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Fakten schaffen und weiter reden

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Schmied will trotzdem weiter mit den Lehrern Gespräche führen.


Wien. Nicht nur, dass Ende September eine Nationalratswahl ansteht, jetzt droht Österreich auch noch ein heißer Schul-Herbst. Am Dienstag beschloss die Bundesregierung im zweiten Sommerministerrat, den Entwurf für ein neues einheitliches Lehrerdienstrecht ohne Zustimmung der Lehrergewerkschaft in Begutachtung zu schicken. Diese spricht von "Kulturbruch" und kündigt eine "klare Reaktion" an.

Während Beobachter monierten, dass mit der Begutachtung nur das leidige Thema aus dem Wahlkampf herausgehalten werden soll, betonte die Regierung, dass es ihr mit einer raschen Umsetzung durchaus ernst ist. "Wir wollen einen Beschluss im Herbst und lassen keinen Zweifel daran, dass uns dieses Lehrerdienstrecht wichtig ist", sagte Bundeskanzler Werner Faymann nach dem Ministerrat. Er erwartet sich durch den Begutachtungsprozess "Rückenwind" für das Reformprojekt, ein Zurück zum Start werde es nicht geben.

Ein Beschluss vor der Wahl ist eher unwahrscheinlich

Vizekanzler Michael Spindelegger sprach von einem "unmissverständlichen Zeichen", dass die Regierung in der Sache eine gemeinsame Linie verfolgt. In den vergangenen Monaten war die ÖVP strikt gegen einen Gesetzesbeschluss ohne Zustimmung der schwarzen Lehrergewerkschaft. Ein "die Regierung darf sich nicht erpressen lassen" von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll gab nun das Signal zur Kehrtwende. Spindelegger erklärte, dass auch er zu einem Beschluss noch im Herbst stehe. Ein genaues Datum gibt es allerdings noch nicht. Dass es sich noch vor der Wahl ausgeht, gilt als nahezu ausgeschlossen.

Sichtlich erfreut zeigte sich Unterrichtsministerin Claudia Schmied, schließlich sei das Lehrerdienstrecht seit 2001 auf der Agenda sämtlicher Regierungen gestanden. Sie bezeichnet den Entwurf als "sehr fair".

Dass die Regierung derart Fakten schafft, versetzt die Lehrervertreter in Alarmbereitschaft. "Ich denke, dass sich eine Gewerkschaft das nicht gefallen lassen wird", erklärte Chefverhandler Paul Kimberger am Dienstag und kündigte eine "klare Reaktion" an. Welche konkreten Maßnahmen das sein könnten, werde man intern besprechen.

Gewerkschaftliche Maßnahmen reichen von Dienst nach Vorschrift, Informationsveranstaltungen, Demonstrationen bis hin zum Streik als letzter Eskalationsstufe. Für Spindelegger wäre ein Lehrerstreik "kein gutes Signal, wir brauchen im September einen Schulfrieden". Unterrichtsministerin Schmied meint dazu, "im Interesse der Schüler und Eltern sollte der Konflikt dort ausgetragen werden, wo er hingehört". Daher will Schmied auch während der laufenden Begutachtung weiter Gespräche mit den Lehrern führen - was auch der Forderung von ÖGB-Präsident Erich Foglar entspricht.

Für AHS-Lehrervertreter Eckehard Quin ist das "nicht ganz rational", wie er sagt: "Man schickt etwas ohne Zustimmung des Verhandlungspartners in Begutachtung und will dann weiterverhandeln - normalerweise entspricht das einem Krankheitsbild." Mit der Aufkündigung des sozialpartnerschaftlichen Dialogs habe die Regierung einen "Kulturbruch" begangen, sagt Quin.

Politikwissenschafter Tálos sieht keinen Tabubruch

Einen solchen Tabubruch sieht Politikwissenschafter Emmerich Tálos allerdings nicht - zumal es sich beim Verhältnis Regierung-Beamtengewerkschaft ja nicht um Sozialpartnerschaft im klassischen Sinn handle. "Die klassische Sozialpartnerschaft läuft zwischen privaten Unternehmen und der Gewerkschaft ab." Tálos ortet allerdings "ein Abweichen vom bisherigen Modus". Bisher habe es die GÖD immer geschafft, ihre Interessen gegenüber der Regierung durchzusetzen. "Das wird es jetzt nicht mehr spielen", so Tálos. Allerdings sei der Zug für die Lehrer "noch nicht endgültig abgefahren: Die Gewerkschaft hat noch immer die Möglichkeit, auf parlamentarischem Weg Einfluss zu nehmen - das werden sie nutzen", sagt Tálos und rechnet damit, dass es in der Entwurf "im Interesse der Lehrer noch modifiziert wird".

Derartige Modifikationen - auch wenn Unterrichtsministerin Claudia Schmied "substanzielle Änderungen" ausschließt - erwartet sich die Lehrergewerkschaft vor allem bei den Punkten Arbeitszeit, Gehalt und Unterstützungspersonal.

Künftig sollen alle Lehrer verpflichtend 24 Stunden pro Woche unterrichten und - egal ob der Bund oder die Länder ihr Gehalt zahlen - zwischen 2420 und 4330 Euro plus Zulagen bekommen. Das gilt aber nur für neu eintretende Pädagogen. In bestehende Verträge wird nicht eingegriffen. In den ersten fünf Jahren können Junglehrer zudem wählen, ob sie im neuen oder alten Dienstrecht angestellt werden. Erst ab 2019/20 wird es für alle Neueintretenden verpflichtend.

50.000 Euro mehr für Volksschullehrer

Einer Volksschullehrerin bringt das neue Dienstrecht laut Regierung ein um 50.000 Euro höheres Lebenseinkommen, einem Hauptschullehrer für Deutsch und Geschichte 85.000 Euro mehr. Einem AHS-Lehrer mit denselben Fächern allerdings ein Minus von 27.000 Euro. Hier setzt auch die Kritik der Gewerkschaft an, die mehr Arbeit bei weniger Gehalt befürchtet.

Außerdem vermisst sie verbindliche Zusagen bezüglich Unterstützungspersonal, das die Lehrer bei nicht-pädagogischer Arbeit entlasten soll. Ohne das könne man einer Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung nicht zustimmen. Allerdings ist das Unterstützungspersonal nicht Teil des Dienstrechts.

Die Opposition kritisierte den Entwurf als "chancenlos" (Grüne) oder sieht im Vorpreschen der Regierung einen "Vorwahlbluff" (BZÖ) und "Wahltaktik" (FPÖ). Nur das Team Stronach sieht darin einen "ersten richtigen Schritt", fordert aber weitere Reformen.