Bei den kommenden Nationalratswahlen Ende September gilt es auch für viele Menschen mit Behinderung, ihre Stimme abzugeben. Das gilt auch für jene 60.000 Personen in Österreich, denen aufgrund einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung ein Sachwalter zur Seite gestellt wurde. Besachwaltet wird man dann, wenn man Geschäfte "nicht ohne Nachteil für sich selbst" besorgen kann, wie es im Amtsdeutsch heißt. Trotzdem bleibt man in Österreich - im Gegensatz zu 16 anderen EU-Staaten - im Wahlregister angeführt, also wahlberechtigt.
.Der Grad der Behinderung spielt, außer in Fällen einer "Totalbetreuung" (etwa bei Komapatienten), keine Rolle. Somit sind auch geistig behinderte Personen, etwa mit der Diagnose "leichte Intelligenzminderung" zur Wahl zugelassen. Diesen wird ein "Intelligenzalter" von neun bis zwölf Jahren attestiert - trotzdem dürfen sie wählen, obwohl das Wahlalter 16 Jahre beträgt. Gesundheitliche Aspekte sind also kein Wahlausschließungsgrund.
Nur ein Gericht kann jemanden von der Wahl ausschließen, wenn er rechtmäßig zu einer Haftstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wurde. Bei Hochverrat, Völkermord, organisierter Kriminalität, NS-Wiederbetätigung, Terrorismus oder wenn man eine Straftat im Zuge einer Wahl oder Volksabstimmung begangen hat, genügt schon eine einjährige unbedingte Haftstrafe.
Weil Menschen mit Behinderung wählen dürfen, muss man ihnen die Teilnahme an der Wahl auch ermöglichen. Um Behinderten einen möglichst barrierefreien Zugang zu ermöglichen, gab es 2007 eine umfassende Wahlreform, die zum Beispiel eine Stimmabgabe per Brief ermöglichte. Das ist aber nicht das einzige Mittel um ihnen die Stimmabgabe zu erleichtern. "Der Gesetzgeber hat in den letzten 20 Jahren sehr viel getan, quasi von 0 auf 100", meint der Leiter der Bundeswahlbehörde Robert Stein. Er erinnert dabei an induktive Höranlagen, Informationen in leichter Sprache oder Wahlschablonen für sehbehinderte Menschen.
Wahlkarten-Abo
Die Wahllokale müssen Ihren Standort "nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten" behindertengerecht einrichten, wie es im Gesetz heißt. Das dieser Zusatz den barrierefreien Zugang somit nicht verbindlich macht, sieht Stein nicht: "Dass es nicht in ganz Österreich überall diese Vorkehrungen gibt ist klar, aber dafür gibt es ja das Abo für Behinderte". Dieses Abo bedeutet, dass jeder behinderte Mensch ohne extra für eine Wahlkarte ersuchen zu müssen, diese vor jeder Wahl automatisch zugeschickt bekommt. Die Idee hinter all diesen Maßnahmen ist, niemanden aufgrund einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung von Wahlen auszuschließen.
Ein weiterer Dienst, der auch von vielen älteren Personen genutzt wird, ist die "fliegende Wahlbehörde". Diese besteht aus einem vierköpfigen Komitee, das am Tag der Wahl zu der einzelnen Person fährt, um vor Ort die Wahlstimme entgegen zu nehmen. Bei beeinträchtigten Menschen, die in Begleitung zur Wahlurne gehen, entscheidet die anwesende Kommission ob die Begleitperson berechtigt ist, bei der Stimmabgabe zu helfen.
Ein Kämpfer für Behindertenrechte ist der Behindertensprecher der ÖVP, Franz Joseph Huainigg. Huainigg, selbst stark körperbehindert, ist mit Unterbrechung seit 2002 Abgeordneter zum Nationalrat. Um das trotz Listenplatz 12 wieder zu schaffen, präsentierte er am Freitag sein Personenkomitee, das für die nötigen Vorzugsstimmen werben soll. Seine bisherigen Erfolge verbucht Huainigg zum Beispiel die Anerkennung der Gebärdensprache, die barrierefreie Abgabe von Vorzugsstimmen für Blinde oder die Einrichtung einer Kommunikationszentrale für gehörlose Menschen für sich.