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"In Kärnten sind wir zweistellig"

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Der BZÖ-Chef will durch ein neues Steuersystem 4500 Beamte einsparen.


"Wiener Zeitung": Vor fünf Jahren wurde das BZÖ wegen Jörg Haider gewählt. Haben Sie nicht Angst, dass das BZÖ diesmal wegen Jörg Haider gerade nicht gewählt wird, weil in den vergangenen fünf Jahren vieles ans Licht gekommen ist?Josef Bucher: Ich vertraue darauf, dass die Menschen wissen, welche Politik das BZÖ jetzt macht. Ich bin viel auf der Straße unterwegs - und da ist die Vergangenheit kein Thema.

Trotzdem wird das BZÖ Haider nicht los.

Er ist leider tot. Nur die Journalisten graben ihn immer aus.

Sollte man also einfach einen Schlussstrich ziehen und nur noch nach vorne blicken?

Die Telekom und so weiter, das soll schonungslos aufgeklärt werden. Aber ich habe damit schlicht und ergreifend nichts zu tun.

Sie haben insofern damit zu tun, als Sie Obmann einer involvierten Partei sind.

Ja, aber das sollen die Gerichte aufklären und alle verurteilen, die sich nicht an die Gesetze gehalten haben.

Die Umfragen sehen das BZÖ derzeit nicht im Nationalrat. Stellen Sie sich schon auf ein Leben ohne Politik ein?

Für mich hat es immer ein Leben ohne Politik gegeben - schon bevor ich in die Politik gegangen bin. Aber wir werden sicher im Nationalrat bleiben. Allerdings verstehe ich nicht, warum man die Telekom-Prozesse vor der Wahl durchführt, während bei den Linzer Spekulationen der Richter gemeint hat, ein Prozess vor der Wahl sei für die SPÖ nicht dienlich. Beim BZÖ ist das völlig wurscht. Da ist jedes Mittel recht, um das BZÖ negativ in die Schlagzeilen zu bringen. Aber auch das halten wir aus. Man gewöhnt sich mit der Zeit daran, der Staatsfeind Nummer eins zu sein.

Unterstellen Sie der Justiz, da gezielt vorgegangen zu sein?

Die Justiz müsste das zuerst für sich klären - abgesehen davon, dass man uns eine Million im Wahlkampf raubt.

Die Telekom will vom BZÖ 940.000 Euro. Was bedeutet das für den Wahlkampf?

Das Geld fehlt uns halt in den letzten drei Wochen. Da hätten wir einiges geplant gehabt.

Wie macht man das wett?

Das kann man werbetechnisch nicht wettmachen. Man kann nur auf die Mobilisierung bauen.

Zum Beispiel durch die neuen Köpfe auf der Bundesliste, die Sie vor ein paar Wochen präsentiert haben? Dafür fallen Prominente BZÖler wie Stefan Petzner um ihr Mandat um.

Wenn ich das Bundesmandat annehme, ist er in Kärnten Nummer eins. 2008 war ich nicht auf der Bundesliste, sondern auf der Kärntner Landesliste - jetzt ist es plötzlich ein mediales Riesendrama, wenn er auf der Landesliste quasi Nummer eins ist.

Die Voraussetzungen haben sich etwas geändert.

Nicht in Kärnten. Dort sind wir sicher zweistellig.

Bereuen Sie manchmal, dass Sie das Angebot von Frank Stronach für eine Zusammenarbeit nicht angenommen haben?

Nein, keine Sekunde. Ganz im Gegenteil. Ich würde mich genieren, wenn ich sehe, was in der Stronach-Partei alles abläuft.

Also lieber mit Anstand nicht mehr im Parlament sitzen?

Mit meiner Auffassung ist das jedenfalls nicht vereinbar.

Sie wollen das BZÖ als "moderne Mitte" positionieren. Gerade dort wird es jetzt im Wahlkampf ziemlich eng, denn die Mitte beanspruchen auch ÖVP und Neos. Wo findet man da sein Platzerl?

Es gibt eine alte, anachronistische Mitte - da sitzt die ÖVP. Wir als die moderne Mitte bilden die Lebenswirklichkeit der Menschen ab, etwa in der Familienpolitik. Wir sagen: Patchwork ist Familie.

Sie fordern die Gleichstellung aller Zusammenlebensformen. Wie weit geht das?

Die Homo-Ehe gibt es ja schon. Was das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare angeht, bin ich noch nicht der Meinung, dass das zielführend ist. Das geht mir alles ein bisschen zu schnell. Aber bevor ein Kind in einem Heim aufwächst, ist es wahrscheinlich besser, in einer Art familiären Beziehung zu sein. Aber es sollte nicht so schnell gehen, dass wir alle überfordert werden.

Den Großteil Ihres Wahlprogrammes machen Steuersenkungen und Entlastungen aus: Sie fordern die steuerliche Absetzbarkeit von Unterhaltszahlungen oder einen Kinderabsetzbetrag von 9000 Euro, Steuerbefreiung von Überstunden, Senkung der Mineralölsteuer, Abschaffung der Umsatzsteuer auf Mieten - das ist alles Geld, das dem Staat dann fehlt. Wie soll man das bezahlen?

Unser Konzept besticht durch Einfachheit - und spart dadurch Unmengen an unnötigen Verwaltungskosten. Würde man das Steuersystem vereinfachen, wären mit einem Schlag 4500 Beamte nicht mehr erforderlich. Glauben Sie wirklich, dass ein Steuersystem gut sein kann, wenn wir 600 Ausnahmebestimmungen haben?

