Wien. (kle) "Österreich zehrt von den wirtschaftlichen Erfolgen der Vergangenheit. Der Reformeifer ist erlahmt", betont der Wiener Ökonom Ulrich Schuh. Ähnlich drastisch sehen dies heimische Wirtschaftsbosse. Sie pochen auf Reformen und fordern von der künftigen Bundesregierung Taten statt Worte.

Im Wesentlichen gehe es darum, dem Wirtschaftsstandort Österreich und den Konsumenten eine "Wachstumsperspektive zu geben - und keine Stagnationsperspektive", sagt etwa Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. Wobei es an den handelnden Personen liege, dass man das in den nächsten fünf Jahren sicherstellen könne und nicht in eine gegenseitige Behinderungspolitik verfalle.

Immofinanz-Chef Eduard Zehetner nennt im Zusammenhang mit den zu lösenden Problemen vor allem das Lehrerdienstrecht, die Forschung, die Universitäten und die Verwaltungsreform. Daneben seien auch die Senkung der Lohnnebenkosten, die Senkung der Besteuerung und die Entlastung des Faktors Arbeit ganz wesentliche Aufgaben.

Andreas Treichl, Chef der Erste Group, schlägt ebenfalls in diese Kerbe. Höchste Priorität räumt der Banker einem reformierten Steuersystem ein, das Unternehmen nicht benachteilige (etwa durch die Bankensteuer) und den Bürgern mehr Geld auf dem Lohnzettel lasse. Auch Reformen bei Bildung und in der Verwaltung sind ihm ein Anliegen. "Die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes muss verbessert werden", sagt Treichl. "Wir müssen wieder für all jene Menschen attraktiv werden, die hier investieren wollen."

Aus der Sicht von Wienerberger-Chef Heimo Scheuch muss eine neue Regierung "den Österreichern wieder den Glauben an die Zukunft zurückgeben". Sie müsse "sagen, dass wir in der Tat ein modernes, innovatives Österreich schaffen, das die Grundbedürfnisse der Menschen in diesem Land, was Bildung, Infrastruktur, aber auch Wohnen betrifft, anpackt".

"Kompetenz-Wirrwarr"

Auch Raiffeisen hat am Tag eins nach der Nationalratswahl über seinen Chefanalysten Peter Brezinschek Wünsche an die nächste Regierung gerichtet. Dringend gesteigert gehöre die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs - und zwar durch eine Senkung der Lohnnebenkosten und durch Bürokratieabbau. Zudem sollten Staat und Verwaltung so umgebaut werden, dass der derzeitige "Kompetenz-Wirrwarr" eliminiert wird.

Geht es nach Raiffeisen, muss auch der Faktor Arbeit verbilligt werden. Finanziert werden sollte eine solche Steuersenkung primär durch Einsparungen auf der Ausgabenseite, aber auch durch eine breitere Verrechnung öffentlicher Leistungen (also mehr Selbstbehalte) sowie Privatisierungen. Für die nächsten fünf Jahre hält Brezinschek ein Privatisierungspotenzial von acht bis zehn Milliarden Euro für realistisch: "Als sinnvoller Schritt könnte eine Privatisierung von Verbund und den Landesenergieunternehmen mit Rückzug auf 25 Prozent plus eine Aktie und gleiches bei OMV, Telekom und Post erfolgen."

KESt-freie Altersvorsorge

Auch die Ignoranz gegenüber der Wiener Börse als "wichtiger Finanzierungsquelle für Wachstum und Beschäftigung" sollte beendet werden - und zwar durch Förderung von Risikokapital, wie Brezinschek anmerkt. So wäre zum Beispiel eine Befreiung von der Kapitalertragsteuer (KESt) für jede Art der Altersvorsorge ein "wichtiger Schritt, das staatliche Pensionssystem mit der dritten Säule zu entlasten, die Risikobereitschaft der Österreicher Richtung Aktien zu kanalisieren und sie für die österreichische Börse wieder zurückzugewinnen". Derzeit halten nur fünf Prozent der Österreicher Aktien, in Deutschland sind es 14 Prozent, in Skandinavien 35 Prozent.

Eine Reform des Pensionssystems, Senkung der Steuern und Budgetausgaben sowie Privatisierungen (vor allem im Energiesektor) fordert auch Franz Schellhorn, Chef der Denkfabrik "Agenda Austria". Für ihn sind dies die dringendsten Aufgaben, die die künftige Regierung möglichst schon im ersten Jahr nach der Wahl anpacken sollte.