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Rebellisch? Loyal? Egal!

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Linientreue Lapp muss ebenso um ihr Mandat zittern wie Rebellin Ablinger.


Wien. Die Zeit der Listenerstellung für Wahlen ist eine Zeit, wo sich die wahren Kräfteverhältnisse in Parteien offenbaren. Wo Favoriten und Zukunftshoffnungen in Stellung gebracht werden. Wo aber auch alte Rechnungen beglichen werden und wo manche einfach das Nachsehen haben. Diese bittere Erfahrung machen derzeit auch zwei SPÖ-Mandatarinnen.

Als am 4. Juli 2012 die Koalition gemeinsam mit den Grünen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), bekannt als EU-Rettungsschirm, beschloss, blieb eine sitzen, als ihre Kollegen im Parlament aufstanden: Sonja Ablinger. Von der Parteilinken erhielt sie dafür viel Lob, im Parteiestablishment machte sie sich mit diesem Ausscheren nicht gerade beliebt. Nun bekommt sie dafür die Rechnung präsentiert: Ablinger muss bei der Wahl um ihr Mandat zittern. Als Nummer drei auf der oberösterreichischen Landesliste hat sie kaum Chancen auf einen Sitz, weil die Listenerste, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, entgegen früheren Zusagen (wie Ablinger sagt) über die Landesliste und nicht über die Bundesliste (wo Prammer ebenfalls einen Fixplatz hätte) in den Nationalrat einziehen soll.

Lapp setzte aufdas falsche Pferd

Ähnlich, aber doch völlig anders ist die Situation bei Christine Lapp. Im Gegensatz zu Ablinger verkörpert sie die loyale Parteisoldatin, die das Wohl der SPÖ stets über ihre persönlichen Interessen stellt. Als SPÖ-Wehrsprecher Stefan Prähauser in Sachen Wehrpflicht nicht die Parteilinie vertreten wollte, sprang Lapp ein und wurde zur großen Kämpferin für ein Berufsheer - letztlich vergeblich. Nun wurde Lapp von ihrer eigenen Bezirksgruppe abgesägt. War sie 2008 noch Kandidatin Nummer zwei in Wien-Simmering, musste sie diesmal ihren Platz für Bezirksparteichef Harald Troch räumen. "Jemand in einer größeren Machtposition hat seinen Anspruch angemeldet", sagt Lapp, "da wollte ich mich nicht als Querulantin aufspielen."

Tatsächlich war die Basis allerdings auch verschnupft, weil in Sachen Wehrpflicht ohne interne Diskussionen eine 180-Grad-Wende vollzogen wurde. Lapp hat da wohl aufs falsche Pferd gesetzt, denn auch die Bundespartei dankt ihr den Einsatz nicht. Auf der Bundesliste kam sie gerade einmal auf Platz 43, auf der Wiener Landesliste auf Platz 38.

"Dankbarkeit ist keine politische Kategorie", sagt Lapp im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Wäre am 20. Jänner die Mehrheit für ein Berufsheer gewesen, hätte sie auch keinen besseren Platz bekommen, glaubt die 50-Jährige.

Während sich Ablinger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" "überrascht" über ihre Ausbootung zeigt und auch eine gehörige Portion Frust mitschwingt, ist Lapp "nicht enttäuscht", sondern ordnet sich auch weiter brav der Partei unter: "Die Bewegung hat so viele Inhalte, da zählen die Interessen einzelner nicht." Daher sage sie intern zwar ihre Meinung, würde aber nie offen gegen die Parteilinie auftreten.

"Man macht das nichtaus Jux und Tollerei"

"Man macht das ja nicht aus Jux und Tollerei oder weil mir fad ist", sagt Ablinger, "sondern weil es ernsthafte Bedenken gibt." Gerade bei ESM und Fiskalpakt hätten sich ja nach einem Jahr alle Kritikpunkte bestätigt, so sei seither die Arbeitslosigkeit in Europa um eine Million gestiegen. Ablinger fordert daher "Diskursoffenheit" in der Partei: "Was manche bezüglich Geschlossenheit und Disziplin fordern, hat nichts mit Sozialdemokratie zu tun."

Für diese Haltung erntet Ablinger vom linken Flügel der Partei viel Lob und Unterstützung. Unter die57stestimme.sektion-8.at haben bis Freitagnachmittag rund 1500 Personen für ihren Verbleib im Nationalrat unterschrieben. Das sei "nett", aber zu wenig, um an einen erfolgreichen Vorzugsstimmenwahlkampf zu denken. Für die Partei laufen will sie dennoch. "Ich bin ja trotzdem noch Sozialdemokratin."

Auch Lapp wird in den Wahlkampf ziehen - einerseits, weil sie über die Vorzugsstimmen (20.000 bräuchte sie mindestens) zumindest ihre "Außenseiterchance" wahren will, andererseits, "weil ich es mit meinem Ethos nicht hätte vereinbaren können, drei Monate auf der faulen Haut zu liegen". Sie wolle ihren Beitrag leisten, damit die SPÖ ein gutes Resultat erzielt - ungeachtet der geringen Chancen auf ein Mandat.

Doch die Hoffnung, nach 12 Jahren den Nationalrat noch nicht verlassen zu müssen, gibt sie nicht auf. "Das wird von Tag zu Tag realistischer", sagt Lapp. Sie setzt dabei auf "viele persönliche Gespräche", soziale Netzwerke und "Kreativität und Zeit - das ist mit Geld nicht aufzuwiegen".

3000 Euro ausder eigenen Tasche

Jedem Kandidaten steht ein Freibetrag von maximal 15.000 Euro für den Wahlkampf zur Verfügung. Das heißt, dieses Geld wird nicht dem Budget der Partei von maximal sieben Millionen Euro zugerechnet. Lapp lässt sich ihren Persönlichkeitswahlkampf rund 3000 Euro kosten - "aus der eigenen Tasche". Inhaltlich setzt sie auf die Themen Pflege, Vermögenssteuern und Landesverteidigung. Dabei profitiere sie von ihrer Rolle als Rechnungshofsprecherin ihrer Partei: "Das ist vielleicht nicht so spektakulär, ermöglicht mir aber Einblicke in viele Politik- und Verwaltungsbereiche."

Los geht der Wahlkampf am 3. August, wenn der Bundesparteirat der SPÖ den Startschuss gibt. Vorher gönnt sich Lapp aber noch eine Woche Urlaub: "Eine Gartenreise nach Cornwall", wie sie mit sichtlicher Vorfreude erklärt.