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Der Feind im eigenen Bett

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Bisher wurde gerne davon gesprochen, dass die EU am Euro oder an der mangelnden wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit zerbrechen könnte. Angesichts schwachen Konjunkturdaten stehen diese Themen nach wie vor in der Auslage. Doch die Bedrohung für Europa verschiebt sich immer stärker in den politischen Bereich. Der Erfolg der europa- und ausländerfeindlichen Ukip bei einer Nachwahl ins Unterhaus wird David Cameron und die Tories wohl noch rabiater machen.

Und die Schwäche von François Hollande eröffnet in Frankreich die Möglichkeit, bei der Wahl 2017 die rechtsradikale Marine Le Pen als Präsidentin zu bekommen. Diese hat bereits angekündigt, in diesem Fall ein Referendum über den EU-Austritt Frankreichs abzuhalten.

Die wahren Feinde liegen also im eigenen Bett, Le Pen und Ukip-Parteichef Nigel Farage sitzen derzeit im EU-Parlament.

Nun ist es schon kurios genug, dass sich jemand als Volksvertreter bezahlen lässt, obwohl er diese Art von Volk völlig ablehnt. Es ist daher dringend notwendig zu erklären, was dann wohl passieren würde. Ein EU-Austritt von Großbritannien und Frankreich würde nicht nur das politische System in Europa zerstören, sondern auch das wirtschaftliche. Frankreich müsste den Franc wieder einführen, der sofort abwerten würde. Französische Großbanken, Versicherungen und Industriekonzerne würden wohl am Rand der Pleite stehen und die Banken anderer Länder mit in den Todesstrudel ziehen. Über die Zahl der Arbeitslosen in einem solchen Szenario sollte man besser nicht nachdenken.

In diesen politischen Wunden wühlt mit einem gewissen Vergnügen der russische Präsident Wladimir Putin. Russland unterstützt ganz offensichtlich ganz rechte Parteien in den EU-Ländern. Le Pen hat Putin bereits als "Verteidiger der europäischen Werte" bezeichnet, was nur als absurd gelten darf. Auch die FPÖ findet sich unter den Putin-Verstehern.

Die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker muss in den kommenden Wochen ein glaubwürdiges Investitionskonzept zur Bekämpfung der aktuellen Wirtschaftsschwäche vorlegen. Die jetzigen Regierungschefs im Europäischen Rat benötigen allerdings - ebenso rasch und ebenso glaubwürdig - ein politisches Konzept für Europa. Dieses Konzept lautet mehr Europa und nicht weniger, und es muss mit Lust betrieben werden und nicht nur mit preußischer Disziplin.