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Ein Zimmer mehr als Ausweg

Von Matthias Nagl

Politik
Koalitionsfreier Raum als Notlösung. In Salzburg funktioniert das.
© fotolia.com/Magda Fischer

Neue Salzburger Regierung setzt auf Bereiche ohne Stimmzwang.


Salzburg. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn vom koalitionsfreien Raum die Rede ist. Für die einen mag es ein steriles, kleines Kammerl sein, für die anderen ein prunkvoller Saal. Tatsache ist, dass der koalitionsfreie Raum seit der Nationalratswahl zunehmend als eine Renovierungsoption für das gemeinsame Haus einer neuerlichen großen Koalition im Gespräch ist.

Wer davon spricht, meint kein wie auch immer ausgestaltetes Zimmer, sondern einen Zustand, in dem einander die Partner einer Regierungskoalition Luft zum Leben lassen und im Parlament nicht zwanghaft bei jedem Votum das gleiche Abstimmungsverhalten an den Tag legen müssen. Dass eine solche Konstruktion ordentliches Konfliktpotenzial hat, liegt auf der Hand.

Wie also müsste ein koalitionsfreier Raum eingerichtet sein, damit eine Koalition eine Chance auf Erfolg hat? In Österreich gibt es ein aktuelles Beispiel, wo ein solcher koalitionsfreier Raum eingerichtet wurde und bisher ziemlich gut funktioniert. Die neue Salzburger Landesregierung aus ÖVP, Grünen und Team Stronach definierte koalitionsfreie Räume und hat auch deren Einsatz in der Praxis schon problemlos überlebt. Gefahr droht der Regierung derzeit höchstens durch die aktuelle innere Erosion des Teams Stronach.

Als die ÖVP und das Team Stronach Mitte September gemeinsam mit der Oppositionspartei SPÖ die Abschaffung einer Parteienförderung verhinderten, sorgte das zwar für medialen Aufruhr. Grund war aber nicht das Ausscheren der Grünen, die mit der zweiten Oppositionspartei FPÖ stimmten, sondern der Inhalt der Initiative.

Vergangene Woche scherten die Grünen abermals von der Regierungslinie aus und stimmten zweimal mit der SPÖ. Einmal ging es um eine Verschärfung der Drogenpolitik, einmal wurde eine Verschärfung des Waffengesetzes verhindert. Beide Male sicherten FPÖ und Team Stronach der ÖVP die Mehrheit.

Das Ausscheren war jeweils durch den Koalitionspakt gedeckt. "Endlich ist es möglich, unterschiedlich abzustimmen, ohne dass sich die Regierungsparteien deshalb gleich gegenseitig das Ende der Koalition in Aussicht stellen. Das belebt den Landtag und bringt in die politische Debatte eine neue Qualität ein", freute sich Cyriak Schwaighofer, Klubobmann der Salzburger Grünen, nach der Abstimmung.

Zweifel an Machbarkeit

Doch könnte so eine Konstruktion auch auf Bundesebene funktionieren? "Ich bin da relativ skeptisch", sagt Reinhard Heinisch, Politikwissenschafter an der Universität Salzburg. "Am Anfang würde es funktionieren", glaubt Heinisch. "Doch irgendwann kommen die Knackpunkte. Und zwar dann, wenn wichtige Klientelgruppen einer Partei das Gefühl haben, überstimmt zu werden."

Was freilich nicht heißt, dass die Salzburger Koalition auch an diesen Punkt geraten muss. Dort sei die Situation eine andere: "Im Land sind die Rädchen überschaubarer, Szenarien lassen sich viel leichter durchspielen. Außerdem ist die Koalition in Salzburg keine Koalition zwischen zwei Großparteien", erklärt Heinisch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Er nennt allerdings auch Szenarien, in denen koalitionsfreie Räume auf Bundesebene funktionieren könnten. "Wenn man es vorab definiert und auf einzelne Bereiche beschränkt", sagt Heinisch. So könnte etwa jede Partei bestimmte Themenblöcke als koalitionsfrei nominieren. Das könnte für SPÖ und ÖVP auch Vorteile bringen. "Man könnte sich gewisser Probleme ohne Gesichtsverlust entledigen", erklärt Heinisch.

Für die SPÖ sieht er etwa den Bereich der Studiengebühren, für die ÖVP die Gesamtschule als solche Bereiche.

Für den Politikwissenschafter Anton Pelinka wären koalitionsfreie Räume jedenfalls "eine sehr logische Variante", wie er dem Ö1-"Mittagsjournal" sagte. "Die große Koalition muss irgendetwas Neues vorweisen." Allerdings sieht Pelinka in dieser Form einen Vorteil für die ÖVP: "Sie hat aufgrund der gegenwärtigen Situation im Nationalrat mehr Angebote."

Feststeht, dass koalitionsfreie Räume in Österreich in Mode gekommen sind. Besonders dort, wo Grüne mitregieren. Auch die schwarz-grüne Regierung in Tirol hat einen solchen festgelegt. Er umfasst offiziell zwar nur ein umstrittenes Seilbahnprojekt, gilt de facto aber auch für die Fortführung bereits laufender, umstrittener Kraftwerksprojekte.

In Kärnten sitzt dagegen die Ablehnung der jüngeren Vergangenheit noch tief. Die neue Regierung aus SPÖ, ÖVP und Grünen kommt ohne derartige Vereinbarungen aus, obwohl die SPÖ sowohl mit der ÖVP als auch den Grünen alleine eine Mehrheit hätte. Man geht davon aus, sich im Streitfall vor einer etwaigen Abstimmung im Landtag einigen zu können.

Doch die größte Gefahr geht bei koalitionsfreien Räumen ohnehin nicht von den Regierungsparteien aus. "Die Opposition würde gezielt Punkte suchen und Initiativen einbringen, um die Regierung auseinanderzutreiben", erklärt Heinisch. Mit dem Resultat, dass die Regierung zwar einen neuen Raum hätte, dort aber genauso gestritten würde wie im übrigen Haus.