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Die Haare schön

Von Moritz Gottsauner-Wolf

Politik
Kargi, Yilmaz und Taskin beschneiden Fußballerhäupter.
© MGW

Salon bestimmt mit Fußballerfrisuren Trends für Wiens Jugendliche.


Wien. Es soll ja noch Menschen geben, die glauben, beim Fußball ginge es immer noch ums Toreschießen. Um Dribblings, Flanken, schöne Aktionen und möglichst mehr von alldem, als der Gegner schafft. Doch das wahre Spektakel findet nicht mehr nur rund um die Füße der Spieler statt. Es sprießt auf ihren Köpfen.

"Ich glaube, für viele junge Leute sind die Haarschnitte der Spieler schon fast wichtiger als das Spiel selbst", sagt Alper Taskin. Er muss es wissen. Immerhin ist der 21-Jährige der Wiener Stammfriseur der österreichischen Fußballstars: David Alaba zählt zu seinen Kunden ebenso, wie Marko Arnautovic und Aleksandar Dragovic, der kürzlich zum europäischen Topklub Dynamo Kiew wechselte - für mehr Geld, als jemals für einen österreichischen Fußballer bezahlt wurde. Wenn in Wien ein Ländermatch stattfindet, sitzen die Stars bei Taskin im Friseursessel. Und draußen stehen die Jugendlichen Schlange, die sich von Taskin einen "Drago" oder "Marko" schneiden lassen wollen. "Das ist leichter, als eine halbe Stunde zu erklären, was für einen Schnitt man will. Die Fußballer bestimmen heutzutage die Mode, nicht mehr unbedingt die Friseure", erklärt Taskin.

First Class Hairstyle, der Salon, in dem er schneidet, hat schon fast lokale Berühmtheit erlangt. "Eine gute Werbung", sei das hohe Fußballeraufkommen im kleinen Geschäft in der Schlachthausgasse, findet Hüseyin Kargi. Vor viereinhalb Jahren hat Kargi den Salon gegründet. Schon sein Vater besaß in der türkischen Stadt Kayseri ein Friseurgeschäft. Seit 23 Jahren wohnt Kargi in Wien und führt die Familientradition weiter. Alle zehn Minuten betreten Kunden das Lokal. "Das ist gar nichts", sagt der 37-Jährige. Normalerweise platzt der Raum aus allen Nähten, was auch daran liegt, dass Kargi für jeden Haarschnitt nur zehn Euro verlangt.

Hoheit über die Häupter

"Seitdem wir die Spieler hier haben, kommen noch viel mehr Jugendliche zu uns", sagt Kargi. Die Stars werden trotzdem so behandelt wie andere Kunden auch. Taskin und Kargi schneiden, ihre Kollegin Sevda Yilmaz wäscht zusätzlich noch die Haare und zupft Augenbrauen, auch das gehört zum Fußballer-Service. "Wir sind wie eine Familie", sagt Kargi. "So wie unsere Kunden nicht nur Kunden, sondern Freunde sind." Mit Freundschaften hat auch die Fußball-Connection begonnen.

Seit vier Jahren ist Haareschneiden Taskins Brotberuf. Über einen Stammkunden und guten Freund wurde schließlich Aleksandar Dragovic auf den jungen Friseur aufmerksam. "So hat sich das herumgesprochen", sagt er. Fußballer seien nicht eitler als andere. Weil sie aber ständig im Rampenlicht stehen, nimmt sich Taskin für sie mehr Zeit, als sonst. "Sie wissen schon sehr genau, was sie wollen. Wenn sie am nächsten Tag ein wichtiges Spiel haben, schauen sie sehr darauf, dass alles frisch ausschaut und passt. Nicht mehr wirklich so flippig, wie der Marko früher mit seinem Irokesen war. Er trägt mittlerweile auch schon einen anderen Schnitt."

Auf die Irokesen-Phase von Marko Arnautovic folgte ein konservativeres Modell mit eher flach zur Seite gelegtem Oberhaar. Dank Arnautovic lag der Schnitt vergangenes Jahr auch im Friseursalon im Trend. Mittlerweile aber hat Aleksandar Dragovic die Hoheit über die Häupter der Jungen gewonnen: Der "Drago" ist ein "halber Irokese", breiter und niedriger als der herkömmliche Schnitt, der normalerweise schärfer in die Schläfen fällt.

Aber nicht jedem steht das so gut zu Gesicht wie den Stars. Als Dragovic vor drei Wochen das letzte Mal für einen Schnitt vorbeischaute, sahen viele Jugendliche dabei zu und wollten hinterher dieselbe Frisur. "Zu vielen passt das dann gar nicht. Da kommt es auf die Kopfform und die Art des Haars an", sagt Taskin. Geht es nach ihm, ist Dragovic ohnehin schwer zu kopieren: "Drago hat wirklich sehr gutes Haar. Sehr dicht und stark. Damit kann man fast jeden Schnitt machen, das würde sich jeder wünschen." Kommenden Mittwoch spielt das österreichische Nationalteam in Salzburg gegen Griechenland. Dann könnte sich für die Spieler auch ein Abstecher nach Wien ausgehen. Wenn die Zeit drängt, kann es aber schon mal vorkommen, dass Taskin direkt ins Teamhotel bestellt wird. David Alaba half er auf diese Weise schon einmal aus einer Notsituation. "Natürlich stylen sie sich vor jedem Match auf und laufen dann ein", sagt Taskin. "Aber auf dem Platz ist die Frisur dann unwichtig, da bin ich mir sicher. Dann zählt nur das Spiel."