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Konservativ, grün, liberal, sozial: Neos müssen nun Politbrei kneten

Von Clemens Neuhold

Politik

Neos wollen mit Rot-Schwarz, nicht mit FPÖ; Haselsteiner nur in "Vaterrolle".


Wien. 4,8 Prozent. Die neue Partei Neos zog am Sonntag auf Anhieb mit der deutschen FDP gleich, die seit 1949 im Deutschen Bundestag saß. Der Unterschied: Während die Neos erstmals ins Parlament einzogen, flog die FDP erstmals raus (in Österreich gelten vier Prozent als Hürde, in Deutschland fünf).

Kann man daraus schließen, dass der Liberalismus in Österreich im Aufwind ist, während er sich in Deutschland in alle Winde zerstreut? Sind die Neos überhaupt liberal? Was haben 200.000 Menschen da gewählt?

Die Wähler

Von den Wählern her lässt sich das Parteiprofil nicht eindeutig bestimmen. Vor allem aus Protest haben Neos-Wähler für die neue Partei entschieden. 50 Prozent gaben dieses Motiv in der Wahltagsbefragung des Instituts "Ecoquest" an. 29 Prozent nannten die "Hoffnung auf Veränderung" als Motiv. Das Programm beziehungsweise den "Liberalismus" nannten nur 13 Prozent als entscheidend, den Kandidaten Hans-Peter Haselsteiner neun Prozent.

Mit über 60.000 Stimmen fischten die Neos am stärksten im ÖVP-Gewässer, gefolgt von 57.000 vormals grünen Stimmen. Je 20.000 Wähler stammten von den restlichen Parteien und den Nichtwählern, ergab die Sora-Wählerstromanalyse.

Das Wahlverhalten früherer LIF-Wähler war nicht zu eruieren, das Liberale Forum schaffte es 2008 nicht ins Parlament. Doch dass der Bautycoon Haselsteiner, der schon in den 90er Jahren LIF-Abgeordneter war, die Neos im Wahlkampffinale massiv pushte, hat sicher den einen oder anderen mobilisiert.

Die Partei

Vor den Wahlen wurde Haselsteiner als "Ministerkandidat" präsentiert. Nun definiert er seine Rolle als "väterlicher Berater, der, wenn nötig, auch Geld zuschießt". Als Financier wird Haselsteiner auch ohne Ministeramt ein Wörtchen mitzureden haben. Ideologisch kann der Strabag-Chef als sozialliberal eingestuft werden. Mit der Beteiligung an der Westbahn als Konkurrenz zur staatlichen ÖBB hat er klar gemacht, wie zentral ihm Deregulierung und Liberalisierung in der Wirtschaft sind. Doch auf der anderen Seite überholt er die SPÖ links, wenn er 75 Prozent Steuern für Reiche und höhere Grundsteuern fordert. Damit vertritt er eine Linie des Liberalismus, die Wettbewerb und gesellschaftliche Balance als Paar sehen.

Im Neos-Programm ist von Steuererhöhungen allerdings nichts zu lesen. Hier heißt das Motto: Steuern runter und "mehr netto vom Brutto". Das vertritt Neos-Gründer Matthias Strolz vehement, der am ehesten den Typus des Wirtschaftsliberalen verkörpert. Die deutliche Reduktion der Abgabenquote von 44,6 Prozent auf 40 Prozent soll unter anderen durch ein Privatisierungsprogramm finanziert werden. 15 Milliarden Euro soll das in die Staatskasse spülen. Spätestens hier würden Sozialdemokraten und der linke Flügel der Grünen den "neoliberalen" Teufel an die Wand malen.

A propos Grüne: Hier wechselten nicht nur Wähler die Farbe auf Pink, es gab auch fliegende Wechsel von Parteimitgliedern. "Die Grünen halten den Markt für tendenziell böse und sind grundsätzlich misstrauisch gegenüber dem Unternehmertum, darin unterscheiden wir uns eklatant von ihnen", sagt Strolz.

Doch diese Grünliberalen werden trotzdem nicht leicht auf einen Nenner zu bringen sein mit den Julis, den Jungen liberalen Studenten. Sie vertreten den klassischen Liberalismus: Je weniger Staat, desto besser.

In ihrem Selbstverständnis bezeichnen sich die Neos als "Bürgerbewegung aus der Mitte des Volkes", die "breiter aufgestellt ist als es das Liberale Forum war". Sie sehen sich klar den europäischen Liberalen zugehörig, mit der deutschen FDP verbinden sie "grundlegende Werte wie Freiheit, Eigenverantwortung, Internationalität und Bürgerrechte."

Was alle Neos-Flügel vereint, ist der gesellschaftliche Liberalismus, den die Chefin des LIF und künftige Parlamentarierin, Angelika Mlinar, verkörpert. Das reicht von der vollen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften bis hin zu einem rundum erneuerten Bildungswesen. Ein starker Kitt ist aber auch Europa - auch wenn sich beim Ziel "eines europäischen Bundesstaates" fragt, was das sein soll. Ähnlich schwammig: die Forderung, bestehende Pensionen zu kürzen (was vertraglich unmöglich ist).

Insgesamt ist die künftige Ausrichtung der Partei aus dem Mix der Parlamentarier schwer auszumachen, wirtschaftsliberal dürfte aber stärker ausgeprägt als sozialliberal sein. Unter den neun Parlamentariern werden neben Mlinar und Strolz u.a. Niki Scherak, der Chef der Julis sein. Mit dem Vorarlberger Gerald Loacker und Beate Meinl-Reisinger schaffen es außerdem zwei ehemalige ÖVP-Mitstreiter ins Hohe Haus. Außerdem wird Unternehmer und Kirchenkritiker Niko Alm einziehen. Aus derzeitiger Sicht nicht drinnen ist Sepp Schellhorn, Ex-Präsident der Hoteliersvereinigung.

Die Aussichten

Welche Richtung die Neos einschlagen, wird auch von ihrer künftigen Rolle abhängen. Strolz kann sich eine Beteiligung an einer rot-schwarzen Regierung vorstellen, Bundeskanzler Werner Faymann konzentriert sich aber lieber voll auf die ÖVP. In der ÖVP spricht sich bisher nur ÖVP-Wien-Chef Manfred Juraczka für Rot-Schwarz-Pink aus. Ein Zusammengehen mit der FPÖ schließt Strolz hingegen aus.

Als Koalitionsbedingung definierte Strolz: Abgabenqoute runter, Parteienförderung runter, Bildungsniveau rauf.