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Bildung made in China

Von Bettina Figl

Politik

Schenker-Wicki sieht "Dynamisierung des österreichischen Hochschulraums".


"Wiener Zeitung": Vor zwei Jahren haben Sie gesagt, Europa wird bald von Asien abgehängt. Ist es schon so weit?

Andrea Schenker-Wicki: So schnell geht es zum Glück nicht. Wir haben also noch Zeit, dem entgegenzuwirken. Unverändert ist der Trend, dass in China und Indien eine Universitätsausbildung ein hohes Gut ist und die ganze Familie spart, um den Kindern eine solche zu ermöglichen. China steckt enorme Summen in Forschung und Entwicklung (F&E) und betreibt eine aktive Innovationspolitik. Indien und China haben ihre Anstrengungen im Bereich F&E in den letzten fünf Jahren verdoppelt. China gibt rund 200 Milliarden Dollar pro Jahr aus, Indien etwa 40 Milliarden Dollar. Wenn die Zuwächse weiter so hoch sind, werden Indien und China die USA in den nächsten fünf bis zehn Jahren überholen. Geht man von der Anzahl der Forschenden aus, wird dies noch viel eher der Fall sein.

Bei der österreichischen Forschungsfinanzierung haben Sie 2011 dringenden Handlungsbedarf geortet - wie sehen Sie das heute?

Dass dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung fünf Prozent Wachstum in den nächsten Jahren zugesagt wurde, finde ich ganz wichtig. Es braucht eine ausreichende Finanzierung in der Grundlagenforschung. Sonst besteht die Gefahr, dass die Grundlagenforschung zu kurz kommt und die Innovationspipeline eines Landes nicht richtig gefüllt wird. Dies sagt auch der Rat für Forschung und Technologieentwicklung. Die Unis brauchen mehr Ressourcen für ihre Forschung, und zwar vor allem für die Grundlagenforschung.

Sollen wir uns an Asien orientieren, wo Geld für Bildung und Forschung anscheinend keine Rolle spielt?

Orientieren ist vielleicht ein bisschen viel gesagt. Aber wir müssen die Entwicklungen ernst nehmen und in unsere Forschungs- und Bildungssysteme investieren. Österreich hat mit zusätzlichen Investitionen reagiert, sodass die Forschungsausgaben im Verhältnis zum BIP auf 2,8 gestiegen sind und auf der Bildungsseite die Hochschulmilliarde dem Universitätssektor ein Wachstum von rund 14 Prozent ermöglicht hat. Dies ist sehr beachtlich, besonders vor dem Hintergrund der Finanz- und Haushaltskrise in Europa.

Dringend haben Sie auch zur Verbesserung der Steuerung von Hochschulen geraten. Wo stehen wir da?

Es gab eine Dynamisierung des österreichischen Hochschulraums. Wir haben dem Wissenschaftsministerium die Einführung eines Koordinationsgremiums empfohlen, das ist mit der Hochschulkonferenz geschehen. Das Ministerium ist unseren Vorschlägen zur Zusammensetzung weitgehend gefolgt. Im Forschungsbereich gibt es eine viel engere Abstimmung zwischen den Ministerien.

Warum wurde aus Ihrer Idee der Hochschulkommission als oberstes Strategiegremium nichts?

Diese Frage müssen Sie dem Ministerium stellen. Ich nehme an, es gab Abstimmungsprobleme mit existierenden strategischen Beratungsgremien und Umsetzungsprobleme seitens der Länder. Dass es mit der Hochschulkommission nicht geklappt hat, ist nicht schlimm, solange die strategischen Aufgaben wahrgenommen werden.

Sie empfehlen Zugangsregeln und Studiengebühren. Sind Gebühren nicht Peanuts angesichts dessen, was gebraucht würde?

In Zürich zahlt jeder Student rund 600 Euro pro Semester, das bringt der Uni rund 22 Millionen Euro. Dieses Geld ist für uns nicht vernachlässigbar und entspricht etwa 220 Vollzeitstellen. Wenn wir dieses Geld nicht hätten, müssten wir entweder drastisch sparen oder das Geld privat einwerben.

Österreich hat sehr wenige Akademiker, warum dann Zugangsbeschränkungen?

Das sagt man auch von Deutschland und der Schweiz und resultiert aus einer OECD-Statistik, und es ist Zeit, diese endlich einmal zu korrigieren: In den deutschsprachigen Ländern kann man in einem Betrieb einen Lehrabschluss machen. Die meisten Länder der OECD kennen dieses duale Ausbildungssystem nicht und bilden es nicht in der OECD- Statistik ab. Daher schneiden wir bezüglich einer höheren Ausbildung schlechter ab als unsere Nachbarn. Würde man in jenen Ländern, die kein duales Berufsbildungssystem kennen, die entsprechenden Abschlüsse herausrechnen, wäre die Differenz sehr viel kleiner.

Bei den Privatunis, die aus öffentlichen Mitteln der Länder finanziert werden, haben Sie empfohlen, sie ins Uni-System einzubeziehen - ist das passiert?

Bisher noch nicht.

Wie stehen Sie der MedUni gegenüber, die in Linz entstehen soll?

Wenn sich die Bundesländer am tertiären Bildungssystem beteiligen wollen, sollte man diesen Schwung ausnützen. Wenn die MedUni Linz nach den Regeln der Scientific Community errichtet wird, bin ich zuversichtlich, dass der Aufbau nicht allzu problematisch sein wird. Wo ich aus Erfahrung an meiner eigenen Uni Zweifel habe ist, ob die dafür geplanten Gelder ausreichen werden. Aber dies wird die Zukunft zeigen.

Andrea Schenker-Wicki ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich, Vizerektorin für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich, Mitglied des österreichischen und des schweizerischen Wissenschaftsrats und Aufsichtsratsmitglied des österreichischen Wissenschaftsfonds.

Wissen
Die Hochschulkonferenz wurde 2011 eingeführt, um Forschung und Lehre effizienter zu gestalten. Vertreter der Universitätenkonferenz, Fachhochschulkonferenz, des Wissenschaftsrates, der Uni-Senate sowie der Österreichischen Hochschülerschaft erarbeiten darin Empfehlungen für das Wissenschaftsministerium, das ebenfalls vertreten ist. Die Hochschulkonferenz war eine der Empfehlungen, die Andrea Schenker-Wicki (Uni Zürich) mit Antonio Loprieno (Rektor der Uni Basel) und Eberhard Menzel (Präsident der FH Westliches Ruhrgebiet) im Bericht zur Entwicklung und Dynamisierung der österreichischen Hochschullandschaft gegeben hat.