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Klima zwingt Landwirtschaft zum Wandel

Von Alexander Dworzak und Sophia Freynschlag

Politik

Bis zu 100.000 heimische Betriebe könnten von Dürre betroffen sein.


Wien/Brüssel. Sechs Millimeter. So wenig Niederschlag hat die Wetterstation im niederösterreichischen Gänserndorf im Juli registriert - alleine die Verdunstungsrate an einem einzigen heißen Tag beträgt zwischen sechs und acht Millimeter. Während Sonnenanbeter und Wasserratten in diesem Sommer voll auf ihre Kosten kommen, kämpfen Österreichs Landwirte ob der Hitze mit Ernteausfällen, Gräser vertrocknen, Mais verbrennt.

Der trockenste Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1858 ruft nun auch die Politik auf den Plan. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich präsentierte am Donnerstag ein vier Punkte umfassendes Programm für die Bauern - das nicht frei von alarmistischen Formulierungen ist: Als "Hilfspaket" tituliert der ÖVP-Ressortchef die Maßnahmen. An erster Stelle steht eine Ankaufaktion für Futtermittel. Davon sollen Tierhaltungsbetriebe profitieren, "weil sie zu wenig Futter haben, um ihre Tiere zu füttern", so das Ministerium. Aus Bundes- und Landesmitteln erhalten Bauern Beihilfen für den Zukauf von Heu, Silage, Stroh, Pellets oder Trocken- und Pressschnitte. Diese seien durch einen Katastrophenfonds gedeckt. Konkrete Zahlen bleibt man aber schuldig - man müsse noch abwarten, "bis die Zahlen auf dem Tisch sind", sagte ein Sprecher von Berlakovich. Damit ist vorläufig auch offen, wie viele Bauern Probleme bekommen, ihre Agrarinvestitionskredite zu bedienen.

Bei der Hagelversicherung gehen laufend Schadensmeldungen ein - betroffen sind derzeit vor allem Mais, Sojabohnen, Kürbis und Kartoffel. Die Sommer-Getreideernte ist großteils bereits eingebracht, die Trockenheit hat sich hier kaum mehr ausgewirkt. 85 Prozent der österreichischen Agrarflächen sind gegen Hagel versichert, der Großteil davon auch gegen Dürre. Die Hagelversicherung geht von einer "Jahrhundert-Dürre" aus - das gesamte Schadensausmaß ließe sich aber noch nicht abschätzen. In Salzburg sind derzeit rund 15.000 Hektar Futterfläche durch die intensive Sonneneinstrahlung vertrocknet. "Besonders schlimm ist die Situation im Pinzgauer Saalachtal, dort wurden bei der jüngsten Hochwasserkatastrophe große Teile der landwirtschaftlichen Flächen verwüstet, und jetzt zerstört die Dürre den Rest der Ernte", sagt Agrar-Landesrat Josef Schwaiger.

Fehlendes Futtermittel

"Den Rinderbauern fehlt aufgrund der langen Trockenheit der Ertrag am Grünland", sagt Wolf Reheis, Pflanzenbau-Experte in der Landwirtschaftskammer Burgenland. Fehlt das Futter, müssen die Landwirte Futtermittel zukaufen - da dies derzeit kaum in der Region möglich ist, könnten Nachbarländer wie Ungarn mit Mais aushelfen. Bevor der Körnermais, der für die Energiegewinnung oder Lebensmittelproduktion verwendet wird, am Feld vertrocknet, verwenden ihn die Landwirte zurzeit zunehmend als Futtermittel. Fehlt das Futter, müssten Tiere geschlachtet und verkauft werden, so Reheis.

Die vom Landwirtschaftsministerium kolportierten "Notschlachtungen" aufgrund des Futtermangels sieht man bei Greenpeace skeptisch: "In manchen Gebieten, darunter im Osten und Westen der Steiermark, ist Grünfutter zwar knapp. Das Problem betrifft aber vor allem Rinderbauern, die das - nun verbrannte - Gras eigentlich zeitnah verfüttern müssen. Bei Schweinen spielt die Dürre dagegen keine große Rolle, sie können mit den Lagerbeständen von Mais gefüttert werden", erklärt Herwig Schuster, Sprecher der Umweltorganisation, gegenüber der "Wiener Zeitung".

Als zweite Maßnahme des Umweltministeriums werden eigentlich geschützte Blühstreifen und Biodiversitätsfläche für die Futtermittelproduktion freigegeben, ein entsprechender Antrag wurde bei der EU-Kommission eingereicht. Beim ÖVP-Bauernbund stößt diese Vorgangsweise auf ungeteilte Zustimmung. Dass mehr Futtermittel in Europa produziert wird, befürwortet zwar auch Greenpeace: "Somit wird der Druck auf Südamerika, weitere Gebiete des Regenwaldes abzuholzen, verringert", sagt Schuster. Auf der anderen Seite bewege man sich mit der Nutzung von Blühstreifen und Biodiversitätsflächen in einer "rechtlichen Grauzone".

