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Das Ende des Spritzenferdl

Von Brigitte Pechar

Politik

Vorarlberg wirbt in Konkurrenz mit Deutschland und der Schweiz um Turnusärzte und reformiert Ausbildung.


Wien. Der Ärztemangel ist in einigen Regionen Österreichs schon Realität. "In zehn Jahren werden wir ein massives Problem haben, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern", sagt Gerald Fleisch, Direktor der Vorarlberger Krankenhausbetriebsgesellschaft. Der Krankenhausmanager weiß, wovon er spricht, schließlich konnte er 30 von 120 Turnusplätzen in den fünf Landesspitälern nicht mehr besetzen: keine Bewerber. Das habe aber nicht nur Auswirkungen auf den Spitalsbetrieb, sondern auch Folgewirkungen: Es werden zu wenige Allgemeinmediziner ausgebildet. Immerhin gehen 90 Prozent der ausgebildeten Allgemeinmediziner später in eine Praxis.

Das Land reagierte mit einer gezielten Werbeaktion. Land und Spitäler gingen auf Tour: bei Fachmessen, an Universitäten, im Internet, ja sogar vor dem Wiener AKH wird seit Mai intensiv um Turnusärzte geworben.

"In österreichischen Spitälern werden Turnusärzte als billige Arbeitskräfte gesehen. Sie hängen Flaschen an, nehmen Blut ab und erledigen den Papierkram", sagt Gesundheitsökonom Thomas Czypionka. Und weil die Jungmediziner das nicht mehr wollen, gehen viele von ihnen ins Ausland - besonders beliebt sind Deutschland und die Schweiz.

Das Ländle sei in einer besonders exponierten Lage, weil es einerseits keine Medizinuniversität hat - um für einen natürlichen Zugang von Turnusärzten zu sorgen. Andererseits sei Vorarlberg von den Hochlohnländern Liechtenstein und der Schweiz umgeben. "Dort sind die Gehälter wesentlich höher und die Jungmediziner müssen nicht einmal ihren Wohnort ändern, sondern können pendeln", sagt Fleisch zur "Wiener Zeitung".

Vorarlberg ist Spitzenreiter bei der Bezahlung

Daher stand am Beginn der Vorarlberger Turnusreform eine Gehaltsreform: 65.000 Euro brutto erhalten Turnusärzte im Jahr - so viel wie nirgendwo sonst in Österreich. Aber um die Ausbildung attraktiver zu gestalten, wurde gleichzeitig ein klares Jobprofil erarbeitet, das unqualifizierte Tätigkeiten ausschließt. Den "Spritzenferdl", wie Turnusärzte in Wien auch genannt werden, gibt es im Ländle nicht mehr. "Wir haben den Terminus ,Turnusarzt‘ durch ,Ausbildungsarzt‘ ersetzt. Wir wollen zeigen, dass wir Ausbildungsärzte als Leistungsträger schätzen." Der Krankenhausmanager verweist auf den Erfolg: 15 Jungmediziner hätten sich bereits beworben, viele weitere ihr Interesse bekundet.

An den drei Medizin-Universitäten Wien, Innsbruck und Graz werden pro Jahr 1500 Studenten zugelassen. Das verringerte die Zahl der Studierenden schlagartig, gleichzeitig gehen in den kommenden zehn Jahren sehr viele Ärzte in Pension. "Ärztemangel ist daher ein Problem von morgen", sagt Czypionka. Aber man könne dieses Problem kreativ lösen. Ob dafür unbedingt eine neue Medizin-Uni in Linz nötig ist, bezweifelt er. Das sei zwar für das Land Oberösterreich ein Vorteil, aber nicht unbedingt für den Rest Österreichs. Eine Alternative wäre etwa gewesen, die private Medizinuniversität in Salzburg zu unterstützen.

Czypionka: Nichtärztliche Berufe fördern

Aber für noch wesentlicher hält Czypionka den Ausbau nichtärztlicher medizinischer Berufe. Bei der Ärztedichte liegt Österreich nämlich international und europaweit an der Spitze. Auf 1000 Einwohner kommen im Durchschnitt 4,8 Ärzte (nur Griechenland hat mit 6,1 mehr). Routinetätigkeiten müssten nicht immer von Medizinern erbracht werden und auch in der Verwaltung könnten Ärzte stärker entlastet werden.

Aber Czypionka schlägt auch vor, die Medizinerausbildung supranational zu diskutieren. So bilde Deutschland immer weniger Mediziner aus und erzeuge so einen Ärztemangel. Wenn Österreich einen zusätzlichen Ärztebedarf Deutschlands decken müsse, koste das sehr viel, gibt der Gesundheitsökonom zu bedenken. Aktuell sind 75 Prozent der 1500 Plätze für Studienanwärter mit österreichischem Reifeprüfungszeugnis reserviert, 20 Prozent für jene aus EU-Ländern und 5 Prozent für jene aus Drittstaaten. Diese Quotenregelung, die sich Österreich ausverhandelt hat, ist aber EU-weit umstritten und mit einem Ablaufdatum versehen. Daher müsse es hier zu Gesprächen mit den Nachbarstaaten kommen. "Wenn all diese Alternativen gesetzt werden, haben wir auf lange Sicht keinen Ärztemangel. Aber: Das muss man tun."