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Gruß vom 24. 9. 2008

Von Katharina Schmidt

Politik

Analyse: Schnellschuss versus Blockade bei der Direkten Demokratie.


Wien. Kurz vor den Wahlen wird die hohe Politik nervös. Die einen versuchen noch rasch, ihre Kabinettsmitarbeiter in Sektionen unterzubringen, die anderen wollen angefangene Gesetzesinitiativen durchbringen. Denn man weiß ja nicht, ob die politische Landschaft nach der Wahl noch genauso aussieht, wie vorher. So geschehen an jenem berühmt-berüchtigten 24. September 2008, als sich die damaligen Chefs von SPÖ und ÖVP - im Gegensatz zum heutigen Kuschelkurs ihrer Nachfolger - absolut sicher waren, dass sie nicht mehr miteinander konnten. Im freien Spiel der Kräfte kurz vor der letzten Nationalratssitzung wurden noch schnell zahlreiche Gesetze ohne Begutachtung durchgewunken. Darunter die berühmt-berüchtigte Halb-Abschaffung der Studiengebühren, die bis heute Studierenden, Verfassungsgerichtshof und Wissenschaftsminister im Magen liegt.

Ein ähnlich rasches Vorgehen fordern nun ausgerechnet die Grünen: Nicht einmal einen Monat vor dem Urnengang möchten sie rasch einen Beschluss des Demokratiepakets erwirkt. Notwendig wären ein bis zwei Sitzungen des Verfassungsausschusses und zwei Plenarsitzungen. Letzteres deshalb, weil Materien, von denen die Geschäftsordnung des Parlaments betroffen ist, nicht in einer einzigen Sitzung abgehandelt werden dürfen. Der Zeitplan ist nicht nur ambitioniert, er kommt auch einigermaßen überraschend, da die Kritik an dem Begutachtungsentwurf verheerend war. Die grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol meint nach einer Analyse der Stellungnahmen allerdings, "nicht nur die Medien haben sich geirrt, sondern auch wir, weil es so schlimm gar nicht ist". Musiol will daher "weiterverhandeln, abändern, legislativ verbessern" - und dann das Gesetz noch vor der Wahl durchbringen.

Doch SPÖ und ÖVP wollen davon nichts wissen, sie sprechen sich gegen einen "Schnellschuss" aus, nachdem sie schon im Juli erklärt hatten, dass sich das Demokratiepaket in dieser Legislaturperiode nicht mehr ausgehen wird. Musiol hält das für eine bewusste Blockade.

Es stimmt wohl beides. Von Beginn der Diskussionen an hatte weder Rot noch Schwarz gesteigertes Interesse an direkter Demokratie. Im Sommer einigte man sich dann mit den Grünen auf einen gemeinsamen Entwurf. Nach einer Ermahnung durch Bundespräsident Heinz Fischer wurde das Paket, das eine Volksbefragung vorsieht, wenn mehr als 10 Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterstützen, doch in Begutachtung geschickt.

Kritik von Befürwortern

Und der Entwurf erntete vernichtende Kritiken: Unausgegoren war es etwa für den Verfassungsgerichtshof. Clemens Jabloner, Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, warnte in der "Presse" davor, ein Instrument in unser System einzubauen, "mit dem das System letztlich selbst über Bord geworfen werden kann". Selbst Uwe Serdült, von den Grünen konsultierter Schweizer Experte für Direkte Demokratie, riet jüngst gegenüber der "Wiener Zeitung" dazu, die Stellungnahmen "sorgfältig durchzuberaten".

Für SPÖ und ÖVP sind die negativen Stellungnahmen ein willkommener Anlass, das heikle Thema auf die Nachwahlzeit zu verschieben. Die Grünen fürchten, dass das der Sanktnimmerleinstag sein wird - nicht zu Unrecht, verschimmelt doch seit Jahren schon eine Fünf-Parteien-Einigung zu den U-Ausschüssen als Minderheitsrecht in den Schubladen des Parlaments. Dennoch: Eine derart komplexe Verfassungsmaterie sollte bei aller Nervosität nicht zu einem 24.-September-Beschluss verkommen.