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"Minderheit kann Mehrheit der Eltern überstimmen"

Von Simon Rosner

Politik

In Linz lehnten Lehrer verschränkte Form ab, nun werden sie wieder gefragt.


Linz. Wenn Stefan Giegler an die Wahl denkt, schleicht nicht bloß die Nationalratswahl durch seine Gedankengänge. Giegler muss als Direktor der Europaschule Linz, die Volksschule und Neue Mittelschule für 10- bis 14-Jährige ist, eine andere Wahl organisieren. Er wird seinem Lehrerkollegium die nicht unwesentliche Frage stellen, ob die Europaschule ab dem kommenden Schuljahr in der Unterstufe einen verschränkten Ganztagsunterricht anbieten wird.

Nachmittagsbetreuung gibt es in der Schule schon seit vielen Jahren, doch die ist optional. Manche Kinder gehen zu Mittag nach Hause, andere bleiben an einzelnen Tagen länger in der Schule, wieder andere sind jeden Tag klassische Ganztagsschüler. Inspiriert von Exkursionen in andere Schulen wollte Giegler vor einigen Jahren auch in der Europaschule die verschränkte Form der Ganztagsschule installieren, bei der sich Lern- und Freizeitphasen tagsüber abwechseln.

Giegler informierte, diskutierte, dann kam es zur Abstimmung bei Eltern und Lehrern, von denen laut Gesetz jeweils zwei Drittel dafür stimmen müssen. "Das ist tatsächlich ein Hindernis und nicht zweckmäßig, weil so eine Minderheit eine Mehrheit der Eltern überstimmen kann", sagt der Direktor.

"Der Großteil der Eltern war dafür, auch wenn einige skeptisch waren", erzählt Giegler. Die Bedenken hatten jedoch eher pragmatische Gründe, keine ideologischen, für mögliche Probleme, etwa bei der Betreuung an schulfreien Tagen, wurden Lösungen gefunden. Skepsis war auch in der Lehrerschaft zu vernehmen, doch da nur die Hälfte der Volksschulklassen in der verschränkten Form geführt werden sollte, durften nur jene Lehrer abstimmen, die auch direkt betroffen waren. Die, die nicht wollten, verblieben im anderen Zweig, jene, die die neue Form ausprobieren wollten, stimmten dafür. "Deshalb ist es auch gelungen, die verschränkte Form durchzusetzen", erzählt Giegler.

Zwei Stimmen fehlten

Es erwies sich als richtige Entscheidung, wie sich zeigte. "Die Kinder gehen sehr gerne zur Schule. Die kritische Position wurde deshalb durch eine wohlwollende abgelöst, auch beim Lehrkörper", sagt der Direktor.

Während bei der Volksschule nur die Hälfte der Lehrer abstimmte, wählten aufgrund der Verflechtungen der Unterrichtsfächer bei der Neuen Mittelschule alle Lehrer. Auch da war zwar ein Großteil dafür, doch um zwei Stimmen wurde die Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt. Die Eltern wurden daraufhin gar nicht gefragt.

In diesem Schuljahr will Giegler die Lehrer erneut fragen. Anders gesagt: Er muss, denn die Volksschule neigt sich für die an Verschränkung gewöhnten Schüler dem Ende zu, in ein paar Tagen beginnt für sie die vierte Klasse. Da sich diese Form des Unterrichts bewährt hat und die Eltern wollen, würde sie Giegler auch gerne in der Neuen Mittelschule anbieten. "Man muss irgendwann einmal auch starten, und kann nicht warten, bis alle überzeugt sind", sagt er. Er hofft, dass er seit der letzten Wahl zumindest zwei kritische Lehrer überzeugen konnte.