Von Verwaltungsreform redet die Politik schon so lange, ist das nicht nur noch ein bloßes Schlagwort?

Das würde ich nicht sagen. 2000 ist es gelungen, die eine oder andere Reform auf den Boden zu bringen und Beamte einzusparen. Aussichtslos ist es nicht. Es ist nur die Frage der Konsequenz. Wenn SPÖ und ÖVP nicht mehr auf über 50 Prozent kommen, können sie nicht mehr die Betonierer der Nation spielen. Wie oft hat Frau Fekter schon von einer einberufenen Steuerreformkommission erzählt - niemand weiß, gibt es die wirklich, wer sitzt da drinnen, wann tagt sie. Wir werden alle nur am Schmäh gehalten.

Wäre Finanzminister ein Job, der Sie reizen würde?

Natürlich, alles, was zu einer Verbesserung der Situation führt, ist reizvoll. Aber ich verstehe nicht, wie man in Österreich so etwas Dummes, wie dieses Steuersystem, überhaupt duldet. Es ist nur ungerecht.

Das findet die SPÖ auch und fordert Vermögens- und Erbschaftssteuer.

Das ist die Art, wie die SPÖ Politik versteht: Wenn man einen finanziellen Engpass hat, werden gleich wieder neue Steuern erfunden. Aber das ändert ja an der Gesamtsituation nichts, dass wir einen Reformstau haben. In den nächsten Jahren kommen enorme Kosten im Bereich der Pensionssicherung und Gesundheit auf uns zu. Aber wir leben, als gäbe es kein Morgen - und die Party zahlen die nächsten Generationen.

Pensionen sind ein großes Thema im Wahlkampf - etwa das Frauenpensionsalter. Gehört da an der Schraube gedreht?

Es gehört vor allem einmal ein gerechtes Pensionssystem geschaffen, und zwar für alle und nicht für die Beamten ein eigenes, für die Privatangestellten eines und für die Arbeiter eines. Ein Pensionsversicherungssystem für alle, ein Pensionskonto, wo man sieht, welche Ansprüche man sich schon erarbeitet hat und wann man in Pension gehen kann. Dann erübrigen sich alle Diskussionen über Anpassungen vom Frauen- an das Männerpensionsalter. Das Regelpensionsalter muss 65 sein - geht man vorher, hat man große Abschläge, geht man später, hat man Zuschläge.

Aber gerade die Alten sind den Unternehmen oft zu teuer.

Wir wollen die Gehaltskurve umdrehen. Nicht am Ende des Berufs soll man gut verdienen, sondern am Anfang, wenn man es braucht.

Und dann wird es weniger?

Nein, aber es flacht ab.

Bei den Lehrern will es die Regierung so machen. Würden Sie diesen Entwurf für ein neues Lehrerdienstrecht mittragen?

Ich möchte für die Lehrer ein Dienstrecht haben, das sich an der Privatwirtschaft orientiert, nicht wieder ein Beamtendienstrecht. Es soll offener sein, mit mehr Durchlässigkeit. Man muss ja nicht ein Leben lang Lehrer sein. Andererseits sollen auch Leute, die vorher in der Wirtschaft waren, eine Zeit lang unterrichten dürfen. Wir brauchen in den Schulen auch wieder eine Qualitätskontrolle. Das ist in jedem Betrieb das Thema Nummer eins. Ohne die nötige ISO-Zertifizierung bekommt man keinen Auftrag. In der Schule haben wir so etwas nicht, obwohl Bildung eigentlich der wichtigste Grundstein für das Funktionieren unserer Volkswirtschaft ist.

Was halten Sie von der aktuellen Standort-Debatte?

Das ist ernst zu nehmen. Im World Competitiveness Report (Rangliste der Volkswirtschaften mit höchsten Wachstumschancen, Anm.) waren wir 2007 an elfter Stelle, jetzt sind wir 23. Das ist eine längerfristige Entwicklung, die sich da abzeichnet. Seit Jahren schieben wir Dinge unerledigt vor uns her. Wir in Österreich glauben, so dramatisch wird es schon nicht sein. Aber um bei der Bildung zu bleiben: Wenn sich da nichts ändert, werden aus den 20 Prozent, die heute die Pflichtschule verlassen, ohne die Kulturtechniken zu beherrschen, in fünf Jahren 25 Prozent, in zehn Jahren 30 Prozent. Das sind die 30 Prozent, die keinen Job kriegen.

Gleichzeitig wird es, wenn wir keine exzellenten Schulen und Universitäten haben, auch die Spitzenjobs bei uns nicht mehr geben, weil wir die menschlichen Ressourcen nicht haben. Das macht mir Sorgen. Wenn wir diesen Weg gehen, wird immer weniger einbezahlt ins System. Wovon werden wir in Zukunft leben? Darum sollten wir uns mehr mit der Zukunft als mit der Vergangenheit beschäftigen. Die Entscheidungen, die wir auf die lange Bank schieben, werden uns in Zukunft viel Geld kosten.

Zur Person

Josef Bucher

ist seit 2008 Klubobmann des BZÖ-Parlamentsklubs und seit 2009 Bundesbündnisobmann des BZÖ. Der gelernte Touristikkaufmann ist geschieden und Vater von drei Söhnen.