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Showdown ohne Entscheidung

Von Simon Rosner

Politik

Stronach in Kanada, Nachbaur verlässt Sitzung, Fragen bleiben unbeantwortet.


Oberwaltersdorf. Es ist nur ein gewöhnlicher Kreisverkehr, der das rurale Niederösterreich von Nordamerika trennt, oder zumindest von der nordamerikanischen Wirklichkeit Frank Stronachs. In Oberwaltersdorf an der Badener Straße hat Stronach sich und dem von ihm gegründeten Unternehmen Magna ein Refugium erbaut, das rein optisch viel besser nach Ontario als ins südliche Niederösterreich passen würde.

Hier, in diesem bemerkenswert geschniegelten Anwesen, ist die Konzernzentrale von Magna beheimatet, daneben wurde ein Wohnpark mit dutzenden Häusern im Kolonialstil sowie ein Golfklub samt künstlichem See errichtet. Es ist eine Art Minikosmos, den Frank Stronach hier in Oberwaltersdorf geschaffen hat, und genau hier wurden und werden auch alle für ihn wichtigen Entscheidungen getroffen.

So sollte es auch am Mittwoch sein, als in den Räumlichkeiten des Golfclubs die erste Sitzung des Bundesdirektoriums, des neu geschaffenen Parteigremiums, stattfand. Wo, wenn nicht hier sollten die Fragen, wer nun tatsächlich die Landesorganisationen von Salzburg, Kärnten, Niederösterreich anführen soll, geklärt werden? Und wo, wenn nicht hier sollten die internen Streitigkeiten, die nach der Nationalratswahl im Team Stronach offen ausbrachen, gelöst werden?

Schon zu jener Zeit, als sich Stronach noch gar nicht zum Ziel gesetzte hatte, Österreich einen Bundeskanzler seiner Gnaden zu verschaffen, sondern die Austria zum Europacupsieger und das Fußball-Nationalteam zum Weltmeister zu machen, war Oberwaltersdorf stets der Ort der Entscheidung gewesen. Kaum war Stronach einflogen, wurden Trainer und Manager mit flauen Gefühlen im Bauch nach Magnaland gerufen. Manchmal traten sie als Ehemalige den Heimweg an.

"Ergebnisse waren kein Ziel"

So hätte es durchaus auch am Mittwoch sein können, doch es kam anders, was wohl auch damit zu tun hat, dass Stronach selbst in Kanada weilt. Konfliktlösungen hat die Sitzung nicht gebracht, dafür ein recht skurriles Ende. Denn nach dem Mittagsessen fuhr die designierte Klubobfrau und Vertraute von Frank Stronach, Kathrin Nachbaur, zu einem "dringenden Termin", wie es hieß, obwohl davor noch von Gesprächen mit "open end" die Rede.

"Es war nicht das Ziel, zu einem Ergebnis zu kommen", sagt Sprecher Rouven Ertlschweiger. Das Bundesdirektorium habe zum ersten Mal getagt, ein Demokratisierungsprozess sei eingeleitet worden, erklärt er. Eine etwas andere Deutung zum plötzlichen Aufbruch Nachbaurs war von Gerhard Köfer zu hören: "Ich fahre mit keiner Entscheidung nach Hause, das ist das, was ich nicht wollte." Er sei zudem ein wenig überrascht über die Art, wie man mit einem Problem umgehe.

Ob Köfer als Parteichef in Kärnten abgesetzt sei oder vielleicht doch nicht, konnte Ertlschweiger auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" nicht eindeutig klären: "Siegfried Schalli wurde von Stronach installiert, aber das ist ein laufender Diskussionsprozess. Jetzt gibt es Gespräche, wie man das im Sinn aller Beteiligten löst." In Niederösterreich und Salzburg waren die bisherigen Parteichefs ebenfalls unmittelbar nach der Nationalratswahl abgesetzt worden, in St. Pölten übernahm etwa Renate Heiser-Fischer, die bei der Stronach-Group beschäftigt ist, das Amt von Elisabeth Kaufmann-Bruckberger. Die geschasste Parteichefin war erst gar nicht nach Oberwaltersdorf gekommen.

Auf der anderen Seite des Landes, in Vorarlberg, wurden im Team Stronach dafür recht eindeutige Tatsachen geschaffen. Bis auf Parteichef Christoph Hagen trat der Vorstand geschlossen zurück, die Landespartei ist damit praktisch aufgelöst. "Wir haben die Nachricht von Nachbaur bekommen, dass das Büro in Vorarlberg ab sofort geschlossen wird, ohne Grund", sagt der bisherige stellvertretende Obmann Siegmund Buocz. "Das Team Stronach ist am Ende. Schluss. Aus."

Austritte in Vorarlberg

Nationalratsmandatar Hagen will nun ein neues Team aufbauen und damit eine Kandidatur für die Landtagswahlen 2014 ermöglichen, Buocz kann sich ein Gelingen aber nicht vorstellen: "In Vorarlberg wird ihn niemand mehr wollen", sagt Buocz. Dass das Büro in Dornbirn nur befristet für ein Jahr angemietet wurde sowie sämtliche Geräte ebenfalls nur geleast sind, lässt den nunmehrigen Ex-Stronach-Mitarbeiter ein abgekartetes Spiel vermuten. "Da muss schon vorher etwas gelaufen sein, und uns hat man schamlos ausgenützt". Man sei für die neue Partei gelaufen, für die Werte, wie Buocz sagt, und dann kam ein kurzer Anruf. "Wo ist da die Fairness?", fragt er.

Siegmund Buocz ist richtiggehend aufgewühlt. Er war vorher beim BZÖ engagiert, mit Josef Bucher habe er aber "enorme Probleme gehabt". Dann betrat Frank Stronach die politische Bühne, und Buocz war wieder entflammt. Bis Dienstag. "Meine politische Karriere ist gestern zu Ende gegangen, andere Mitglieder hat das sehr mitgenommen", sagt er. "Warum stößt man die Leute so vor den Kopf?"

Zumindest in Vorarlberg habe das Team Stronach keine Zukunft mehr, glaubt Buocz, noch immer verwundert von dem, was innerhalb der Partei gerade passiert. Doch das ist auch nicht neu bei Stronach, denn sprunghaft und überraschend waren seine Entscheidungen auch beim Fußball. Es gab wechselnde Vertraute, die Stronach Informationen nach Kanada übermittelten, manchmal gefiltert oder gar verzerrt. Zumindest im Fußball hat Stronachs Führungsstil Intrigen auf mittlerer bis höherer Managementebene stark gefördert - jeder gegen jeden um die Gunst des Chefs, solange bis Stronach in Oberwaltersdorf eintraf. Ob Buocz nicht hätte gewarnt sein müssen? "Wir sind nicht dumm, aber vielleicht waren wir gutgläubig."

Die Konflikte im Team Stronach wurden am Mittwoch weder ausgeräumt noch Lösungsszenarien entworfen. Und noch immer ist unklar, ob Monika Lindner ihr Mandat nicht doch annehmen wird, bis 16. Oktober hat sie noch Zeit, explizit darauf zu verzichten, andernfalls ist sie Mandatarin. In zwei Wochen kommt dann auch Frank Stronach wieder nach Österreich. Man kann davon ausgehen, dass er nach Oberwaltersdorf rufen wird. Und man kann auch davon ausgehen: Es wird Entscheidungen geben.