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Juristen, die Juristen jagen: ÖH-Wahl hat gerichtliches Nachspiel

Von Katharina Schmidt

Politik

Neuauszählung brachte massive Abweichung - AG zeigt Beisitzer an.


Wien. Ausgerechnet am Wiener Juridicum. Dort, wo die Anwälte, Staatsanwälte und Richter von morgen studieren und normalerweise die Genauigkeit regiert, ist bei der Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) im Mai etwas gehörig schiefgegangen. Nach einem Einspruch der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) hat die Hauptwahlkommission nun das Wahlergebnis revidiert.

Wie die "Wiener Zeitung" bereits am 21. Mai berichtete, sind kurz nach der Wahl zur Studienrichtungsvertretung Ungereimtheiten aufgetreten: Das Ergebnis in einer der drei Unterwahlkommissionen am Juridicum wich deutlich von dem der anderen beiden ab. Florian Lattner, Obmann der AG Jus und selbst Kandidat, beeinspruchte daraufhin das Ergebnis bei der Hauptwahlkommission, die noch einmal nachzählte.

Von 17 Kandidaten nur bei zwei richtiges Ergebnis

Und siehe da: Von 17 Kandidaten für die Studienrichtungsvertretung stimmte das Ergebnis nur bei zwei. Bei einigen anderen waren kleinere Abweichungen feststellbar, am schlimmsten traf es aber die AG-Vertreter: Spitzenkandidatin Daniela Spießberger erhielt in der ursprünglichen Auszählung gar 105 Stimmen zu wenig, Lattner selbst immerhin noch 48. Eine Kandidatin des Verbands Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) erhielt im ersten Zählvorgang neun Stimmen mehr als im zweiten, ein Kandidat 14 Stimmen mehr. Insgesamt wurden in der betroffenen Unterwahlkommission 2900 abgegeben, von denen 321 falsch gezählt wurden -eine Abweichung von mehr als zehn Prozent. Für das Wahlergebnis an sich hatte die Neuauszählung kaum Auswirkungen: Es kommt zu einer Umreihung bei den Ersatzmitgliedern.

Die AG vermutet gezielten Wahlbetrug. Die Unterwahlkommission setzt sich aus Vertretern von VSStÖ, Grünen und Alternativen Studierenden (Gras), Kommunisten (KSV-LiLi) und AG zusammen. "Wir vermuten, dass der AG-Vertreter überrumpelt wurde", so Lattner. AG-Bundeschef Florian Lerchbammer hat die anderen Mitglieder der Wahlkommission angezeigt, jedoch nicht wegen Wahlbetrugs, da dieser Paragraf im Strafgesetzbuch nicht auf die ÖH-Wahlen anwendbar ist. "Es gibt noch andere Tatbestände, etwa Urkundenfälschung", sagt er. Und: "Für uns ist schwer zu glauben, dass das nur auf Schlamperei zurückzuführen ist."

Auch der Vorsitzende der Hauptwahlkommission, Bernhard Varga vom Wissenschaftsministerium, meint, ihm sei "nicht erklärlich, wie das passiert ist". Gefragt, ob auch er Wahlbetrug vermutet, sagt Varga: "Verdächtig ist das schon", er führe das Ergebnis aber eher auf Übermüdung zurück. Immerhin dauerte der Zählvorgang bis in der Früh. Ähnlich sehen das die anderen Fraktionen: "Ich halte den Vorwurf für haltlos", sagt VSStÖ-Sprecher Florentin Glötzl. Die Neuauszählung habe nur Auswirkungen auf die hinteren Plätze gehabt. Auch Anton Karl, Gras-Mitglied der Hauptwahlkommission glaubt an Konzentrationsfehler: "Wenn jemand die kriminelle Energie aufbringt, die Wahl zu fälschen, ist er intelligent genug, es so zu machen, dass es niemand merkt."