
Wien. Die Stimmung erinnert an den Nachmittagsunterricht im Gymnasium gegen Schulschluss. Die Hitze flimmert durch die Räume, das Haus ist fast menschenleer, ein bisschen Wehmut liegt in der Luft. Peter Kostelka empfängt die "Wiener Zeitung" entspannt in einem kurzen Hemd. Für den ehemaligen SPÖ-Staatssekretär und Klubobmann bricht am Montag seine letzte Woche in der Volksanwaltschaft nach zwölf Jahren an. Am 1. Juli wird der 67-Jährige in dieser Position vom ehemaligen Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter (56) abgelöst. Ein Generationenwechsel, meint Kostelka. Im Interview spricht er über die Herausforderungen für die Volksanwaltschaft und seine Zukunftspläne.
"Wiener Zeitung":Herr Kostelka, der Abschied nach zwölf Jahren aus der Volksanwaltschaft naht - sind Sie schon wehmütig?
Peter Kostelka: Nein. Ich war 45 Jahre in der Politik und 12 Jahre hier. Ich bleibe zwar beruflich aktiv - noch bis Ende 2014 bin ich Consultant für die International Ombudsman Organisation (IOI), aber meinen Posten als IOIGeneralsekretär übernimmt mit 1. Juli Günther Kräuter. In Schlaining werde ich als Präsident des Instituts für Friedensforschung an der Neuausrichtung des Instituts arbeiten. Ich freue mich, jetzt geht sich zum ersten Mal seit langem ein längerer Urlaub aus.
Wie hat sich dieses Haus in den vergangenen Jahren verändert?
Die Volksanwaltschaft hatte vor meinem Eintritt fast zehn Jahre lang keine TV-Sendung, wodurch sie von einer Bekanntheit von 75 Prozent auf fast 50 Prozent gefallen ist. Ich habe die Wiederpositionierung in der Öffentlichkeit betrieben, dadurch haben sich im ersten Jahr die Beschwerdezahlen nahezu verdoppelt. Ein Anliegen war mir auch die internationale Tätigkeit: Bei der IOI geht es in erster Linie um Entwicklungshilfe in Sachen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Zudem haben wir schon vor fast zehn Jahren einen eigenen Menschenrechtsbericht an den Nationalrat erstattet. Ein Ergebnis dieser Aktivitäten war 2012 die Ansiedelung der präventiven Kontrolle in allen Einrichtungen, wo sich Menschen unfreiwillig aufhalten, bei der Volksanwaltschaft.
Gleichzeitig wird aber das Budget für die Volksanwaltschaft gekürzt.
Wir sind grundsätzlich bereit, zu sparen. Es gibt aber eine Grenze der Rationalisierung, da wir verfassungsgesetzlich den Auftrag haben, jeder Beschwerde nachzugehen und jedem Beschwerdeführer eine Antwort zukommen zu lassen. Ich hoffe, meine Nachfolger können das der Politik klarmachen, sonst gibt es nur zwei Möglichkeiten: dass
man weniger genau hinschaut, was wir nicht wollen, oder dass wir länger dazu brauchen. Das ist in manchen Einrichtungen so, aber wir möchten uns zum Beispiel nicht am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte orientieren, wo die Verfahren neun Jahre dauern.
Zurück zum Bekanntheitsgrad der Volksanwaltschaft. Ist sie nicht ein aussterbendes Modell, weil sie nicht ausreichend bekannt ist?
Da die Bürokratie nicht aussterben wird, wird auch die Volksanwaltschaft ihren Sinn nicht verlieren. Man kann nie bekannt genug sein, vor allem bei jüngeren Personen besteht Nachholbedarf.
Apropos Bürokratie: Die Volksanwaltschaft kritisiert auch stets die mangelnde Qualität der Gesetze. Besteht nicht auch vor dieser Wahl die Gefahr, dass - wie 2008 - Last-Minute-Wahlzuckerl nachher repariert werden müssen?
Wann immer die Gesetzesmaschinerie hochtouriger läuft, nimmt die Fehlergefahr zu. Jetzt, am Ende einer Legislaturperiode, ist das der Fall, aber in noch viel höherem Maß am Beginn einer Legislaturperiode. Zudem hat die Zahl der Gesetze wie auch der Parteien, die daran beteiligt sind, zugenommen, was die Fehlerquote massiv erhöht.
Wäre es da nicht sinnvoll, den Rechts- und Legislativdienst des Parlaments aufzuwerten?
Dass der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, also beim Regierungschef angesiedelt ist, ist international einzigartig. Eine bessere legistische Ausstattung des Parlaments wäre sicher nötig, aber das Entscheidende ist der Geist, mit dem man etwas vorbereitet. Wann immer ein Begutachtungsverfahren verhindert wird, kommt es nahezu zwangsläufig zu Fehlern.
Sie waren auch Mitglied des Österreichkonvents, der jetzt bald zehn Jahre zurückliegt. Zuletzt hat wieder Wifo-Chef Karl Aiginger eine Verwaltungsreform gefordert. Erleben wir in diesem Leben noch eine Verwaltungsreform, die diesen Namen verdient?
Eine Verwaltungsreform wäre dort sinnvoll, wo historische Strukturen nicht überwunden werden können. Das geht an den Kern des Föderalismus. Ich glaube schon, dass die föderalistische Organisation sinnvoll und notwendig ist, aber die Aufgaben müssen neu verteilt werden. Die Verwaltung soll bürgernah erfolgen, die Gesetzgebung aber tendenziell nach oben rutschen.
Dann könnte man aber die Landtage abschaffen oder zumindest verkleinern.
Die Landtage sind jetzt schon, wie Kärnten zeigt, vor allem Kontrollorgane. Es geht um strukturelle Fragen, die Verkleinerung der Landtag ist da nachgeordnet.
Die Volksanwaltschaft hat viele der Aufgaben des alten Menschenrechtsbeirats im Innenministerium übernommen. Dieser hat etwa jährlich wiederholt, dass die Zustände in der Schubhaft schlimmer als die in der Strafhaft sind - mit wenigen bis gar keinen Auswirkungen. Hat die Volksanwaltschaft mehr Durchsetzungsmöglichkeiten?