Bis zu 100.000 landwirtschaftliche Betriebe könnten von der Dürre betroffen sein, schätzt ein Agrarexperte gegenüber der "Wiener Zeitung". Daher hat das Landwirtschaftsministerium angekündigt, als dritte Hilfsmaßnahme für dürregeschädigte Landwirte die Raten dieser von der öffentlichen Hand geförderten Kredite auszusetzen. Die Raten - pro Jahr sind es zwei Tranchen - sollen demnach gestundet und erst im kommenden Jahr fällig werden. Die Laufzeit des Agrarinvestitionskredits (zehn bis zwanzig Jahre) verlängert sich in diesem Fall um ein Jahr. So soll verhindert werden, dass Betriebe pleitegehen. Genaue Zahlen gibt es vorerst jedoch weder beim Landwirtschaftsministerium noch bei der Hagelversicherung. Ursprünglich war für heuer ein Kreditvolumen von 130 Millionen Euro zugesagt. Und zusätzliche Betriebsmittelkredite werden als vierte Maßnahme den Landwirten gewährt.

So unerfreulich die Lage für viele Bauern ist: sie gilt nicht für die gesamte Landwirtschaft in Österreich. Die teils noch laufende Sommer-Getreideernte wird sich nach derzeitiger Schätzung auf rund drei Millionen Tonnen - ein Plus von mehr als einem Fünftel gegenüber dem Vorjahr - belaufen. "Die Trockenheit zuletzt hat sich da nicht mehr wirklich ausgewirkt, die Erträge bei Getreiden reduzieren sich durch den fehlenden Regen nur minimal um wenige 100 Kilo pro Hektar", erklärt der Getreide-Experte der Raiffeisen Ware Austria, Ernst Gauhs, gegenüber der APA. Selbst beim Mais gebe es im westlichen Niederösterreich noch gute Bestände. Und auch die großen Maisproduzenten in Rumänien und Ostungarn verzeichnen noch keine Ernteausfälle. Dementsprechend sind auch die Preise für Mais auf den internationalen Märkten stabil.

Auch wenn die anderen europäischen Länder weniger stark von der Hitzewelle betroffen sind, müssen alle Staaten langfristig umdenken: Denn der Klimawandel wird in den kommenden Jahrzehnten gravierende Umwälzungen für die Bauern bringen. "Das Ausmaß des Klimawandels wird von Jahr zu Jahr größer und beunruhigender", urteilte die EU-Kommission in einem Weißbuch bereits 2009. "Die europäische Landwirtschaft wird die ganze Wucht des Klimawandels zu spüren bekommen", warnte die damalige Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel.

Doch bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Union ist davon noch immer wenig zu merken. 362,79 Milliarden Euro fließen von 2014 bis 2020 in die GAP; Österreichs Landwirte erhalten 4,9 Milliarden an Direktzahlungen, die Mittel für die Ländliche Entwicklung betragen weitere 3,9 Milliarden. Anstatt dem Klimawandel konzertiert zu begegnen, überlasse die Kommission die Maßnahmen großteils den eigenen Mitgliedsstaaten, kritisiert Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Die Union verweist dagegen auf 100 Milliarden Euro, die in den kommenden sieben Jahren bei der GAP in Bodenqualität, Wasser, Biodiversität und Klimawandel investiert werden.

Hintertür für Gentechnik?

Eine weitere Sorge treibt die Umweltschützer an: Dass Gentechnik durch den Klimawandel in Europa en vogue werden könnte. Im größten Maisanbauland USA werden gentechnisch veränderte Sorten angebaut, die auch gegen Trockenheit resistenter sind, erläutert Landwirtschaftskammer-Experte Wolf Reheis. Gentechnik komme für die heimische Landwirtschaft trotz des Klimawandels auch in Zukunft nicht infrage, versichert man auf Anfrage beim Bauernbund.

Bereits heute sind die Folgen der Klimaveränderung im Anbau deutlich spürbar - Melonen aus dem Burgenland sind dafür nur das offensichtlichste Beispiel. "Landwirte säen vermehrt Wintergetreide aus, während der Anbau von Sommergerste rückläufig ist", sagt Reheis. Wintergetreide kann früher in der Saison geerntet werden, ist daher weniger von Hitzewellen beeinträchtigt.

Auch mit Bewässerungssystemen wird die Trockenheit auf den Feldern bekämpft. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten gibt es hierzulande keinen gravierenden Wasser-Engpass. Kein einziges Bundesland vermeldet derzeit Wasserknappheit - trotz des teils intensiven Bedarfs durch die Landwirtschaft. Im Marchfeld - dem Gemüsegarten Österreichs - haben die meisten Betriebe Beregnungsanlagen im Einsatz. Sie laufen seit Wochen ununterbrochen, sonst würde es heuer zu Totalausfällen kommen. Um kostbares Wasser zu sparen, werden aber auch in Österreich sparsamere Tröpfchenbewässerungsanlagen verstärkt eingesetzt, bei denen weniger Wasser verdunstet. Auf den trockenen Almen ist dies allerdings kaum möglich, weil die Flächen zu groß sind und dort nicht ausreichend Wasser vorhanden ist.

Auch die Wälder leiden

Die Hitzewelle bedeutet auch für die Wälder eine enorme Belastung. In Trockenjahren gebe es bis zu 20 Prozent weniger Zuwachs, erklärten die Bundesforste. Immer häufiger kommt es auch zu Waldbränden. Feuer ist am Donnerstag im obersteirischen Murtal ist ausgebrochen, ebenso im Bezirk Neunkirchen. Und bei einem Brand nordöstlich der spanischen Hauptstadt Madrid sind gar 1300 Hektar Land zerstört worden.