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Ein neuer Stil - aber wie?

Von Clemens Neuhold und Wolfgang Zaunbauer

Politik

ÖVP will Arbeit projektbezogener gestalten, die SPÖ ist skeptisch.


Wien. Am Mittwoch hat Bundespräsident Heinz Fischer SPÖ-Chef Werner Faymann mit der Bildung einer neuen Bundesregierung betraut - verbunden mit dem Wunsch nach einem neuen Stil der Koalitionszusammenarbeit und mehr Reformbereitschaft der Regierungspartner. Am Montag wird sich Faymann vom Parteivorstand das Placet für Regierungsverhandlungen holen und das Gespräch mit der ÖVP suchen. Für Kanzler und Bundespräsident steht nämlich fest, es soll eine rot-schwarze Koalition werden.

Für die ÖVP ist das freilich keinesfalls eine ausgemachte Sache. Dort hält man sich auch andere Farbvarianten offen. Auch was den neuen Stil der Zusammenarbeit betrifft, ist die ÖVP experimentierfreudiger. Für Faymann geht es um weniger Streit und mehr Geschlossenheit. Die ÖVP hingegen will auch an der Form der Zusammenarbeit deutliche Änderungen vornehmen.

Messbare Ziele, klarer Zeitplan, fixes Controlling

Bei besonders wichtigen Projekten soll die Übereinkunft nämlich weit detaillierter als bisher sein. Oft genannt wird der Bereich "Wachstum". Hier sollen mit Experten konkrete Ziele definiert werden, etwa wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden sollen (im Wahlkampf war bei der ÖVP immer von 420.000 die Rede), wie groß das Wirtschaftswachstum sein soll, wie weit man sich in Wettbewerbs- und Standortrankings verbessern will.

Es geht dabei um messbare Ziele, mit einem Zeitplan und begleitendem Controlling. Ein Sprecher von ÖVP-Chef Michael Spindelegger sprach von zehn Projekten, die so ausgearbeitet werden sollen. Weil es dabei auch oft um Zweidrittelmehrheiten geht, müssten von Anfang an die Oppositionsparteien miteingebunden werden.

Eine projektorientierte Regierungszusammenarbeit, wie sie der ÖVP vorschwebt, ist für Politikexperte Thomas Hofer nicht nur wünschenswert, sondern sogar "zwingend nötig" - und doch wohl chancenlos. Gerade die letzten beiden Koalitionsverhandlungen hätten gezeigt, "dass man viel stärker projektorientiert formulieren muss - je konkreter, desto besser", sonst drohe weiter Streit.

"Sollte es tatsächlich in diese Richtung gehen, dann dürfen auch die Koalitionsverhandlungen durchaus länger dauern", sagt Hofer, "aber ich glaube nicht daran." Was den Experten zweifeln lässt: "Für eine solche Politik müssten SPÖ und ÖVP Projekte außer Streit stellen - aber ich zweifle daran, dass sie sich überhaupt auf Projekte einigen könnten."

Kein Kochrezept, sondern eher ein Rahmenvertrag

In der SPÖ stößt die Projekt-Idee der ÖVP auf wenig Gegenliebe. Ein Koalitionsabkommen ist für Kanzler Faymann eher ein "Rahmenvertrag" als ein detailliertes "Kochrezept", wie er sagt.

Auf Ablehnung bei SPÖ und ÖVP stößt die zuletzt immer wieder aufgekommene Frage des koalitionsfreien Raumes. In der Salzburger Dreierkoalition etwa funktioniert dieses in Österreich bisher eher unbekannte politische Vehikel recht gut. Egal, ob es um eine Verschärfung der Drogenpolitik oder des Waffengesetzes ging - wo beide Male die Grünen mit der SPÖ, die FPÖ hingegen mit ÖVP und Team Stronach stimmte -, die Koalition überlebte die Abstimmungen unbeschadet. Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sprach am Donnerstag von einem "angenehmen Stil und Miteinander", die Zusammenarbeit sei sogar "eine Freude".

Demnächst kommt mit den Budgetverhandlungen aber die erste große Bewährungsprobe für das Salzburger Trio - und da kann es keinen koalitionsfreien Raum geben.

"Zurück bleiben nur Verletzte und Rachegelüste"

Dass diese Art der Zusammenarbeit auch auf Bundesebene funktionieren könnte, daran hat der Salzburger Politikwissenschafter Reinhard Heinisch seine Zweifel, wie er zuletzt zu "Wiener Zeitung" sagte. Irgendwann kämen Knackpunkte, wo eine Klientelgruppe das Gefühl habe, überstimmt zu werden.

Auch für Thomas Hofer ist die Idee des koalitionsfreien Raums nur theoretisch gut, praktisch aber nicht realistisch. "Was soll denn da rein? Die Streitthemen? Das wäre die Bankrotterklärung einer Regierung", sagt er. Wenn die eine Regierungspartei mit anderen den Partner überstimmt, "das hinterlässt nur Verletzte und Rachegelüste beim Koalitionspartner". Da könne man gleich in eine Minderheitsregierung gehen, meint Hofer, "das geht nicht lange gut. So sind Parteien halt gestrickt".