments hat die Volksanwaltschaft seit 1. Juli 2012 eine Kompetenzerweiterung erfahren: Wie im Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folterkonvention (Opcat) vorgesehen, übernimmt sie seither als "Nationaler Präventionsmechanismus" auch präventive Aufgaben. Der bis zu diesem Zeitpunkt im Innenministerium angesiedelte Menschenrechtsbeirat wurde der Volksanwaltschaft als beratendes Gremium beigegeben, dazu prüfen sechs Kommissionen die Einhaltung der Menschenrechte. Sie können dies überall dort tun, "wo Menschen mit und ohne Behinderung Gefahr laufen, gegenüber Misshandlungen, unmenschlicher Behandlung und freiheitsentziehenden Maßnahmen wehrlos zu sein", wie es im Jahresbericht 2012 der Volksanwaltschaft heißt. Das können Straf- oder Untersuchungsanstalten, aber auch Pflege, Alters- oder Behindertenheime sowie Psychiatrien, Kasernen oder Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sein. Geprüft werden insgesamt 4000 private und öffentliche Einrichtungen. Im zweiten Halbjahr 2012, also den ersten sechs Monaten des neuen Systems wurden 133 "Geschäftsfälle" gezählt, 23,5 Prozent davon entfielen auf die beobachtende Begleitung von Demonstrationen und Abschiebungen, gefolgt von Besuchen in Alten- und Pflegeheimen.

Zuletzt bemängelte die Volksanwaltschaft auch die katastrophalen Zustände in dem mittlerweile geschlossenen Grundversorgungsheim für Asylwerber auf der Kärntner Saualm sowie ähnliche Probleme in einer Einrichtung im Burgenland.

Peter Kostelka

Der scheidende Volksanwalt wurde 1946 im Kärntner Bleiberg geboren, 1972 schloss er in Wien sein Jus-Studium ab. Von 1974 bis 1989 war er Sekretär im SPÖ-Parlamentsklub, 1990 SPÖ-Bundesrat, dann bis 1994 Staatssekretär im Bundeskanzleramt und von 1994 bis 2001 Nationalratsabgeordneter und Klubchef. Kostelka war zudem Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents. 2001 übernahm er den Posten des Volksanwalts von Christa Krammer. Fast zehn Jahre lang ist er zudem in der Internationalen Ombudsleute Vereinigung IOI mit Sitz in Wien aktiv, seit 2009 als Generalsekretär. Nun wird Kostelka Präsident des Studienzentrums für Friedensforschung und Konfliktlösung im burgenländischen Schlaining.