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Wenn Studenten verschlafen

Von Bettina Figl

Politik
K.o.: Ob der vielen ausbleibenden Prüflinge überlegt die Uni Wien, Anmeldegebühr einzuheben.
© Jenis

Dem Eingangstest in Psychologie folgen Publizistik, Ernährungswissenschaften und Pharmazie.


Wien. Die Bleistifte sind gespitzt, die Wasserflaschen aufgefüllt und die Beruhigungstabletten griffbereit. Viele Stühle bleiben an diesem Dienstagvormittag allerdings leer. Denn nicht einmal die Hälfte jener, die für den Aufnahmetest für das Psychologiestudium angemeldet waren, haben den Weg durch die Metalldetektoren in die riesige Halle am Messegelände auf sich genommen.

Ursprünglich waren 4000 angemeldet, aber nur 1752 Bewerber erschienen zum Prüfungstermin. Etwa ein Drittel von ihnen wird einen der 500 Plätze für das Massenfach Psychologie ergattern.

Dass der eine oder die andere verschlafen hat, erscheint beim Blick in die müden Augen derer, die es pünktlich zur Prüfung geschafft haben, durchaus realistisch. Eine weitere Erklärung: Viele Bewerber aus Deutschland - an der Uni Wien machen sie rund 30 Prozent der Psychologiestudenten aus - gehen auf Nummer sicher und melden sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland für ein Studium an. (In Deutschland wird beim "Numerus Clausus" das Maturazeugnis zur Zulassung zum Studium herangezogen, Anm.)

Vier Tests kosten Uni Wien eine halbe Million Euro

Die Eingangstests für Psychologie gibt es bereits seit acht Jahren, doch heuer kommen erstmals drei weitere Studienfächer dazu: Am Mittwoch finden Tests für das Publizistikstudium an der Uni Wien (und an der Uni Salzburg) statt, am Donnerstag folgen Ernährungswissenschaften an der Uni Wien, am Montag sind angehende Pharmazeuten an den Unis Wien, Graz und Innsbruck dran. Anders als bei den Medizinern ist die Anmeldung für die Tests der Uni Wien kostenlos - aber angesichts der vielen ausbleibenden Prüflinge könnte sich das nun ändern.

Die Miete der Messehallen und die über 100 Aufsichtspersonen kosten für alle vier Testungen etwa eine halbe Million Euro, weshalb die Uni Wien überlegt, ab kommendem Jahr Gebühren einzuheben. Man will sich dabei an den Kosten des Medizin-Tests (knapp 100 Euro) orientieren, heißt es aus dem Rektorat der Uni Wien zur "Wiener Zeitung" .

Doch inwieweit kann ein solcher Test Auskunft darüber geben, ob ein junger Mensch dazu imstande ist, ein guter Psychologe oder eine fähige Medizinerin zu werden? "Dass jemand zu einem guten Arzt ausgebildet wird, ist schon auch unsere Aufgabe", sagt Karin Gutiérrez-Lobos, Vizedirektorin der MedUni Wien.

"Man testet, ob jemand ein guter Student wird"

An dieser gibt es seit 2006 Aufnahmetests, wodurch die Drop-out-Quote stark gesunken ist, wie Gutiérrez-Lobos betont, und erklärt: "Man testet in erster Linie, ob der Bewerber ein guter Studierender sein wird." Ob jemand ein guter Chirurg oder eine gute Psychiaterin sein wird, könnten Tests allerdings nicht zeigen.

Und da nicht einmal 20 Prozent der 10.000 Bewerber genommen werden, empfiehlt Gutiérrez-Lobos Anwärtern dringend einen "Plan B". Einen solchen haben auch viele der Psychologie-Bewerber im Hinterkopf: Falls es mit der Psychologie nichts werden sollte, will Dora Tinhof, 20 Jahre, Informatik studieren. Dass die Uni Wien via Tests den Andrang der Massen drosseln möchte, kann sie verstehen. Sie sagt aber auch: "Die Unis sollten ihre Kapazitäten ausbauen, denn selbst bei 500 Studienanfängern sind die Kurse hoffnungslos überbelegt." Den Vorschlag von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, fünfjährige Ansässigkeit in Österreich als Kriterium heranzuziehen, um Deutsche am Studium in Österreich zu hindern, bezeichnet sie als "diskriminierend". Das Rektorat der Uni Wien will sich zu diesem Vorschlag noch nicht äußern, eine Bewertung sei möglich, "sobald Genaueres bekannt wird".

Ilker Erdogan* sitzt an einem der zig Schreibpulte und wartet auf den Prüfungsbeginn. Er trägt eine Kappe, weite Baggy-Pants und ist für den Test extra aus Berlin angereist. Der 20-Jährige will unbedingt Psychologie studieren und hat sich auch in Frankfurt beworben. "In Deutschland habe ich keine Chance", sagt er. Über seine neue Heimat in spe weiß er wenig - "Wien ist die größte Stadt Österreichs, oder?" - für den Test ist er "so gut wie möglich vorbereitet". Auch Nina Unger hatte eine weite Anfahrt: An der Uni Regensburg stehen 3000 Studierende vor ihr auf der Liste, deshalb versucht die 17-Jährige ihr Glück in Wien, aber "wenn es nicht klappt, dann halt nicht".

Uni Salzburg und die TU Wien verzichteten auf Tests

Dass deutsche Studierende ihm seinen Platz wegschnappen könnten, sieht Michael Ruthner entspannt: "Wenn wer gescheiter ist als ich, soll er den Platz bekommen, egal von wo er ist. Wäre ich in Deutschland, würde ich es auch in Österreich versuchen." Er sei ohnehin bereits für Archäologie inskribiert. Das Rektorat der Uni Wien verweist darauf, dass die Uni Wien mit 500 Psychologie-Plätzen im Vergleich sehr hoch ist: An der HU Berlin werden etwa jährlich bei einer ähnlichen Personalausstattung 103 aufgenommen. "Aufnahmeprüfungen sind in jenen Studien notwendig, in denen die Betreuungssituation so angespannt ist, dass in der Studieneingangsphase keine akzeptablen Betreuungsverhältnisse geboten werden können", so die Uni-Wien-Sprecherin. Durch die Studienplatzfinanzierung wurde den Wirtschaftswissenschaften, Architektur, Biologie, Pharmazie und Informatik die Möglichkeit gegeben, Aufnahmeverfahren durchzuführen. Die Uni Salzburg und die TU Wien haben generell darauf verzichtet, auch in der Informatik haben sich alle Unis von vorneherein dagegen entschieden.

 *Der Name wurde auf Wunsch nachträglich geändert.