Was meinen Sie damit konkret?

Es gibt zwei Wahlkampfanekdoten, an die ich mich heute noch gern erinnere und die seine zwei grundsätzlichen Probleme in seiner Rolle als Politiker, glaube ich, ganz gut illustrieren. Die erste ergab sich zufällig. Wir hatten unsere erste öffentliche Debatte in einer Schule, in einem ganz normalen Klassenraum. Nachdem ich mein erstes Statement abgegeben hatte, hat sich Frank die Kreide gegriffen und seine ökonomischen Ideen auf die Tafel gekritzelt und erläutert. Dass die Zuseher schon nach zwei Minuten die Augen verdreht haben, war offensichtlich. Aber er hat es nicht einmal registriert. Nachdem dieser erste Auftritt ein Desaster war - was er gottlob selbst nicht gemerkt hat und es ihm offenbar auch keiner seiner Berater zu sagen getraut hat -, haben wir dafür gesorgt, dass bei jeder einzelnen der folgenden Debatten Tafel und Kreide bereitstanden. Nachdem er jedes einzelne Mal auf den Trick hereinfiel, waren auch die Reaktionen immer die gleichen.

Und die zweite Episode?

Die zweite Geschichte war: Mitten in der Wahlkampf-Hochzeit habe ich abends bei einem Bürgerfest im Keller einer Kirche vorbeigeschaut, dessen Ausrichter eine Tombola veranstalteten. Ich habe mir ein Los gekauft, für zwei Dollar. Da haben mir die Leute erzählt, dass Frank ein paar Stunden vorher auch schon vorbeigeschaut hat und dass er Tickets für 200 Dollar gekauft hat. Und im gleichen Atemzug haben diese Leute gesagt: "Wählen tun wir ihn deshalb sicher nicht." Spätestens da habe ich gewusst: Wir werden gewinnen. Dazu kam seine Eigenschaft, bei Diskussionen niemals auf Fragen zu antworten, sondern immer nur über das zu reden, was ihm gerade einfiel. Das war manchmal extrem lustig, weil er nie begriffen hat, wie sehr er den Leuten auf die Nerven ging.

Als am Wahlabend feststand, dass Sie der Sieger sind - was hat Ihnen Frank Stronach gesagt?

Gar nichts.

Er hat Ihnen nicht gratuliert?

Nein.

Ist es in Kanada nicht üblich, dass der unterlegene Kandidat dem siegreichen gratuliert?

Doch. Wie überall anderswo auch. Aber schauen Sie, noch mal: Wir reden hier von Frank Stronach. Niederlagen existieren nicht in seiner Welt. Und Leute, für die Niederlagen nicht existieren, sind halt nicht die besten Verlierer. Er war total fertig, konnte damit überhaupt nicht umgehen.

Was würden Sie heute österreichischen Politikern raten, die Angst haben, Stimmen an Frank Stronachs Partei zu verlieren?

Ich würde ihn fragen: "Was machst Du hier? Du warst 50 Jahre lang weg und plötzlich fällt Dir ein, dass Du als Politiker dein Geburtsland verbessern möchtest?" Davon abgesehen würde ich ihn einfach reden lassen. Nach allem, was ich höre, ist sich Frank bis heute nicht über den Unterschied zwischen der Öffentlichkeit und einem Manager-Meeting bewusst. Deshalb: Je öfter er in der Öffentlichkeit redet, umso besser. Auch wenn das schwierig sein könnte, nachdem er ja hierzulande lebt und arbeitet. Wenn man es nicht wüsste, würde in Kanada niemand glauben, dass Frank derzeit in Österreich einen Wahlkampf führt. Er ist ja praktisch immer hier.

Warum hat es Frank Stronach Ihrer Meinung nach in die Politik zurückgezogen?

Macht zu haben, kann es nicht sein, weil Macht hat er als Unternehmer genug - und er hat noch nie davor zurückgeschreckt, sie einzusetzen. Was ihm vielleicht fehlt, ist die Anerkennung seiner Person durch eine breite Öffentlichkeit. Nachdem er als Geschäftsmann alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt, glaube ich, dass dahinter vielleicht sehr persönliche Motive stecken. Ich weiß zum Beispiel, dass Frank kaum Freunde hat. Geschäftsfreunde hat er viele, ja. Aber keine wirklichen Freunde: Leute, die man anruft, um am Abend gemeinsam ein Bier trinken zu gehen oder einfach nur zum Reden.