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"Es wird gelogen wie gedruckt"

Von Brigitte Pechar

Politik

Dreßler: Man kann in keinem Land der Welt personenbezogene Daten kaufen.


"Wiener Zeitung":Mehr als 800 Ärzte, fast die Hälfte der österreichischen Spitäler, nahezu alle Apotheken und Pharmagroßhändler liefern an den Marktforscher IMS Health Daten. Wer braucht diese und wozu?Hubert Dreßler: Ich möchte etwas klarstellen: IMS ist der einzige Anbieter, der Marktdaten über Medikamente liefern kann, und ist in Österreich seit vielen Jahren tätig. IMS ist weltweiter Monopolist. Diese Daten sind ein wichtiges Tool für die Pharmaindustrie. Die derzeitige Debatte um die Weitergabe von Daten ist verlogen. Seit mehr als 30 Jahren werden in Österreich Daten zu Marktforschungszwecken weitergegeben. Der Einzige, der über alle Medikamentendaten verfügt, ist der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, aber erstens gibt dieser seine Daten nicht weiter und zweitens braucht er ein Jahr, um die Daten zu verarbeiten. IMS liefert innerhalb eines Monats. Die Pharmaindustrie macht mit diesen Daten nichts anderes als Marktbeobachtung. Wir sehen, welcher Konkurrent wohin mehr Medikamente liefert und können im Vertrieb darauf reagieren. Da geht es darum, bin ich erfolgreich oder nicht?

Wenn bekannt war, dass - unter anderen - Ärzte und Spitäler Daten liefern, warum ist dann die Aufregung so groß? Die Sorge ist doch, ob die Daten tatsächlich anonym weitergegeben werden.

Sie lügen alle. Sie wissen es alle seit Jahrzehnten. Vom Hauptverbandsvorsitzenden Hans Jörg Schelling bis zur Apothekerkammer. Schelling hat selbst vor einigen Jahren einmal darum gebeten, ob ich ihm die Industrie nicht Zahlen zur Verfügung stellen könnte, weil wir sie früher haben. Bei jeder Pharmig-Pressekonferenz, die ich gemacht habe, habe ich IMS-Zahlen als solche ausgewiesen.

Die meisten Daten kommen von der Gehaltskasse, das ist die Clearingstelle zwischen Apothekern und Krankenkassen. Diese Clearingstelle liefert ausschließlich anonymisierte Daten an IMS. Alleine in der Pharmaindustrie gibt es 10.000 Mitarbeiter, davon kennen 8000 IMS - so geheim kann das also nicht gewesen sein. Es wird gelogen wie gedruckt.



Trotzdem, es geht um die Sorge, dass Patientendaten abgesaugt werden.

In keinem Land der Welt können personenbezogene Daten gekauft werden. Allerdings kann man in den USA von jedem einzelnen Arzt alle Daten kaufen. Österreich ist datenschutztechnisch das restriktivste Land.

Was tun Sie mit den Daten?

Da muss ich einmal betonen, dass es sich nicht einmal um Marktforschung, sondern lediglich um Marktbeobachtung handelt. Es geht ausschließlich um Nachbesserungen im Vertrieb und darum, den Mitarbeitern zu zeigen, wo man steht und wohin man will. Was der einzelne Arzt macht, bekommt man sowieso nicht heraus. Aber dort wird es ohnehin immer schwieriger. Denn die Ärzte erhalten vom Hauptverband Listen, wo das billigste Produkt ganz oben steht. Jeder Arzt verschreibt zu 90 Prozent aus einer Palette von 30 Medikamenten.

Wenn alles ohnehin so korrekt zugeht, warum gibt es dann diese allgemeine Empörung?

Das ist nichts weiter als ein Sturm im Wasserglas. Eine Sommerloch-Debatte.

Zur Person



HubertDreßler (57)

Nach dem Medizinstudium und einer dreijährigen Tätigkeit als Arzt begann Dreßler eine Karriere in der Pharmaindustrie bei Höchst, übernahm dann die Geschäftsführung von Aventis Pharma. Von 2004 bis 2010 war Dreßler Präsident der Pharmig, des Dachverbands der österreichischen Pharmaindustrie.