Zum Hauptinhalt springen

Politik-Kunst und leere Worte

Von Bettina Figl

Politik
Jugendliche arbeiten an ihren politischen Kunstprojekten: Ein Kellergassenlokal in der Brünner Straße in Wien-Floridsdorf wurde zum Atelier und Ort für Diskurs.
© Luiza Puiu

Demokratie in der Schule: Projekte werden am Mittwoch gezeigt.


Wien. Mit Pinsel und Kleister wird eine Schaufensterpuppe in Zeitungspapier gehüllt, ihr Kopf ist bereits voller Schlagzeilen und wird im nächsten Schritt trockengeföhnt. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, und die Achtklässler des Gymnasiums Franklinstraße verraten der "Wiener Zeitung" vorab: Die Zeitungs-Puppe symbolisiert den Medien-Wirrwarr, bei der Performance am Mittwoch werden Wahlreden zu hören sein. "Die Tonspuren liegen übereinander, richtig versteht man aber nichts", erklärt Kerstin*, "denn Politiker sagen viel, aber meist nur leere Worte."

Ebenfalls leer steht üblicherweise das Kellergassenlokal in Wien-Floridsdorf, in dem die Schülerinnen und Schüler an diesem Nachmittag an ihren Projekten arbeiten. Dass dieser Ort für den Unterricht in Bildnerischer Erziehung (BE) gewählt wurde, ist kein Zufall, erklärt Eva Kirchmaier: "Das Arbeiten außerhalb der Schule ist anders. Wir haben keinen 50-Minuten-Takt, sondern vier Stunden geblockt, die Pausen sind selbstbestimmt." Die junge BE-Lehrerin wollte mehr Kunstvermittlung in der Schule, also gründete sie mit drei Kolleginnen und einem Medienpädagogen die "Forschungswerkstatt".

Zwischennutzung: Kunst-Atelier statt Baustelle

Die Scheibtruhe und Kabelrollen zur Seite geschoben, an den Wänden hängen Schlagworte zu Demokratie: Einst eine Baustelle, nun ist das Kellergassenlokal in der Brünnerstraße eine Demokratiewerkstatt. Bevor die Schülerinnen und Schüler hier an künstlerischen Arbeiten zum Thema arbeiteten, diskutierten sie mit Politikwissenschafterin Stefanie Wöhl von der Uni Wien über Demokratie. Doch an Politik mussten sie nicht erst herangeführt werden: "Unser Klassenvorstand ist sehr engagiert und will, dass wir uns engagieren", sagt Rebecca, während sie "Ja" und "Nein" auf Post-its schreibt. Damit will sie bei der Performance auf Wahl- und Wechselwähler aufmerksam machen.

Die 17-Jährige gehört zu rund 348.000 Jungwählern in Österreich, die am 29. September ihre Stimme zum ersten Mal abgeben dürfen. Ihr gefällt die Wahlwerbung der Grünen, weil diese "andere Parteien verarschen". Weniger gut finden die meisten das Magazin "Eva", mit denen sich die Grünen an Junge richten: "Peinlich", lautet das Urteil.

Meltem findet, dass Jugendliche und ihre Anliegen von Politikern zu wenig ernst genommen werden. Vielleicht die Erklärung dafür, dass ein Drittel der etwa 200 Wahlberechtigten des Gymnasiums angaben, ungültig wählen zu wollen. Der Schulsprecher Markus zitiert damit eine Umfrage, die er an der Schule für die Schülerzeitung durchgeführt hat. Der Rest will demnach die SPÖ oder die Grünen wählen, und nur zwei Schüler hätten angegeben, die Stimme der ÖVP zu geben.

Die Wahlbeteiligung bei Jungwählern liegt laut Sora im Durchschnitt, wen sie wählen, ist jedoch stark schichtspezifisch: Berufsschüler wählen fast nur SPÖ und FPÖ, Absolventen höherer Schulen fast ausschließlich SPÖ, Grüne und ÖVP.

"Trau dich" und "Sag’s laut" steht auf den Kärtchen, die Tamara und Rosemarie in der Stadt verteilen. Mit den Postkarten wollen sie Menschen dazu auffordern, wählen zu gehen und sich politisch zu engagieren. Sie gehen mit gutem Beispiel voran: Tamara ist für die AKS Wien aktiv und wird wohl die SPÖ wählen - wiewohl sie sagt, sie sei von der roten Asylpolitik und ihrem Umgang mit Abschiebungen enttäuscht.

"Barbara Prammer ist die Allercoolste in der Politik"

Für welche Politiker kann sie sich begeistern? "Barbara Prammer ist die allercoolste Frau in der Politik. Sie ist die Einzige, die ihre Stimme erhebt", sagt Tamara (das Gespräch wurde vor Bekanntwerden von Prammers Rückzug geführt). Frank Stronach hingegen ist für sie eine "Witzfigur", die sich "aufs Ärgste blamiert". Rosemarie wünscht sich, dass "politische Bildung" in den Schulen als Pflichtfach eingeführt wird.

Dass viele Jungwähler an Politik nicht interessiert sind, ist ihr bewusst - Wählen mit 16 sollte dennoch nicht abgeschafft werden, sagt sie: "Dadurch muss man sich mit Politik auseinandersetzen."

Für Katharina ist das tagespolitische Geschehen nicht leicht zu durchschauen: "Es ist schon kompliziert. Wenn man es nicht verfolgt, kommt man nicht mit." Neven pflichtet ihr bei, und will davon abbringen, weiß zu wählen: "Das spielt den Parteien in die Karten." Er outet sich als SPÖ-Wähler, das sei "das geringste Übel". Er sympathisiert zwar auch mit den Grünen, doch diese "fordern zu viel, das ist nicht umsetzbar", meint er. "Das Schlimmste" wäre für ihn jedoch, wenn die FPÖ wieder an die Macht kommt, "nach dem, was Schwarz-Blau angerichtet hat". Die ÖVP tut seiner Ansicht nach zu wenig, aber "Stronach an der Macht, das wäre lustig".

* Auf Wunsch der Schülerinnen und Schüler werden die Nachnahmen nicht genannt.

Die Arbeiten von "I search Demokratie" sind im Rahmen der "Wienwoche", einem Kulturprojekt der Grünen, am 18. 9. um 17.30 Uhr im Republikanischen Club in der Wiener Rockhgasse zu sehen. Ab 18 Uhr Diskussion über Kulturelle Bildung. Am 20. 9. um 16 Uhr Performance im brut im Künstlerhaus.